Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf

Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias  Gotthelf


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getätschelt hatte, hervor und sagte, he, d‘Ammene mög das gseit ha oder nit, so syg‘s geng brav vo-n-ere, daß sie mir das gä hei für se z‘plätze. Potz Wetter! was gab das für sechs Augen um die Erdäpfelsuppe herum, wie funkelten sie so graulich, grün und gelb! Das ging ihnen ins Lebige hinein.

      Was sie mir sagten, will ich nicht wiederholen; allein von da an war nichts schlechtes auf der Erde, welches die Schulmeisterin nicht ds Ammes nachgeredet hätte, und am Ende setzte sie allemal hinzu, ich werde es wohl ga chläfele, aber das sei ihr gleich, es sei doch wahr und sie wollte es ihnen ins Gesicht hinein sagen, wenn sie da wären.

      Von da an behagte mir das Abendsitzen gar sehr und trug mir manchmal etwas ein. Wie die Alte es machte, daß sie allemal vernahm, wo ich gewesen, weiß ich nicht; aber allemal nahm sie dann die aufs Korn und zerfetzte sie mit der Zunge durch und durch, mit der Ermahnung, daß ich es doch wieder sagen solle. Was doch so eine Frau für einen Kopf haben muß, so alles Lästerliche und Böse, das in zwei, drei Gemeinden sich zugetragen hat, im Kopf behalten und bei jeder Gelegenheit an den Fingern herzählen zu können, ohne daß ein Tüpflein daran fehlt! Was doch so eine Frau für einen Kopf haben muß, daß sie imstande ist, zu dem, was sie weiß und was geschehen ist, noch zehnmal so viel zu ersinnen und aus jeder gesehenen Mucke einen Elefanten zu machen, und das alles so in einander zu kneten, daß keine Seele unterscheiden kann, was wahr, was falsch ist, und sie selbst am allerwenigsten! Ja, das müssen Köpfe sein! Und kurios ist‘s, daß gar viele Mädchen, denen man in der Schule keine besonderen Gaben anmerkte, als Weiber solche Köpfe kriegen.

      Von den erhaltenen Ermahnungen, das Gehörte wieder zu sagen, machte ich nicht selten Gebrauch. Es geschah nicht aus Bosheit; aber wenn mir die Leute sagten, wie die Schulmeisterin mich allenthalben verbrülle, so gehörte wahrlich mehr Verstand dazu, als ich besaß, zu schweigen und nicht zu sagen: »Sie macht es mir nur so, wie Euch; das und das hat sie gerade heute über Euch gesagt.« So gescheut war ich nicht, sondern ich platzte dann los und die Leute konnten dann von mir vernehmen nicht nur alles, was sie selbst betraf, sondern auch was über die anderen gesagt wurde, überhaupt unsere sämtlichen Tischgespräche.

      Ich wurde, ohne daß ich es selbst wußte, eine förmliche Dorfbase, eine harmlose freilich, aber doch eine schädliche. Klappereien ohne Zahl entstunden und giftige Streitigkeiten. Was ich in einem Hause erzählte, wurde in ein anderes getragen, verkehrt, und so von Haus zu Haus und immer verkehrter, und die Worte bald diesem, bald jenem in den Mund gelegt, je nachdem es dem Erzähler komod war. Es verging kein Tag, daß die Schulmeisterin nicht Streit hatte, aber andere Weiber ebenfalls, und die Männer wurden ganz stumm von den Klagen ihrer Weiber, was sie alles leiden müßten, und von den Vorwürfen, die sie hören mußten; wenn neuis mit-ne wär, so wurde si das nit so anäh. Aber auch ich kriegte meine Strafe.

      Nicht nur wurde ich zu Hause täglich ausgeschimpft, und sogar in der Schule selbst vor den Kindern mußte ich von Verläumdern und Streitmachern hören, sondern auch in vielen Häusern wurde ich unwert, und die Männer brummten oft, wenn die Weiber mich in Zug brachten, sie hätten des Damps bald genug und wollten lieber etwas anders hören. Am Ende mußte ich gar noch zum Pfarrer, dem der Schulmeister mich verklagt hatte. Der las mir nun ein Kapitel, daß mir fast gschmuecht wurde, ohne weiter nach meiner Verteidigung zu fragen. Das hätte freilich nicht viel genützt; denn ich war kein Redner im ordinäri Zustand, geschweige dann, wenn ich vor jemand zitterte. Und was hätte ich eigentlich sagen sollen, als des Schulmeisters auch verklagen und daß ich es nicht böse gemeint. Endlich schlich der Winter vorüber. Am Examen wurde mir noch ein tüchtiger Zuspruch zu teil, und nachdem ich meine zehn Kronen mit Mühe erhalten und von der Schulmeisterin wieder ein paar kräftige Segensworte auf den Weg, schüttelte ich den Staub von den Füßen und verließ den Ort, wo ich vieles erlebt, aber nichts erfahren hatte. Denn um Erfahrungen zu machen, bedarf es der Weisheit, und von der hatte ich noch keinen Anfang.

