Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer

Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer


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      Die fristlose Kündigung ist bedingungsfeindlich[501] und nur binnen angemessener Frist ab der Kenntnis vom Kündigungsgrund wirksam. Wer zulange wartet, verliert sein Kündigungsrecht[502]. Der Vermieter indes verliert sein Kündigungsrecht wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht schon dadurch, dass er die verspätete Zahlung widerspruchslos entgegennimmt, denn er könnte sogleich erneut kündigen[503]. Ebenso wenig verliert der Mieter sein Recht, wegen eines Mangels der Mietsache fristlos zu kündigen, wenn er in Kenntnis des Mangels den vollen Mietzins weiterzahlt, aber vielleicht verzichtet er stillschweigend auf sein Kündigungsrecht oder verwirkt es nach § 242[504].

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      Ohne Kündigungsgrund ist die fristlose Kündigung nicht nur unwirksam, sondern eine Vertragsverletzung, die nach § 280 I 1 zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Kündigende sich nicht nach § 280 I 2 entlastet[505]. In eine ordentliche Kündigung lässt sie sich nach § 140 nur dann umdeuten, wenn der Kündigende das Mietverhältnis so oder so beenden will[506].

      Auf der anderen Seite hat, wer wegen einer Vertragsverletzung des Vertragsgegners wirksam fristlos kündigt, zusätzlich einen Anspruch aus § 280 I 1 auf Ersatz des Kündigungsschadens (RN 280).

      Wer durch arglistige Täuschung zum Vertragsschluss verführt worden ist, muss das Mietverhältnis nicht fristlos kündigen, sondern kann es nach §§ 123, 142 I durch Anfechtung auch dann noch rückwirkend vernichten, wenn die Mietsache bereits übergeben ist[507].

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      Nach § 543 I 1 dürfen sowohl der Vermieter als auch der Mieter das Mietverhältnis, das ein Dauerschuldverhältnis ist, aus wichtigem Grund jederzeit fristlos kündigen. Einen wichtigen Grund hat der Vermieter oder Mieter nach § 543 I 2 dann, wenn ihm „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann“[508]. Das ist wahrlich keine handliche Formel, fassbar wird sie erst durch die gesetzlichen Beispiele des § 543 II (RN 271 ff.).

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      Die Beweislast für den wichtigen Grund trägt stets der Kündigende[509]. Wer aber aus einem gesetzlichen Beispiel nach § 543 II klagt, muss nur den dort beschriebenen Kündigungsgrund nachweisen, nicht auch noch die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 543 I 2[510].

      Für das Wohnmietverhältnis verschärft § 569 I-IV zugunsten des Mieters die allgemeine Regel des § 543.

       Abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Wohnungsmieters sind nach § 569 V ebenso unwirksam wie die Vereinbarung weiterer Kündigungsgründe des Vermieters.

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      Nach § 543 II 1 Nr. 1, III 1 darf der Mieter das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn ihm der vereinbarte Mietgebrauch nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird und er dem Vermieter vergeblich eine angemessene Frist zur Abhilfe gesetzt oder ihn abgemahnt hat[511].

      Die Beweislast trägt der Mieter[512], jedoch muss der Vermieter nach § 543 IV 2 die Erfüllung seiner vertraglichen Gebrauchsüberlassungspflicht beweisen.

      Beispiele

- Die Wohnfläche der Mietwohnung ist um mehr als 10 % kleiner, als sie nach dem Vertrag sein soll (BGH NJW 2009, 2297).
- Der Vermieter verbietet vertragswidrig eine Untervermietung (BGH 89, 308).
- Mehrjährige Bauarbeiten behindern den Zugang zum gemieteten Kiosk (OLG Köln NJW 72, 1814).
- Die gemietete EDV-Anlage ist unvollständig (BGH NJW 93, 122).
- Noch kein Vorenthalten ist die systematische Sperre eines Computerprogramms gegen unbefugte Nutzung (BGH NJW 81, 2684) oder der kurzzeitige Verlust des geleasten Autos, das alsbald gefunden und repariert wird (BGH NJW 87, 377).

      Die Frist zur Abhilfe ist nach § 543 III 2 ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie keinen Erfolg verspricht (Nr. 1)[513] oder die sofortige Kündigung aus besonderem Grunde berechtigt ist (Nr. 2)[514].

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      Ausnahmsweise ausgeschlossen ist das Kündigungsrecht des Mieters sowohl nach § 543 IV 1 mit §§ 536b, 536d, wenn der Mieter keine Mängelrechte hat (RN 214, 215), als auch dann, wenn er den Verlust des Mietgebrauchs zu vertreten hat oder eine Abhilfe vereitelt.[515] Die Beweislast für diese Ausnahmen trägt der Vermieter. Er muss nach § 543 IV 2 vor allem beweisen, dass er den Mietgebrauch rechtzeitig gewährt oder den Mangel rechtzeitig beseitigt habe. Der Vermieter muss auch beweisen, dass der Mieter den Mietbesitz durch den Mietgebrauch verloren habe, die Ursache also im Obhutsbereich des Mieter liege. Erst wenn dies feststeht, muss der Mieter sich entlasten und beweisen, dass er den Besitzverlust nicht zu vertreten habe.

      Beispiele

- Der Mietraum, in dem der Mieter ein Weinlabor betreibt, brennt ab. Brandursache ist ein elektrischer Defekt in einem „Nutschenfilter“, den der Mieter eingebracht hat. Da der Brand durch den Mietgebrauch entstanden ist, muss der Mieter sich entlasten (BGH NJW 98, 595; 2009, 142: zu § 280 I 2).
- Nach Brandstiftung Dritter hingegen bleibt es bei der vollen Beweislast des Vermieters dafür, dass der Mieter den Verlust des Mietgebrauchs zu vertreten habe (BGH NJW 96, 321).

      Unabdingbar ist das Kündigungsrecht des Mieters, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat (§§ 543 IV, 536d), und nach § 569 V im Wohnmietverhältnis.

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      Nach § 569 I darf der Wohnungsmieter fristlos kündigen, wenn der Mietgebrauch die Gesundheit erheblich gefährdet und der Mieter dem Vermieter nach § 543 III 1 eine angemessene Frist zur Abhilfe gesetzt oder ihn abgemahnt hat[516]. Dieses


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