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»Du bist echt pervers.«
»Das bin ich nicht«, antwortete er und kicherte wieder, was mich daran erinnerte, dass er auf vielerlei Art und Weise noch ein Kind war.
»Okay, genug herumspioniert. Wie ist es denn derzeit um deine Hacker-Fähigkeiten bestellt?«
Ronald schnaubte verächtlich. »So gut wie eh und je. Wieso?«
»Ich muss wissen, ob die Spieths bei einer dieser Banken ein Konto haben.« Ich gab ihm daraufhin die Namen der Banken durch, die ich mir gestern notiert hatte. Ronald schwieg. Ohne das Klappern der Tasten im Hintergrund hätte man denken können, er hätte bereits aufgelegt.
»Aha«, sagte er ein- oder zweimal, und hin und wieder schob er auch ein »Ah ja«, dazwischen, aber das war alles, woraus unser Gespräch für die nächsten fünfzehn Minuten bestand.
»Okay, ich bin fündig geworden.«
»Lass hören«, sagte ich und trank meinen Kaffee zu Ende.
»So wie es aussieht, haben sie in jeder der fünf Banken Konten eröffnet. Im Moment komme ich allerdings nur an die Kontonummern heran. Ich kann dir nicht sagen, wie viel auf welchem Konto liegt, zumindest noch nicht.«
»Wieso nicht?«, tadelte ich ihn.
»Weil jedes einzelne Konto passwortgeschützt ist. Ich kann dir jedes knacken, aber das dauert eben seine Zeit.«
»Nein, das ist nicht nötig. Die Kontonummern genügen mir erst mal.«
»Okay«, sagte er. »Dann geh mal auf Duck-Duck.« Duck-Duck war unser Codewort für eine Website im Darknet, die Ronald betreute. Keine Ahnung, weshalb wir das über eine Website im Darknet abwickeln mussten, anstatt über eine, die mein Anbieter mir bereitstellte, aber Ronald hatte bestimmt seine Gründe dafür, also spielte ich das Spiel eben mit, und sich in Bankkonten zu hacken war schließlich immer noch ein Verbrechen. Ich druckte mir die Informationen aus und benutzte dann die Shred-Funktion, um meine digitalen Spuren zu verwischen. Ronald tat bei sich gerade garantiert das Gleiche.
»Worum geht es da eigentlich?«, fragte mich Ronald.
»Es hat den Anschein, als würden sie Gelder verstecken, aber ich vermute, dass noch mehr dahintersteckt.«
»Und deshalb die ganzen Konten? Zweigen die was ab?«
»Ich glaube schon, aber wir sollten noch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich muss mir das alles erst noch genauer ansehen.«
»Okay, cool.«
Ich wechselte nun das Thema. »Wie sieht es bei dir mit dem Essen aus?«, fragte ich.
»Oh, ganz okay.«
»Und mit den Medikamenten?« Mein Freund litt nämlich an gelegentlichen Panikattacken. Der Doktor hatte ihm deshalb etwas verschrieben. Ich versuchte immer noch, ihm diverse Selbsthilfegruppen schmackhaft zu machen, aber damit wollte er nichts zu tun haben.
»Die Valium gehen mir langsam aus«, antwortete er.
»Okay, dann lasse dir neue verschreiben und gib mir Bescheid, wenn sie da sind. Ich bringe sie dir dann vorbei.«
»Danke, Thomas.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, widmete ich mich den Bankauszügen, mit denen Sherman mich versorgt hatte. Diese dokumentierten den angeblichen Geldfluss der Firma: eingehende Zahlungen, ausgehende Zahlungen. Ich begann, indem ich Zeile für Zeile die Zahlungen verglich. Der Großteil des Geldes ließ sich leicht nachverfolgen. Benzinkosten, Wartungskosten und andere Mehraufwände waren absolut in Ordnung. Aber vor drei Jahren etwa fingen die ungewöhnlichen Kontobewegungen an. Interessanterweise zu dem gleichen Zeitpunkt, als die Firma ihre lokalen Konten aufgelöst hatte und zu einer obskuren Bank in Detroit gewechselt war.
»Wieso zum Henker haben sie das gemacht?«, fragte ich mich laut. Ich suchte die Bank im Internet, doch die Domain war nicht mehr vergeben. Aber ich fand eine Telefonnummer auf der Better-Business-Bureau-Website. Neugierig rief ich dort an, allerdings nicht, ohne vorher die spezielle App zu aktivieren, die Ronald mir installiert hatte und mit deren Hilfe ich es so drehen konnte, dass auf der anderen Seite die Telefonnummer von Robards angezeigt wurde.
