Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht, eBook. Silvia Deuring

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muss dem Dritten gegenüber lediglich für die Verletzung von Schutzpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB einstehen.[6]

      Im vorliegenden Fall sollte Hauptpflicht aus dem Behandlungsvertrag die Behandlung der T sein. Zudem möchte die M der T eine möglichst günstige Rechtsstellung einräumen, sodass von einem echten Vertrag zugunsten Dritter auszugehen ist.[7]

      a) Vertragsschluss

      aa) Angebot der Stadt S auf Abschluss eines Behandlungsvertrages

      Mit Ausgabe des „Aufnahmevertrag“-Formulars, spätestens aber mit Behandlung der T, gab die Stadt S ein konkludentes Angebot i.S.d. § 145 BGB auf Abschluss eines Behandlungsvertrages, § 630a BGB, ab.

      bb) Annahme des Angebots durch M

      M müsste dieses Angebot auch angenommen haben. Mit Ausfüllen und Unterschreiben des Formulars nahm M dieses Angebot der Stadt S an.

      cc) Ergebnis

      Damit wurde ein Vertrag zwischen M und S geschlossen, § 630a Abs. 1 i.V.m. § 328 Abs. 1 BGB.

      b) Zahlungspflicht aus dem Vertrag

      Ein Behandlungsvertrag zwischen S und M zugunsten der T besteht zwar, allerdings ist damit noch nicht geklärt, ob dem S damit auch gleichzeitig ein Zahlungsanspruch zusteht. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass Behandlungsverträge i.S.d. § 630a BGB nicht immer auch entgeltliche Verträge sind. Durch den Behandlungsvertrag wird zwar der Behandelnde zunächst zur Leistung der versprochenen Behandlung, der Patient zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, § 630a Abs. 1 BGB. Dies gilt aber ausdrücklich nicht, soweit ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist, § 630a Abs. 1 BGB a.E. Dieser Zusatz ist nach der Gesetzesbegründung auf gesetzlich krankenversicherte Patienten zugeschnitten.[8] Insoweit überlagert das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung mit seinem Vergütungssystem das Recht des privaten Behandlungsvertrags mit der Folge, dass sich der ansonsten synallagmatische Behandlungsvertrag in ein partiell einseitiges Vertragsverhältnis umwandelt.[9] Hier ist zwar T selbst nicht versichert, sodass eine solche Überlagerung eigentlich nicht stattfindet. Da die M aber (fälschlicherweise) angab, die Tochter T sei gesetzlich krankenversichert, richtete sich das Angebot des S jedoch dennoch von vornherein nur auf eine Behandlung ohne Kostenbelastung.[10] So wurde das Angebot von M dann auch angenommen.

      c) Zwischenergebnis

      Ein Vertrag liegt zwar vor; dennoch ergibt sich aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 109 SGB V), dass M nicht zur Zahlung verpflichtet ist.

      2. Subsidiäre Zahlungsverpflichtung aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen

      Möglicherweise könnte sich eine Zahlungsverpflichtung der M aber subsidiär aus § 8 der Allgemeinen Vertragsbedingungen ergeben, wonach sich ein Kassenpatient zur Selbstzahlung verpflichtet, wenn eine von ihm in Anspruch genommene Leistung nicht von der Krankenkasse übernommen wird. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung setzt voraus, dass sie als allgemeine Vertragsbedingung wirksam Vertragsbestandteil geworden ist und der Inhaltskontrolle standhält.

      a) § 8 der Vertragsbedingungen als wirksamer Vertragsbestandteil

      Zunächst müsste § 8 der Vertragsbedingungen wirksamer Bestandteil des zwischen der Stadt S und M geschlossenen Behandlungsvertrages geworden sein.

      aa) Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. BGB

      Der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist nicht gemäß § 310 Abs. 4 BGB eingeschränkt.

      bb) Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen

      Die Klausel müsste eine AGB darstellen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB.

