Markenrecht. Jennifer Fraser
erhöhter Entscheidungsfindungsaufwand vorausgeht. Im ersteren Fall ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Verkehr eine Zeichenähnlichkeit oftmals nur flüchtig prüft, dafür regelmäßiger mit dem in Frage stehenden Zeichen und den betroffenen Drittzeichen in Kontakt tritt, während er im zweiten Falle zwar intensiver prüft, dafür möglicherweise einer schwächeren Erinnerungskraft an die Drittzeichen unterliegt. Eine Nutzung einer Marke in nicht kennzeichnungsmäßigem Gebrauch (vgl § 14 Rn 156), wie zB der Einsatz des Begriffes mit seiner inhaltlichen Bedeutung in Werbesprüchen, reicht zu einer Schwächung der Kennzeichnungskraft nicht aus (BPatG GRUR 2007, 154, 155 – Chrisma/Charisma).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung einer etwaigen Schwächung der Kennzeichnungskraft ist der Tag, an dem sich die Zeichen erstmalig gegenüberstehen. Insb darf die Verwendung der Verletzermarke nicht zu einer Schwächung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens herangezogen werden (EuGH GRUR 2006, 495, 497 – Levi Strauss/Casucci).
288
Die Schwächung eines Zeichens muss auf der Grundlage tatsächlicher Feststellungen begründet sein. Die Darlegungs- und Beweislast trifft dabei denjenigen, der sich auf die Schwächung des gegnerischen Zeichens beruft, dabei muss zum Umfang der Benutzung und zur Bekanntheit der Drittzeichen vorgetragen werden (BGH GRUR 2009, 685 Rn 25 – ahd.de; GRUR 2008, 1104 Rn 25 – Haus & Grund II). Die Nutzung der Drittzeichen muss im Widerspruchsverfahren „liquide“, dh unstr oder amtsbekannt sein (vgl oben Rn 248; BPatG GRUR 2004, 433, 434 OMEGA/OMEGA LIFE). Sie muss des Weiteren tatsächlich ausgeübt werden, die schlichte Eintragung von Drittzeichen reicht nicht aus, da diese eine Gewöhnung des Publikums an das Zeichen nicht ermöglicht (BGH GRUR 2002, 898, 899 – defacto; GRUR 2002, 626, 628 – IMS; GRUR 2001, 1161, 1162 – CompuNet/ComNet; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2005, 281, 282 – ATLAS; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 42, 44). Soweit eine tatsächliche Nutzung der Drittzeichen nicht „liquide“ ist, ist die Eintragung einer Vielzahl von Drittzeichen jedoch nicht von vorneherein unbeachtlich; sie kann darauf hindeuten, dass bereits eine originäre schwache Kennzeichnungskraft besteht (vgl Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 187).
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Eine Nichtbenutzung während der Benutzungsschonfrist von 5 Jahren führt allerdings nicht zu einer Schwächung der Kennzeichnungskraft.
3. Bekanntheitsschutz, § 9 Abs 1 Nr 3
290
Nach § 9 Abs 1 Nr 3 kann eine Marke gelöscht werden, wenn es sich bei der Marke mit älterem Zeitrang um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung der eingetragenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.
a) Allgemeines
291
Die Regelung in § 9 Abs 1 Nr 3 wegen einer unlauteren Rufausbeutung oder Verwässerung korrespondiert mit der Vorschrift des § 14 Abs 2 Nr 3, welche im Verletzungsverfahren vor den Zivilgerichten maßgeblich ist (vgl auch die dortige Kommentierung unter § 14 Rn 235 ff). Soweit sich keine ähnlichen Waren oder Dienstleistungen gegenüberstehen, ist § 9 Abs 1 Nr 3 im Widerspruchsverfahren nach § 42 Abs 2 Nr 1, Nr 2 nicht zu berücksichtigen (vgl § 42 Rn 48). Die Verletzung einer bekannten Marke kann jedoch Gegenstand eines Löschungsverfahrens nach § 55 sein (§ 55 Rn 21). Sie setzt wie der Identitätsschutz keine Verwechslungsgefahr voraus (EuGH GRUR 2004, 58, 60 – adidas/Fitnessworld; GRUR 2003, 240, 242 – Davidoff/Gofkid).
