Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz

Polizeigesetz  für Baden-Württemberg - Reiner Belz


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Polizeidienststelle beschränkt ist, sondern auf Antrag bei anderen Behörden oder Dienststellen erteilt werden kann (s. o. RN 10). Das auf Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG fußende Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch polizeiliche Maßnahmen zur Datenverarbeitung (§§ 11 ff., 42 ff.) tangiert (vgl. dazu VGH BW, VBlBW 2004, 20, 23) und s. u. Vorbem. §§ 11-13, RN 2.

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      Die – individuelle und kollektive – Glaubensfreiheit unterliegt verfassungsimmanenten Schranken. Hierzu gehören die allgemeinen Gesetze (str.) und kollidierendes Verfassungsrecht, wobei im Einzelfall zwischen diesen und Art. 4 GG eine Abwägung erfolgen muss. In diesem Rahmen sind auch Einschränkungen durch Maßnahmen aufgrund des Polizeigesetzes zulässig, sofern nicht spezielles Gefahrenabwehrrecht vorrangig zum Zuge kommt. Letzteres ist der Fall beim Einschreiten gegen kirchliches Glockengeläut oder gegen das Schlagen einer Kirchturmuhr (BVerwG, NJW 1984, 989; 1992, 2779; NVwZ 1997, 390), beim Verbot des betäubungslosen Schlachtens (Schächten) von Tieren aus religiösen Gründen (vgl. § 4 a TierSchG – dazu BVerfG, NJW 2002, 663, 1485 BVerwG, DÖV 2006, 522) oder bei Maßnahmen aus bau-, feuer- oder seuchenpolizeilichen Gründen. Die Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 wird als hinreichende Rechtsgrundlage für Warnungen vor sog. Jugendreligionen oder Jugendsekten angesehen (VGH BW, NVwZ 1989, 279 und 878; DÖV 1996, 752).

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      Die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheiten finden ihre Schranken u. a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und dazu gehören auch solche, die der Gefahrenabwehr dienen. Deshalb können z. B. bei einer Ansammlung, wie einem Fußballspiel oder Konzert, größere Transparente verboten werden, wenn hierdurch Gefahren für die öffentliche Sicherheit wahrscheinlich sind. Aus Gründen der Gefahrenabwehr kann u. U. auch das Aufstellen von Informationsständen von einer Sondernutzungserlaubnis (§ 16 StrG) abhängig gemacht werden.

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      Art. 5 Abs. 3 GG schützt die künstlerische Betätigung selbst (Werkbereich) und die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks (Wirkbereich). Die Kunstfreiheit unterliegt verfassungsimmanenten Schranken, wobei eine Begrenzung im Werkbereich strengeren Anforderungen unterworfen ist. Letztlich bedarf es bei einem Konflikt zwischen der Kunstfreiheit und anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern im Einzelfall einer Abwägung der widerstreitenden Verfassungsrechtsgüter (BVerwG, NJW 1999, 304). Gewisse Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts durch ein Kunstwerk erlauben kein Verbot desselben, ebenso wenig der Umstand, dass ein Kunstwerk nicht dem Geschmack der Mehrheit entspricht. Polizeiliches Einschreiten – auch aufgrund der Generalklausel – ist dagegen zulässig, wenn das Eigentum Dritter beeinträchtigt wird (z. B. durch sog. Sprayer), das religiöse Bekenntnis anderer beschimpft wird (§ 166 StGB) oder das Leben von Mensch und Tier tangiert ist. Auch Straßenkunst unterfällt der Kunstfreiheit, für sie kann aber u. U. eine Sondernutzungserlaubnis gefordert werden (BVerwG, NJW 1990, 2011).

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      Art. 6 Abs. 1 GG schützt Ehe und Familie vor Eingriffen des Staates. Dieses Recht unterliegt verfassungsimmanenten Schranken.

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      Art. 6 Abs. 2 und 3 GG regeln das Elternrecht. Dieses ist – im Unterschied zu anderen Grundrechten – ein pflichtbezogenes Recht, das dem Wohl des Kindes zu dienen hat.

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      Eingeschränkt werden diese Grundrechte z. B. durch einen gegen den gewalttätigen Ehepartner ausgesprochenen Wohnungsverweis (s. u. § 30). Voraussetzung ist allerdings das Bestehen einer rechtsgültigen Ehe. Bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften wird der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG nicht berührt.

       a) Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG)

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      Die Menschenwürde verbietet es, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektsqualität prinzipiell in Frage stellt. Dementsprechend gebietet § 34 Abs. 3, dass Personen grundsätzlich nur von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten durchsucht werden, verbietet § 40 Abs. 1 die Anwendung von Zwang zur Herbeiführung einer Aussage bei Vernehmungen und setzt § 1 DVO PolG Mindeststandards bei der Durchführung des Gewahrsams fest. Polizeiliche Maßnahmen, welche die Menschenwürde verletzen, sind zumindest rechtswidrig, wie z. B. die Einweisung von Obdachlosen in eine menschenunwürdige Unterkunft (vgl. VGH BW, VBlBW 1985, 18; 1993, 304; NJW 1993, 1027; DVBl. 1996, 567, 568) oder die Anwendung von Folter, selbst dann, wenn es um den Schutz der Menschenwürde anderer Personen, z. B. einer entführten Person, geht (h. M.). Zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung s. u. Vorbem. §§ 11-16, RN 2. Zur Würde des Menschen als polizeiliches Schutzgut s. o. § 1, RN 19.

      Da nach h. M. (BVerfGE 30, 173, 194; NJW 1994, 783; VGH BW, VBlBW 2006, 186, 187) auch die Würde Verstorbener zu beachten ist, stellt sich die Frage, ob die Ausstellung von Plastinaten verstorbener Menschen Art. 1 Abs. 1 GG tangiert und sie deswegen verboten oder mit Auflagen versehen werden kann (s. o. § 1, RN 19).

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      Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und die speziellen Gleichheitssätze des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG binden die Polizei bei allen Maßnahmen. So darf eine Polizeiverordnung von mehreren gleichartigen Gefährdungen nicht willkürlich nur eine zum Regelungsgegenstand auswählen (VGH BW, NVwZ 1992, 1105, 1107; 1999, 1016 – sog. Kampfhundeverordnungen). Eine besondere Rolle spielt der allgemeine Gleichheitssatz bei Ermessensentscheidungen (s. o. § 3, RN 32).

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      Eingriffe, die sich gegen den Inhalt von Presseerzeugnissen (Bücher, Zeitschriften, Flugblätter, Plakate usw.) richten,


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