Der Bergpfarrer Staffel 8 – Heimatroman. Toni Waidacher
»Ich muß nach dem Traktor schauen«, erwiderte Florian. »Der Motor stottert ab und an. Ich hoff’, daß es nix Schwerwiegendes ist. Er ist ja net mehr der Jüngste, aber bis jetzt hat er ja immer noch seinen Dienst getan.«
»Ich hab’ ein bissel geräumt«, erzählte die Bäuerin. »Da sind so schrecklich viele alte Sachen. Ich hab’ mir gedacht, man könnt’ sie entsorgen.«
Florian Brandtner nickte.
»Dann lad’ ich später alles auf den Hänger und fahr’ zur Deponie.«
»Gibt’s denn hier eine?«
»In St. Johann net«, schüttelte er den Kopf. »Ich muß erst in die Stadt fahren. Aber dann sind wir das Zeug los.«
Er schmunzelte.
»Neue Besen kehren gut, sagte man. Ihr Großvater wollt’ den Krempel eigentlich schon lange entsorgen. Aber irgendwie ist’s nie dazu gekommen.
Und was haben S’ sich für den Nachmittag vorgenommen?«
»Ich weiß gar net«, zuckte Angela mit den Schultern.
»Warum fahren S’ net ins Dorf und schauen sich dort ein bissel um? St. Johann ist sehr schön.«
Die junge Frau nickte. Ein wenig hatte sie ja schon gestern, bei ihrer Ankunft, gesehen.
»Das ist eine gute Idee«, sagte Angela und stand auf, um den Tisch abzuräumen. »Aber wann erwarten wir denn die Frau Doktor?«
Gewohnheitsmäßig sprang Florian ebenfalls auf und griff nach dem Teller. Für einen winzigen Moment berührten sich ihre Hände, und ein heißer Blutstrom schoß zu seinem Herzen.
»Ich mach’ das schon«, bemerkte Angela.
Auch sie spürte immer noch die Stelle, an der sie sich berührt hatten.
»Net vor fünf Uhr«, beantwortete er ihre Frage und nickte knapp.
Dann ging er hinaus, während die Bäuerin sich wieder auf ihren Stuhl sinken ließ. Ihr wurde bewußt, daß sie den ganzen Morgen über an Florian gedacht und ihn eigentlich vermißt hatte.
Konnte es sein, daß sie sich in ihn verliebt hatte?
Plötzlich klopfte ihr Herz schneller. Unwillig schüttelte sie den Kopf.
Nein, das konnte nicht sein. Sie kannte ihn ja überhaupt nicht. Allenfalls war er ihr sympathisch!
Obwohl – fesch schaute er aus, mußte sie zugeben.
Ob er wohl eine Freundin hatte?
Eigentlich weiß ich gar nichts von ihm, überlegte sie. Bestimmt gab es da eine, die sein Herz erobert hatte. Also sollte sie dieser kleinen Berührung und den daraus resultierenden Gefühlen keine Bedeutung beimessen.
Außerdem hatte sie andere Dinge im Kopf, als sich zu verlieben!
Nach dem Abwasch zog Angela sich um und fuhr nach St. Johann hinunter. Sie stellte den Wagen am Marktplatz ab und spazierte durch das Dorf. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, sich vorzustellen, daß ihre Mutter hier früher gegangen war.
An der Schule blieb sie stehen und überlegte, hinter welchem der Fenster Katharina Ahringer wohl über ihren Büchern und Heften gesessen haben mochte.
Dann ging sie weiter zu dem kleinen Einkaufszentrum, dem einzigen wirklichen Neubau, der errichtet worden war. Eine Bankfiliale gehörte dazu, und gleich neben dem Supermarkt war ein kleiner Andenkenladen.
»Grüß Sie, Angela«, hörte sie eine Stimme neben sich. »Haben S’ sich schon ein bissel eingelebt?«
Es war Max Trenker, der sie von der anderen Straßenseite aus gesehen hatte und herübergekommen war.
»Hallo«, lächelte sie und schüttelte seine Hand. »Ein bissel, ja. Aber natürlich ist immer noch alles neu für mich.«
»Das wird schon«, meinte der Polizist. »Mit der Zeit werden S’ sich bei uns zuhaus’ fühlen.«
Er deutete auf einen Mann und eine Frau, die gegenüber auf der Straße standen und sich unterhielten.
