Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt

Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt


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Jolle soll bewacht werden, als ob es meine eigene wäre!« sagte Jakob Maifisch. »Geh du getrost deines Weges und laß die kleine Mamsell ins Bett bringen. Sie zittert vor Frost an allen Gliedern.«

      »Noch ein paar Minuten, Lene! Ein Hurra für ein warmes Bett! Hier können wir aussteigen. Da ist die Fangleine, Jakob Maifisch. Nimm meine Jolle ins Schlepptau.«

      Jan Blaufink schwang sich aus der Jolle, trug die Lene vor sich her auf den Armen und sprach tröstende Worte zu ihr.

      Eine halbe Stunde später lag sie in dem Bette der Frau Rosmarin und war sanft eingeschlafen. Die Mutter legte ihre Hand auf den Kopf des Sohnes und sagte:

      »Gott segne dich für diese Tat, mein teures Kind. Du hast auf das Haupt des Mannes, der dir übel wollte, feurige Kohlen gesammelt.«

      »Wenn sie ihm nur nicht zu sehr brennen,« entgegnete Jan Blaufink. »Aber nun will ich machen, daß ich wieder zu Hans Kramer an Bord komme. Gott Gnade bei der ersten Wetterbö, die auf mich herabhagelt, wenn ich das Deck betrete. Aber das tut nichts. Wenn ich auf der Stelle hätte sterben müssen, ich wäre doch gegangen. Schwer lag es auf meiner Brust; es drückte mir fast das Herz ab. Aber nun atme ich leicht und frei. Behüte dich Gott, liebe Mutter. Gib der Lene einen tüchtigen Schluck Warmbier zu trinken und einen Kringel zum Zubeißen gib ihr auch.«

      »Sei ohne Sorgen, mein Kind. Ich werde nichts vergessen. Du siehst ja, die gute Jungfer Mewes steht schon am Herd.«

      »Hat Sie etwas Warmes, Jungfer Mewes?« fragte Jan Blaufink, zu dieser eilend. »Dann tue Sie ein gutes Werk und gebe Sie mir einen Schluck ab. Habe es allenfalls auch nötig.«

      Jungfer Mewes, die bei so früher Tageszeit zwischen Wachen und Träumen sich befand, indem sich Regen und Sonnenschein noch um die Herrschaft stritten, schob ihm ein Töpfchen hin, dessen geringer Inhalt auch dem Bescheidensten kaum genügt hätte, und schürte murrend die Torfkohlen an. Jan trank den Topf bis auf die Nagelprobe aus und sagte zur Mutter:

      »Wenn wir uns hernach wiedersehen, kannst du mir sagen, ob das Warmbier gut geschmeckt hat. Und nun, Ade. Wenn die Lene erwacht ist und sich gestärkt hat, bringe sie zu den Eltern. Vielleicht sind sie von ihrer Fahrt nach Wandsbeck, wovon die Lene erzählt, zurück und grämen sich, wenn sie das leere Nest finden. Kann auch selbst einmal nach dem Rechten sehen. Hans Kramer seine Bö hagelt früh genug auf mich herab. Jungfer Mewes, gebe Sie acht! Das Warmbier kocht über.«

      Lachend sprang er die Treppe hinunter.

      Das Wasser war im Ablaufen begriffen. Die Straßen wurden frei. Die Rinnsteine glichen angeschwollenen Gießbächen und die Ebbe setzte mit Macht aus. Weithin hörte man das Brausen des seewärts sausenden Stromes.

      In den Kellern und Erdgeschossen war ein reges, aber trostloses Leben. Die flüchtigen Bewohner derselben verließen die Freistatt, welche sie aufsuchten, und kehrten in ihre Behausungen zurück. In Eimern und Wannen trugen sie das auf dem Fußboden hin- und herspülende Wasser hinaus und richteten die umgeworfenen Möbel auf. Hier und da glimmte bereits ein Feuer auf dem Herd und warf ein mattes Licht auf das umgebende Chaos. Mitten auf dem hohen Damm lag ein gekentertes Boot, das dort in der Nacht festgeraten war. Es hatte sich noch niemand gefunden, der es flottete.

      »Wenn ich dem Hans Kramer seine Jolle in demselben Zustande finde,« sagte Jan Blaufink, indem er weiter rannte, »ist die längste Zeit gutes Wetter gewesen.«

      »Nein, mein Junge,« entgegnete Jakob Maifisch, der ihn hatte kommen sehen, »so findest du die Jolle nicht. Ich habe sie an Bord gebracht und dem Schiffer, der ein Dutzend Blixums nach dem anderen herunterfluchte, erzählt, was für eine Art von Ladung seine Jolle getragen hat. Da legte der Sturm bei und auf seinem breiten Gesicht war Sonnenschein. »Der Donnersjunge,« sagte er, »soll sich zu Hause aufs Ohr legen und ausschlafen, damit er frisch ist, wenn er nachmittags an Bord kommt.«

      »Auf das Schlafen bin ich gerade nicht versteuert,« sagte Jan. »Aber sehen möchte ich, wie es in dem Brammerschen Laden aussieht, aus welchem ich die Lene heute nacht geholt habe.«

      »Das kannst du von ihm selbst hören,« sagte der Jollenführer, »denn eben ist er in dem Kutschkasten hier vorüber gerumpelt.«

      »Dann will ich sogleich hin und ihm sagen, wo sein Kind geblieben ist,« rief Jan und eilte dem Brammerschen Hause zu.