      Die Allgemeinen Vertragsbedingungen des Krankenhauses K, dessen Träger die Stadt S ist, sind vorformuliert und werden allen „Aufnahmeverträgen“ zu Grunde gelegt.

      Der Vertrag mit dem Hinweis auf die AGB wurde M ferner einseitig im Krankenhaus vorgelegt, ein einseitiges Stellen bei Abschluss des Vertrages ist folglich gegeben. Ohnehin gelten bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher AGB unwiderleglich vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB.

      Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen damit vor.

      cc) Einbeziehungskontrolle

      (1) Einbeziehung im Einzelfall

      Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere Partei ausdrücklich oder durch sichtbaren Aushang auf sie hinweist, § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB, der anderen Partei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB, und diese mit ihrer Geltung einverstanden ist, § 305 Abs. 2 a.E. BGB. Vorliegend wird in dem Aufnahmevertrag auf die Allgemeinen Vertragsbedingungen ausdrücklich hingewiesen. Nachdem diese Vertragsbedingungen der M auch entsprechend deutlich ausgehändigt wurden, ergibt eine Auslegung der Erklärung der M, d.h. das Unterschreiben des Vertrags, nach dem objektivierten Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB, ein Einverständnis mit den Vertragsbedingungen. Diese wurden folglich in den Behandlungsvertrag einbezogen.

      (2) Keine überraschende Klausel, § 305c Abs. 1 BGB

      Schließlich dürfte die Klausel nicht so ungewöhnlich sein, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen brauchte, § 305c Abs. 1 BGB. Ob eine Klausel in diesem Sinne überraschend ist, ist nach den Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners zu beurteilen, wobei aber auch die konkreten Vertragsumstände zu berücksichtigen sind.[11] So führt der BGH aus: „Überraschenden Charakter hat eine Regelung dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden von allgemeinen und individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt.“[12]

      Zur Bewertung, ob die Klausel überraschend ist, muss diese zunächst ausgelegt werden, unter Heranziehung des Grundsatzes des § 305c Abs. 2 BGB, wonach eine mehrdeutige Klausel „zu Lasten des Verwenders“ auszulegen ist. Dies bedeutet, dass grundsätzlich die kundenfeindlichste Auslegungsmöglichkeit zu wählen ist. Diese Vorgehensweise erscheint paradox, ist aber dann im Ergebnis tatsächlich verwenderfeindlich, wenn auf diese Weise die Unwirksamkeit der Klausel herbeigeführt werden kann und die Unwirksamkeit für den Vertragspartner des Verwenders günstig ist. Für den Verbandsprozess i.S.d §§ 1, 3 UKlaG ist dies anerkannt; im Hinblick auf den Schutzzweck von § 305c Abs. 2 BGB, das Interesse einheitlicher Auslegungsergebnisse sowie den Schutz des Rechtsverkehrs vor mehrdeutigen Klauseln wird diese Vorgehensweise auch für Individualprozesse befürwortet.[13] Denn würde „nur“ die kundenfreundlichste Auslegung gewählt, durch die die Klausel weiter Bestand hat, statt kassiert zu werden, würde dies auf Seiten der Unternehmen und der Kunden einer betreffenden Branche wohl weniger zur Kenntnis genommen, auch wenn dem Einzelnen im Individualprozess in der Tat meist schon durch individuelle, kundenfreundliche Auslegung ausreichend geholfen wäre.[14] Erweisen sich alle Varianten als wirksam, so ist zwischen allen möglichen (und grundsätzlich zulässigen) Auslegungsmöglichkeiten diejenige zu wählen, die den Kunden am meisten begünstigt.[15]

      Vorliegend bietet die Klausel zwei Interpretationsmöglichkeiten: Einerseits könnte die Klausel so zu verstehen sein, dass dem Patienten eine Zahlungspflicht nur dann auferlegt wird,


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