»Vor denen sollten S’ sich allerdings in acht nehmen«, warnte Max.
Neugierig sah Angela Hofmeister hinüber.
»Wer sind denn die beiden?« fragte sie.
»Die Frau ist die allseits gefürchtete Klatschtante von St. Johann, Maria Erbling«, erklärte er. »Wenn S’ irgendeine Neuigkeit unter die Leut’ bringen wollen, dann müssen S’ der Maria das nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen und können sicher sein, daß es sich wie ein Lauffeuer verbreitet.
Und der Kerl da, neben ihr, ist der Brandhuber-Loisl, ein selbsternannter Wunderheiler und Scharlatan, der den Leuten mit seinen angeblichen Wundermitteln das Geld aus den Taschen zieht. Hüten S’ sich bloß, etwas von dem zu kaufen. Da können S’ das Geld auch gleich in den Kamin stecken.«
Die beiden, die zum Bild von St. Johann gehörten, wie die Kirche, schauten auffällig zu ihnen herüber. Angela konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die zwei über sie sprachen.
»Da könnten S’ durchaus recht haben«, meinte Max. »Es hat sich ohnehin schon herumgesprochen, daß auf dem Ahringerhof wieder eine Bäuerin ist. Und jetzt zerreißen die Leut’ sich’s Maul, ob der Florian wohl in seinem eigenen Bett schläft…«
Angela Hofmeister schluckte.
»Aber…, aber der wohnt doch im Gesindehaus«, sagte sie. »Was reden die Leut’ denn da bloß?«
»Geben S’ nix drauf«, erwiderte der Bruder des Bergpfarrers. »Wenn sie nix wissen, dann ergehen s’ sich halt in Spekulationen. Und wenn so eine hübsche junge Frau und ein fescher Bursche, wie der Florian nun mal einer ist, unter einem Dach leben, kocht die Gerüchteküche eben über.«
»Aber es stimmt doch«, protestierte die Bäuerin. »Ich wohn’ ganz allein in dem Haus.«
»Schon, aber das wissen die Leut’ net. Bisher hat der Florian ja auch im Bauernhaus gewohnt.«
Max machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Wissen S’ was, Angela, am besten nehmen S’ ihnen den Wind aus den Segeln, wenn S’ am Samstag zum Tanz in den Löwen kommen. Da lernen die anderen Bewohner Sie kennen und können sich ein richtiges Urteil bilden.«
Er zog eine Grimasse.
»Es ist nun mal so, daß hier viele recht konservativ eingestellt sind«, versuchte er zu erklären. »Und wenn jemand hier neu auftaucht, dann ist für ihn der Anfang net immer leicht. Aber ich bin sicher, daß Sie es schaffen werden, und wenn’s gar zu arg wird, dann wissen S’, daß Sie meinen Bruder und mich immer um Hilfe bitten können.«
Angela lächelte.
»Ich danke Ihnen, Max«, nickte sie. »Und grüßen S’ Ihren Bruder. Ich komm’ in den nächsten Tagen vorbei und besuch’ die Kirche.«
»Darüber wird er sich bestimmt freuen«, erwiderte er und winkte ihr zum Abschied nach.
Was sie da eben gehört hatte, erschütterte Angela Hofmeister schon ein wenig. Sie hatte nicht geahnt, daß die Leute sich so stark in das Privatleben anderer einmischten, und sie merkte, daß sie sich als Neue ganz besonders vorsehen mußte.
*
Florian fuhr über die kurvige Straße zum Hof zurück. Die Fahrt zur Deponie in der Kreisstadt hatte problemlos geklappt, der Traktor lief, als sei nie etwas gewesen. Bei der Durchsicht des Motors hatte der Knecht keinen Fehler feststellen können.
Auf der schmalen Straße kam ihm ein anderer Traktor entgegen. Tobias Bruchthaler saß darauf, der Knecht vom Nachbarhof. Die beiden Männer hielten an.
»Grüß dich, Flori«, rief Tobias hinüber. »Wie geht’s denn so, mit der neuen Herrin?«
Der