Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz

Polizeigesetz  für Baden-Württemberg - Reiner Belz


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VBlBW 2004, 20, 24).

      Für die Beurteilung der Geeignetheit ist auf den Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahmen (exante) und auf die dort vorliegenden Tatsachen und Erkenntnisse abzustellen. Eine Maßnahme wird also nicht fehlerhaft, wenn sich ihre Ungeeignetheit später herausstellt.

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      Nicht geeignet sind Maßnahmen, die etwas Unmögliches anordnen. Wird z. B. durch eine Polizeiverfügung etwas tatsächlich Unmögliches aufgegeben, ist diese Verfügung nichtig, § 44 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG.

      Beispiel: Die Anordnung, einen Platz innerhalb von 15 Minuten zu räumen, wenn der Abmarsch sichtbar für längere Zeit blockiert ist.

      Rechtswidrig oder nichtig sind grundsätzlich auch solche Maßnahmen, die etwas rechtlich Unmögliches, also etwas, das gegen öffentliches oder privates Recht verstößt, anordnen.

       Beispiel: Anlässlich einer Fahrzeugkontrolle wird festgestellt, dass der Fahrer betrunken ist. Die an den Beifahrer gerichtete Anordnung, den Fahrer nach Hause zu fahren, ist rechtswidrig, wenn dieser keinen Führerschein hat (vgl. § 1 Abs. 1 StVZO).

      Ergeht in Fällen einer dinglichen oder obligatorischen Mitberechtigung eine polizeiliche Anordnung nur an einen der Mitberechtigten, wird diesem etwas zivilrechtlich Unmögliches aufgegeben, wenn der oder die andere(n) Mitberechtigte(n) mit dem Angeordneten nicht einverstanden ist (sind).

      Beispiel: Die Polizei ordnet die Beseitigung eines morschen Baumes, der auf die Straße zu stürzen droht, gegenüber A an. Eigentümer des Grundstücks sind A und B, die beide nichts unternehmen wollen. Die Verfügung gibt dem A etwas rechtlich Unmögliches auf, da er gegen den Willen des B nicht allein über die Sache verfügen darf (vgl. § 747 Satz 2 BGB).

      Dieser Umstand führt nach h. M. nicht ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme, sondern ist zunächst nur ein Vollstreckungshindernis, das durch den Erlass einer (Duldungs-)verfügung gegenüber dem bzw. den anderen Mitberechtigten ausgeräumt werden kann (VGH BW, VBlBW 1982, 405, 406; 1984, 19; 1991, 27).

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      Wird dem Störer etwas subjektiv Unmögliches aufgegeben (ihm fehlen z. B. die finanziellen Mittel oder die persönlichen Fähigkeiten), so kann dies zur Ungeeignetheit einer gegen ihn gerichteten polizeilichen Verfügung führen, entbindet aber nicht von der Verantwortlichkeit und damit auch nicht von der Kostenpflicht, wenn die Polizei die Gefahr mit eigenen Mitteln beseitigt.

      Beispiel: A hat sein Schrottauto auf der Straße abgestellt. Stellt das Fahrzeug keine akute Gefährdung dar, wäre eine Beseitigungsanordnung ihm gegenüber geeignet, selbst wenn er vorträgt, er könne das Abschleppen nicht bezahlen. Falls er sich nicht finanzielle Mittel besorgen kann, wäre die Anordnung zumindest Grundlage für eine Ersatzvornahme. Ist jedoch von vornherein klar, dass A nicht handeln kann und besteht eine akute Gefahrenlage, wäre eine Verfügung ihm gegenüber zur Gefahrenabwehr ungeeignet. Die Polizei müßte die Maßnahme selbst nach § 8 ausführen, und zwar auf Kosten des A.

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      Kommen mehrere gleich geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Betracht, so muss die Polizei die Maßnahme treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Dieses Gebot, das mildeste Mittel anzuwenden, gilt hinsichtlich der Art und des Inhalts von Maßnahmen.

      Beispiele: Bevor eine Versammlung verboten wird, müssen mildere Mittel ausgeschöpft und Kooperationsgespräche zur Verhinderung der Gefahr gescheitert sein (VGH BW, VBlBW 1993, 343).

