Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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      Eline. Still! Nichts mehr davon! Meine Liebe ist ja kein Entgelt für das, was Du mir schenkst. O nein, ich liebe Dich, weil jeder Deiner Blicke ein Königsgebot ist, das mir so gebietet. – Sie legt sich zu seinen Füßen. – O laß mich dieses Königsgebot noch einmal tief in meine Seele prägen, weiß ich gleich, daß es für Zeit und Ewigkeit hier eingegraben steht! – – Du guter Gott, – wie bin ich blind gewesen gegen mich selbst! Noch heut abend sagte ich zu meiner Mutter: »Soll ich leben, dann muß ich meinen Stolz mir bewahren.« Was ist denn mein Stolz? Meine Landsleute frei, mein Haus geehrt zu wissen über die Lande und Reiche hin? O nein, nein! Meine Liebe ist mein Stolz. Das Hündlein ist stolz, wenn es zu seines Herrn Füßen liegen und Brosamen von seiner Hand haschen darf. So bin auch ich stolz, solange ich zu Deinen Füßen sitzen darf, während Deine Worte und Deine Blicke mich mit dem Brot des Lebens nähren. Sieh, deshalb sag' ich zu Dir, wie ich vorhin sagte zu meiner Mutter: »Soll ich leben, so muß ich mir meine Liebe bewahren«; denn darin liegt mein Stolz, jetzt und für alle Zeit.

      Nils Lykke zieht sie auf seinen Schoß. Nein, nein, – nicht zu meinen Füßen, an meiner Seite ist Dein Platz, – und da soll er bleiben, wie hoch das Schicksal mich auch stellen mag. Ja, Eline, – Du hast mich auf einen bessern Weg gebracht; und ist es mir einst gegönnt, durch eine große Tat zu sühnen, was ich in meiner wilden Jugend verbrochen habe, so gebühren Ruhm und Ehre Dir!

      Eline. O, Du sprichst, als wär' ich noch jene Eline, die gestern Abend den Blumenstrauß Dir vor die Füße schleuderte. – In meinen Büchern habe ich von dem bunten Leben in fernen Landen gelesen. Unter Hörnerklang zieht der Ritter, den Falken auf der Hand, hinaus in den grünen Wald. So ziehst auch Du durchs Leben; – Dein Name klingt Dir voran, wohin Du ziehst. – Alles, was ich von dieser Herrlichkeit begehre, ist, der Falke an Deinem Arm zu sein. Wie er war auch ich blind für Licht und Leben, bis Du die Binde von meinen Augen nahmst und mich emporfliegen ließest, hoch über die grünen Wipfel hin. Aber glaube mir, – wie keck ich auch meine Schwingen dehne, ich kehre doch stets wieder zurück zu meinem Käfig.

      Nils Lykke steht auf. So biet' auch ich der Vergangenheit Trotz! Sieh her; – nimm diesen Ring und sei mein vor Gott und den Menschen, – mein – ob auch die Toten unruhige Träume darüber haben sollten.

      Eline. Du machst mir angst. Was ist –?

      Nils Lykke. Es ist nichts. Komm, laß mich den Ring an Deinen Finger stecken – So! – Nun hab' ich Dich mir anverlobt.

      Eline. Ich Nils Lykkes Braut! Mir scheint's ein Traum, alles, was in dieser Nacht geschehen ist. Doch welch ein schöner Traum! Mir ist so leicht ums Herz; nicht Bitterkeit noch Haß sind mehr in meinem Sinn. Ich will all mein Unrecht wieder gut machen. Ich bin lieblos gegen meine Mutter gewesen. Morgen gehe ich zu ihr – sie muß mir verzeihn, was ich gefehlt habe.

      Nils Lykke. Und unserm Bunde ihre Zustimmung geben.

      Eline. Das wird sie. O, ich glaube es gewiß. Meine Mutter ist gut. Alle Menschen sind gut. Ich hege gegen keinen mehr Groll – nur gegen einen.

      Nils Lykke. Nur gegen einen?

      Eline. Ach, das ist eine traurige Geschichte. Ich hatte eine Schwester –

      Nils Lykke. Lucia?

      Eline. Hast Du Lucia gekannt?

      Nils Lykke. Nein, nein, nur ihren Namen hab' ich gehört.

      Eline. Auch sie gab ihr Herz einem Ritter. Er betrog sie – nun ist sie im Himmel.

      Nils Lykke. Und Du – ?

      Eline. Ich hasse ihn.

      Nils Lykke. Hass' ihn nicht! Kennst Du Barmherzigkeit, so vergib ihm, was er gesündigt hat. Glaub' mir, er trägt die Strafe in seiner eigenen Brust.