      Zwölftes Kapitel. Wie ich nach Brot und endlich auf die Stör gehe

      Fertig war ich geworden also und eigentlich froh, bei Schulmeisters weg zu kommen; aber es ärgerte mich doch, daß die Leute nicht nötlicher thaten, daß ich fortgehe, daß sie mir nicht dringender anhielten, wiederzukommen im Herbst, ja, daß mir kein Bauer das Anerbieten machte, mich bei ihm zu behalten, bis die Schule wieder angehe. Es hätte mich gar sehr gefreut, den Spröden und Wichtigen spielen zu können. Ich fand, daß die Welt eine gar undankbare sei und besonders die Bauren in diesem Dorfe. So viel glaubte ich an ihnen gethan zu haben, und so kalt ließen sie mich ziehen. Aber, dachte ich mir zum Troste, sie werden es noch erfahren, wen sie an dir gehabt haben; so einen, wie du, bekommen sie keinen mehr; dann werden sie die Finger schlecken nach dir bis an den Ellbogen; aber dann können sie dir blasen oder pfeifen, was sie lieber wollen. Es nahm mich nur wunder nach allem dem Ruhme, den ich erhalten hatte, wie sie es werden machen können ohne mich, und wie es auch gehen werde, wenn ich fort sei. So parlierte ich bei mir selbsten, als ich mein Bündelchen zum Dorfe hinaus trug. Es war nicht größer geworden und die Hemder noch böser, als sie gewesen; aber doch waren sie gewaschen und ein Halstuch und ein Paar Schuhe hatte ich mir angeschafft aus den Trinkgeldern. Ein alter Bauer, dem ich außer dem Dorfe begegnete, meinte, nachdem er mich von oben bis unten scharf angesehen und wahrscheinlich die Neuigkeiten an mir bemerkt hatte, es werde mir doch leid thun, von ihnen weg zu kommen, denn ich hätte mich bei ihnen schon viel brycheret. Es ist wahrhaft lächerlich, wie sie fast allemal, wenn ein Beamteter oder sonst ein bei ihnen Angesessener fortzieht, alle Stücklein zählen, die er mit fort nimmt, sich dann brüsten und sagen: »Dä het ume das und das gha, wo-n-er cho isch, i bsinn mi guet dra, u jetz het er sövel und sövel. Dä het si afe brycheret by-n-is!« Den Alten ließ ich fortziehen, ohne ihm viel zu antworten. Aber ärgern that es mich verdammt, daß er meinte, wie viel ich ihnen zu verdanken hätte.

      Ich trabte meinen Weg fort und vergaß meinen doppelten Ärger über dem Geklimper der zehn Kronen im Hosensack. So viel Geld beisammen hatte ich wohl schon von weitem gesehen, aber noch nie ganz nahe, geschweige denn im Hosensack gehabt. So viel im Sack, so wenig im Bündel am Rücken, so Schlechtes am Leibe: man denke, was einer da denkt, Eine ganz neue Bchleidig schwebte mir gar lockend vor Augen; nur wußte ich noch nicht recht, ob von Rübelituch, von Halblein oder von Guttuch; es gefiel mir alles wohl, besonders das Rübelituch, und besonders, wenn man dann noch ein rotes Gilet dazu hat; das sah ich an manchem Metzger und an andern berühmten Leuten. Aber Guttuch war für einen Schulmeister doch anständiger und Halblein das beste und komodeste; es süferet sich immer von selbst. Doch das ließ ich für einstweilen in hangenden Rechten und nahm mir den Kauf von einem Dutzend Hemder vor und von zwei Paar Strümpfen, leinene oder wenigstens halbleinene. Ohne Strümpfe auch am Sonntag zu sein, schien mir nicht mehr anständig für mich, und ich fürchtete, die wollenen, die ich den ganzen Winter durch ununterbrochen getragen hatte, möchten im Sommer mich anfangen zu beißen. O, wie freute ich mich über diese Herrlichkeiten alle und über die Möglichkeit, künftig die Hemder immer den rechten Weg tragen zu können. Ich war ein Weberbueb und ein Schulmeister; aber meine zehn Kronen mit meinen Projekten vergleichen und überschlagen, was ein jedes koste und wie viel alles zusammen — das vermochte ich nicht. Ich wußte nicht, was die Elle irgend eines Tuches koste, so viele ich auch gewoben hatte, und wußte noch viel weniger, wie viel Ellen irgend ein Stück brauche. Das wird mancher Landesvater, der alles kennt, nur das Land nicht, in dem er wohnt, nicht glauben, daß dieses möglich gewesen sei.

      So wanderte ich sinnend und wohlgemut wieder dem alten Schulmeister zu, damit er mir zu etwas verhelfe oder rate, was ich vorzunehmen hätte. Ich selbst hatte gar nicht darüber nachgedacht, sondern es als ausgemacht betrachtet, daß ich mich nicht darum zu bekümmern habe, sondern daß das des Alten Sache sei.

      Dieser saß gerade auf seinem Zügstuhl im Schopf und plätzete einen alten Züber, als ich zu ihm kam. Er freute sich, mich zu sehen, fragte allerlei und endlich auch, ich werde abgenommen haben dert äne und wieder zu meinen Alten wollen, daß ich die Kleider bei mir habe. Wie aber der Alte erschrak, als er hörte, daß ich daran nur nicht von ferne gedacht und um kein Geld in der Welt mehr zu ihnen dürfe, nachdem sie mich auf diese Weise bhüetet hätten, sondern daß ich akurat zu ihm käme, damit er mir an einem andern Ort z‘weg helfe, und unterdessen bei ihm zu bleiben! Daraus könne per forscht nichts werden, sagte er. Er hätte sich schon manchmal vorgenommen, sich um niemand zu bekümmern,


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