      Können Gefahren bei einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit durch die Beifügung einer Auflage abgewehrt werden, wäre das Verbot der Tätigkeit nicht das mildeste Mittel (BVerwG, GewArch 1996, 425). Das Abschleppen eines Kfz zu einer abgelegenen „Sammelstelle“ ist nicht der geringste Eingriff, wenn ein Versetzen des Kfz möglich ist und die Gefahr beseitigt.

      Das Abschleppen eines Kfz ist grundsätzlich auch dann rechtmäßig, wenn der Fahrer seine Visitenkarte und Handy-Nummer sichtbar im Fahrzeug deponiert (BVerwG, NJW 2002, 2122; OVG Hamburg, NJW 2001, 168; VGH BW, VBlBW 2003, 74, 284).

      Eine besondere Rolle hat der Grundsatz des geringsten Eingriffs bei der Ausgestaltung der Vorschriften über die Anwendung unmittelbaren Zwangs (§§ 66 ff.) gefunden (s. u. § 63, RN 24 f.). Der Grundsatz des geringsten Eingriffs gilt ferner bei der Auswahl unter mehreren Störern oder Nichtstörern (s. u. § 6, RN 21 und § 7, RN 14 f.).

      Beispiel: Die Beschlagnahme einer Mietwohnung zur Beseitigung von Obdachlosigkeit kann ein milderes Mittel als die Beschlagnahme von Hotelzimmern sein, wenn durch erstere lediglich die freie Auswahl der Mieter eingeschränkt wird, durch letztere aber weitergehende Folgewirkungen (Imageverlust, Ruin) zu befürchten sind (vgl. OVG Schleswig, NJW 1993, 413).

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      Zum Inhalt des Grundsatzes des geringsten Eingriffs gehört auch, dass dem Betroffenen auf Antrag gestattet wird, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird – Austauschmittel – (VGH BW, VBlBW 1981, 116, 119; GewArch 1994, 489, 493).

      Beispiel: A wird aufgefordert, eine Hecke zurückzuschneiden. Daraufhin schlägt er vor, die Hecke ganz zu beseitigen, was ihm zu gestatten ist.

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      Gefahrenabwehr um jeden Preis ist unzulässig. Im Einzelfall muss zwischen dem beabsichtigten Erfolg (Gefahrenabwehr) und den durch die Maßnahme herbeigeführten Nachteilen – sei es für den Störer selbst, für Dritte oder die Allgemeinheit – abgewogen werden. Rechtswidrig ist eine Maßnahme dann, wenn zwischen beiden ein offenbares Missverhältnis besteht.

       Beispiele: Die Durchführung einer Personenfeststellung bei einer Verkehrskontrolle ist unverhältnismäßig, wenn der Fahrer gerade seine hochschwangere Frau ins Krankenhaus bringen will.

      Ist anlässlich einer Versammlung mit gewalttätigen Gegendemonstrationen zu rechnen, so kann es (ausnahmsweise) angemessen sein, die Versammlung zu verbieten, wenn die verfügbaren Polizeikräfte nicht ausreichen, um die Versammlungsteilnehmer und unbeteiligte Dritte zu schützen (vgl. BayVGH, DVBl. 1979, 737; BVerwG, NVwZ 1999, 991, 993). Ein genereller Leinenzwang für Hunde im gesamten Gemeindegebiet ist unangemessen (OVG Lüneburg, NVwZ 1991, 693; OLG Hamm, NVwZ 2002, 765 f.; vgl. auch OVG Rheinl.-Pfalz, DÖV 2007, 82).

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      Beim Abschleppen von Kfz tritt häufig die Frage auf, ob dieses eine angemessene Reaktion auf den begangenen und fortdauernden Verstoß gegen Vorschriften des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts darstellt. Die Rechtsprechung (VGH BW, VBlBW 1990, 257; 1996, 32, 33; BWVPr. 1995, 233; VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, 28; 1995, 29, 30; OVG Münster, NJW 1990, 2835, 2836) bejaht dies – zutreffenderweise – bereits dann, wenn der Zweck des Abschleppens allein in der Beseitigung des nicht ganz unerheblichen Rechtsverstoßes liegt und eine Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer möglich ist, ohne dass weitere Beeinträchtigungen (z. B. konkrete Behinderung, Vorbildwirkung) hinzukommen müssten.


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