      Dort war alles in Aufruhr. Die Magd und der Lehrjunge kehrten mit dem anbrechenden Tage nach Hause zurück. Sie erhoben ein lautes Wehklagen und wären gerne sogleich wieder fortgelaufen, um nie wiederzukehren; allein der eine bewachte die andere. Sie hielten sich gegenseitig fest, um jemand zu haben, auf den sie den größten Teil der Schuld schieben könnten. In diesem Gedanken waren sie furchtbar eins, wenn sie auch sonst als erbitterte Gegner auf dem Kampfplatz erschienen. Die Nachbarn wurden angerufen und befragt. Keiner hatte etwas von der armen Lene gesehen.

      »Lene! Lene!« rief die Mutter in aller Angst, die Magd, welche sich in die Knie warf, vom Boden aufreißend. »Wo ist Lene?«

      »Weg!« antwortete die Magd. Sie konnte kein anderes Wort hervorbringen.

      »Weg!« schrie die Mutter laut auf. Aber das Wort erstarb ihr im Munde; es schien, als sei sie zur Bildsäule erstarrt.

      Elias Brammer ward nicht so schnell durch die Macht der Umstände geworfen. Er hielt den Ladenjungen am Schopf und erpreßte von ihm das Geständnis. Heulend bekannte er, daß sowohl er als die Magd das Haus verließen, in der Absicht, möglichst bald wieder zu kommen, woran sie durch das schnell hereinbrechende Unwetter verhindert wurden, und nun nicht wüßten, was während der Nachtstunden sich ereignet habe.

      »Aber ich weiß es und will es Euch sagen!« erklang die helle Stimme Jan Blaufinks in das Wirrsal hinein. »Ich war hier, Herr Brammer, und Hans Kramer seine Jolle auch.«

      Frau Brammer hatte nicht sobald die Stimme des jungen Matrosen gehört, als ihr Angesicht sich rötete und sie ihm zurief:

      »Du weißt, wo mein Kind ist?«

      »Gewiß weiß ich es. Bei meiner Mutter ist sie und schläft. Sie hat es nötig, das arme Ding.«

      »Bringe mich zu ihr! Schnell! Schnell!«

      »Der Weg ist weit und die Treppen sind hoch, Frau Brammer. Meine Mutter bringt die Lene, sobald sie aufgewacht ist. Habe Sie keine Furcht. Ihr Kind ist gesund und munter. Kein Finger tut ihr weh.«

      »Du guter Junge. Und du warst hier zur Nacht und hast sie gerettet?«

      »Freilich. Da oben vom Sims habe ich sie heruntergeholt. Wie sie da hinaufgekommen ist, weiß ich freilich nicht.«

      »Sie wird es uns sagen!« sprach die Mutter. »Aber ich sollte nicht hier stehen bleiben. Laß mich gehen, mein lieber Junge!«

      »Tue Sie es nicht, Frau Brammer. Es ist besser für die Lene, wenn sie noch ein wenig schläft.«

      »Ich weiß selbst nicht, was ich sage und tue! Brammer, hast du nicht gehört, was dieser junge Mann für uns tut?«

      »Ich habe es wohl gehört,« sprach dieser, in sichtlicher Verlegenheit, wie er dem Jan Blaufink, den er schwer gekränkt hatte, gegenübertreten sollte. Das Wort wollte sich nicht von der Zunge lösen und die Hand zögerte, sich nach dem Wohltäter auszustrecken. Jan bemerkte es und sagte:

      »Lasse Er es gut sein, Herr Brammer. Ich weiß, was Er mir jetzt gern sagen möchte und begreife, daß Er es nicht von sich geben kann. Wir wollen annehmen, als ob alles schon gesagt wäre, und ich antworte darauf, es ist gern geschehen. Ich muß jetzt an Bord und vielleicht gehen wir noch heute in See. Wenn meine Mutter mit der Lene kommt, sei Er nicht so mürrisch, wie sonst mit der armen Frau. Das ist alles, was ich verlange.«

      »Sie soll mir wie eine Schwester sein!« sagte Frau Brammer aus der Fülle ihres Herzens.

      Jan ging zur Tür hinaus, kehrte aber alsbald um, indem er ausrief:

      »Da kommen sie schon!«

      Die Mutter lief dem Kinde entgegen, das sie


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