      Eline. Ihm vergeb' ich niemals! Ich kann nicht, wenn ich auch wollte. Zu heilig ist der Eid, den ich geschworen habe – – Sie lauscht. Still! Kannst Du hören?

      Nils Lykke. Was? Wo?

      Eline. Draußen, weit weg. Viele Männer reiten auf der Landstraße.

      Nils Lykke. Ha, das sind sie! Und ich, ich vergaß –! Sie kommen herüber. Dann ist Gefahr im Verzuge. Ich muß fort!

      Eline. Aber wohin? O Nils Lykke, was verhehlst Du –?

      Nils Lykke. Morgen, Eline –. Denn, bei Gott! – dann komme ich wieder. Schnell, nur schnell – wo ist der geheime Weg, von dem Du gesprochen hast?

      Eline. Durch die Totengruft. – Sieh, – hier ist die Falltür –

      Nils Lykke. Die Totengruft! Für sich. Gleichviel! Gerettet muß er werden.

      Eline am Fenster. Die Reiter sind gleich vor dem Tor –

      Sie reicht ihm die Laterne.

      Nils Lykke. Nun wohlan! Er beginnt hinabzusteigen.

      Eline. Geh die Gruft entlang bis zu dem Sarge mit dem Totenkopf und dem schwarzen Kreuz. Das ist Lucias –

      Nils Lykke steigt rasch wieder herauf und schlägt die Falltür zu. Lucias? Pfui –!

      Eline. Was sagst Du?

      Nils Lykke. O nichts. Der Leichengeruch hat mich schwindlig gemacht.

      Eline. Horch! Jetzt klopfen sie ans Tor.

      Nils Lykke läßt die Laterne fallen. Ah, es ist zu spät –!

      Björn kommt eilig mit einem Licht in der Hand von rechts.

      Eline ihm entgegen. Was gibt's, Björn? Was gibt's?

      Björn. Ein Überfall! Graf Sture –

      Eline. Graf Sture? Was ist mit ihm?

      Nils Lykke. Haben sie ihn erschlagen?

      Björn zu Eline. Wo ist Eure Mutter?

      Zwei Knechte von rechts hereinstürzend. Frau Inger! Frau Inger!

      Inger kommt mit einem Armleuchter in der Hand aus der zweiten Tür links und sagt schnell: Ich weiß alles. Hinunter in den Burghof mit Euch! Haltet das Tor offen für unsre Freunde, aber verschlossen für jeden andern!

      Sie stellt den Leuchter auf den Tisch links. Björn und die zwei Knechte ab nach rechts.

      Inger zu Nils Lykke. Das also war die Schlinge, Herr Reichsrat?

      Nils Lykke. Inger Gyldenlöve, glaubt mir –!

      Inger. Ein Hinterhalt, – um ihn abzufangen, sobald Ihr jene Zusage hattet, die mich vernichten kann.

      Nils Lykke, indem er das Papier hervorzieht und in Stücke reißt. Da ist Eure Zusage. Ich behalte nichts, das gegen Euch zeugen könnte.

      Inger. Was tut Ihr?

      Nils Lykke. Ich beschirme Euch von dieser Stunde an. Habe ich mich an Euch versündigt, – nun, beim Himmel, so will ich versuchen, mein Vergehen wieder gut zu machen. Aber hinaus muß ich, und wenn ich mich durchs Tor hindurch hauen müßte! – Eline, – sag' Deiner Mutter alles! Und Ihr, Frau Inger, laßt unsre Abrechnung vergessen sein. Seid hochherzig und – verschwiegen! Glaubt mir, Ihr werdet mir Dank wissen, noch ehe der Tag graut.

      Er geht eilig durch die zweite Tür rechts ab.

      Inger sieht ihm triumphierend nach. Recht so! Ich verstehe ihn! Sie wendet sich zu Eline. Nils Lykke –? Nun – ?

      Eline. Er hat an meine Tür gepocht und diesen Ring an meinen Finger gesteckt.

      Inger. Und hat Dich lieb von Herzen?

      Eline. Das hat er gesagt, und ich glaube ihm.

      Inger. Klug gehandelt, Eline! Haha! Mein Herr Ritter, nun fang' ich an!

      Eline. Mutter, – Ihr seid so sonderbar. O ja, ich verstehe wohl, – meine lieblosen Worte haben Euch erzürnt.

      Inger. Gewiß nicht, liebe Eline! Du bist eine gehorsame Tochter. Du hast ihn hineingelassen;


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