Nachdem es unzählige Male geklingelt hatte, meldete sich schließlich ein schroff klingender Mann. »Bank.«
Tja, dachte ich, so meldet sich aber ganz sicher kein professioneller Bankangestellter am Telefon. »Äh, ja, ich müsste mit Tony sprechen.«
»Tony ist nicht hier. Wer spricht da?«
»Ski, unten bei Robards«, erwiderte ich und gab mir redliche Mühe, wie ein vierschrötiger Trucker zu klingen.
»Ski?«
»Ja.«
»Ich habe noch nie von Ihnen gehört.«
»Ist auch besser für dich, Kumpel. Sag Tony, dass ich wieder anrufen werde.« Ich legte auf und musste lachen. Bei diesen Gangstern aus dem Norden gibt es nämlich immer einen Tony oder einen Sal.
Ich notierte mir alles, und kaum, dass ich damit fertig war, hörte ich das unverkennbare kehlige Dröhnen von Motorrad-Auspuffen. Die Dreizimmer-Blockhütte, mein bescheidenes Domizil, lag ein gutes Stück abseits der Straße, und vor meiner Einfahrt hing deutlich sichtbar ein Schild, welches einen darüber informierte, dass Unbefugten der Zutritt verboten war.
Demnach fuhren also nicht einfach nur ein paar Motorräder zufällig auf der Straße vorbei. Ich bekam offenbar Besuch. Schnell überprüfte ich sicherheitshalber noch einmal meine Pistole, bevor ich sie mir in den Hosenbund steckte. Ich schnappte mir mein iPhone und rief die App meiner Sicherheitskamera auf. Zwei Motorräder kamen in dieser Sekunde die Einfahrt heraufgefahren. Ich ging hinaus, blieb auf der Veranda stehen und wartete. Es waren Duke und dieses Wiesel.
Sie hielten ihre Motorräder vor dem Fußweg an, der zu meinem Haus hinaufführte. Duke setzte lässig seinen Helm ab, der so aussah, als hätte er schon das eine oder andere Mal den Asphalt geküsst, hängte ihn an seinen Lenker und sah sich dann um, als würde er die Landschaft bewundern.
»Schöne Gegend. Schön abgelegen, aber leicht zu finden, wenn man Google bedienen kann«, sagte er und grinste über beide Ohren angesichts des kolossalen Sieges, den er über mich errungen hatte.
»Ja, ich mag es hier … bis auf die überheblichen Arschlöcher, die alle nasenlang unangemeldet auftauchen.« Ich deutete auf eine der Sicherheitskameras, die vom Dach meines Hauses hingen. »Zum Glück habe ich dieses Überwachungssystem, das alles aufzeichnet. Ich habe über ein Dutzend von diesen Dingern verkabelt. Die Aufnahmen gehen direkt zu einem Server, oder in die Cloud, oder irgend so etwas. Wird alles extern gespeichert. Natürlich wird da manchmal auch etwas aufgenommen, von dem man nicht will, dass es andere Leute zu Gesicht bekommen, doch das lässt sich ohne Weiteres löschen, wenn man die Zugangsdaten kennt.«
Als mich die beiden böse anfunkelten, sah ich noch einmal auf mein iPhone. »Yup, ihr beide werdet aufgenommen, genau in diesem Moment. Wollt ihr mal sehen?« Ich lief zu Duke hinunter und zeigte ihm den Live-Feed auf dem kleinen Display meines Telefons.
»Hey, die Funktion hier solltest du sehen.« Ich zog meine Fingerspitze über einen Regler und nahm eine kleine Feinjustierung vor. Nun sah man eine Nahaufnahme von Dukes Gesicht. »Ist das nicht irre? Was die Technik heutzutage alles möglich macht … wow, kann ich da nur sagen.« Duke saß weiter nur auf seinem Motorrad und sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich zusehends.
»Ja, wirklich klasse«, sagte ich und sah dann die beiden eisig an. »Okay, was zur Hölle wollt ihr beiden Arschlöcher hier?«
»Du hast einen unserer Brüder beleidigt«, erklärte er in strengem Tonfall und wedelte mit seiner Hand zwischen sich und seinem Freund hin und her. Ich warf seinem Kumpel, einem Möchtegern-Schläger um die zwanzig, der sich alle Mühe gab, einschüchternd auf mich zu wirken, einen Blick zu.
»Du meinst Bull?«, fragte ich. Duke nickte. »Weil ich ihm die Papiere gebracht habe?«