292
Der Bekanntheitsschutz der Marke ist ein absolutes Recht und damit Gegenstand der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 S 1 GG (BVerfGE 95, 173 – Rauchen schadet der Gesundheit; 78, 58, 70 – Esslinger Neckarhalde II; BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila-Postkarte; Büscher FS Ullmann, S 129).
b) Voraussetzungen
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Die Erfüllung dieses Verletzungstatbestandes setzt die Bekanntheit der älteren Marke, eine Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und eine rechtswidrige, unlautere Beeinträchtigung der bekannten Marke voraus.
aa) Bekanntheit der Marke
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Voraussetzung für einen Markenschutz aus § 9 Abs 1 Nr 3 ist das Vorliegen einer bekannten Marke. Eine solche ist gegeben, wenn sie im Inland einem bedeutenden Teil des Publikums, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, bekannt ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind (BGH MarkenR 2016, 599 Rn 37 – Wunderbaum II, juris; Urt v 23.9.2015 – I ZR 105/14, MarkenR 2015, 552 Rn 20 – Goldbären, juris; Urt v 2.4.2015 – I ZR 59/13, MarkenR 2015, 486 Rn 10 – Springender Pudel – juris; MarkenR 2011, 475 Rn 42 – TÜV II; GRUR 2003, 428, 432 – BIG BERTHA; GRUR 2002, 340, 341 – Fabergé; EuGH GRUR 2009, 1158 Rn 24 – Pago/Tirolmilch; GRURInt 2000, 73, 75 – Chevy). Die Bekanntheit muss als Kennzeichnung für bestimmte Waren oder Dienstleistungen gegeben sein (BGH U MarkenR 2015, 486 Rn 10 – Springender Pudel – juris; MarkenR 2011, 475 Rn 42 – TÜV II; GRUR 2004, 235, 238 – Davidoff II).
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Für die Beurteilung einer Markenbekanntheit ist auf das Publikum abzustellen, an das sich die ältere Marke richtet, welches von der Ware oder Dienstleistung betroffen ist (BGH GRUR 2003, 428, 432 – BIG BERTHA; GRUR 2002, 340, 341 – Fabergé). Dies ist nach der Waren- bzw Dienstleistungsgattung zu bemessen. Für Waren oder Dienstleistungen, die sich nicht an ein bestimmtes Spezialpublikum wenden, ist auf die Gesamtbevölkerung abzustellen (BGH GRUR 2002, 340, 341 – Fabergé; EuGH GRURInt 2000, 73, 74 – Chevy), sonst auf diese speziellen Kundenkreise (BGH GRUR 2003, 428, 433 – BIG BERTHA).
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Die Bekanntheit richtet sich nach allen Umständen des Einzelfalles, insb dem Marktanteil der Marke, der Intensität, der geografischen Ausdehnung, der Dauer der Benutzung und dem Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (BGH MarkenR 2015, 552 Rn 20 – Goldbären, juris; Urt v 02.04.2015, I ZR 59/13, MarkenR 2015, 486 Rn 10 – Springender Pudel – juris; GRUR 2003, 428, 432 – BIG BERTHA; GRUR 2002, 340, 341 – Fabergé; EuGH GRURInt 2000, 73, 74 – Chevy). Ein weiterer Anhaltspunkt für die Markenbekanntheit kann auch deren öffentliche Erwähnung durch Dritte sein (OLG München ZUM 1999, 268, 269 – Dr. Sommer).
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Die Bekanntheit lässt sich zwar nicht anhand eines prozentualen Bekanntheitsgrades der Marke beim Publikum messen (BGH MarkenR 2016, 599 Rn 37 – Wunderbaum II, juris; MarkenR 2015, 552 – Goldbären; GRUR 2003, 428, 432 – BIG BERTHA; GRUR 2002, 340, 341 – Fabergé; EuGH GRURInt 2000, 73, 74 – Chevy), dennoch sind die Ergebnisse entspr demoskopischer Umfragen stets von bes Bedeutung. Das OLG Hamburg geht von einem Richtwert von 30 % aus (OLG Hamburg MarkenR 2003, 401, 406 – VISA; GRUR 1999, 339, 342 – Yves Rocher), das KG hält einen Mindestwert von 35 % für erforderlich (KG GRUR 2000, 906, 907); in der Lit werden sowohl