Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme

Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme - Jodocus Temme


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Herzensangst, sie werde sich eher umbringen, als daß sie als Braut über die Markauer Grenze gehe; aber man verspottete und verlachte sie nur.

      Der Hochzeittag kam unterdeß heran, und war auf den nächsten Dienstag bestimmt. Am Montage vorher, des Nachmittags, kamen, wie gebräuchlich, die Brautjungfern zu ihr, und putzten sie auf, und führten sie dann, soviel sie auch weinte und sich sträubte, mit Gewalt zu dem Wagen, in welchem sie nun, wie das Sitte ist, zu ihrem Bräutigam gefahren werden sollte. Ihre Verwandten und Bekannten begleiteten sie in vielen Wagen, und im hastigen Galopp eilten Alle nach Markau zu. Den vordersten Wagen fährt der Bruder der Braut, den hintersten der jüngste Bruder des Bräutigams, wie das Alles so Gebrauch ist. An der Markauer Grenze mußten die Wagen halten, und der Bruder des Bräutigams mußte hier der Sitte gemäß die Braut und die Brautjungfern fragen, ob sie nicht noch lieber umkehren wollten. Es war gerade die Sonne im Untergehen, als sie an der Grenze ankamen. Wie alle Wagen stillstanden, erhob sich der Bruder des Bräutigams und fragte die Brautjungfern: ob die Braut noch bei ihnen sei? Sie antworteten ihm: Ja! Darauf fragte er die Braut: Wer hat dich hierher gebracht, du Braut? Marlehnchen antwortete seufzend, wie es vorgeschrieben war: Gott und gute Leute! Jener fragte weiter: Will die Braut weiter, oder will sie umkehren? Jetzt ist es noch Zeit! Da rief Marlehnchen laut weinend: Ich will um, ich will wieder um, ich will nach meiner Mutter Haus! – Ihr Bruder Asmus aber, der das hörte, schrie wüthend: Nein, du sollst nicht um, du sollst nach Markau. Fahrt zu, fahrt zu! Damit schlug er auf seine Pferde, und rief den Andern zu, daß sie desgleichen thun sollten. Aber Marlehnchen sprang von ihrem Sitze auf, und rief: Ich will lieber zum Steine werden, als daß ich über die Markauer Grenze komme! Mit diesen Worten stürzte sie sich oben über den Rand des Wagens und wurde auf der Stelle zu einem Steine. In dem Augenblicke ging die Sonne unter. – Um Mitternacht, wenn Vollmond ist, sieht man die bunten Brautbänder noch an dem Steine flimmern.

      Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.

       49. Die Spinnerin im Monde.

       Inhaltsverzeichnis

      In der Gegend von Salzwedel erzählt man sich folgende Sage, die sich in einem Dorfe der Gegend zugetragen haben soll, dessen Namen man aber nicht mehr anführen kann: In dem Dorfe lebte eine arme, alte Wittwe, mit ihrer einzigen Tochter, Namens Marie. Die Mutter war krank und schwach, und konnte nicht mehr arbeiten. Das schadete aber nicht, denn Marie war die beste Spinnerin nahe und fern, sie konnte täglich drei Stück Garn spinnen, und ihr Faden war doch der feinste; dadurch ernährte sie sich und ihre alte Mutter. Sie hatte leider nur einen großen Fehler an sich, sie war wild und leichtsinnig, und sie mußte bei jedem Spektakel und bei jeder Tänzerei sein. Sie verursachte dadurch ihrer frommen Mutter vielen Kummer, und diese machte ihr Vorwürfe und Ermahnungen genug, allein das half nichts. Besonders im Spätherbst und Winter ging die Lust des Mädchens los, wenn die jungen Leute des Dorfes zum Spinnen zusammenkamen, was man die Spinnekoppel hieß. Es wurde dann gespielt, gelärmt, gesungen und getanzt, und anstatt zu ordentlicher Zeit auseinander zu gehen, wurde es späte Nacht darüber. Am tollsten dabei und die Letzte, die zu Hause kam, war Marie. Die Mutter hatte das lange in Geduld angesehen, weil ihre Ermahnungen doch nichts helfen konnten. Einmal aber auf Marientag, als Marie wieder zu der Spinnekoppel ging, sagte sie zu ihrer Tochter: Versprich mir nur heute, daß du vor Mitternacht zu Hause kommen, und dich nicht auf der Straße herumtreiben willst. Heute ist unserer lieben Frauen Tag, und wenn da die Kinder ungehorsam gegen ihre Eltern sind, so werden sie auf der Stelle bestraft. Das ging der Marie ins Herz, daß sie weinte, und sie versprach ihrer Mutter, sie wolle gewiß nicht wieder spielen, so wahr der Mond am Himmel stehe. Mit diesem Versprechen nahm sie ihr Rad und ging.

      Sie hatte aber kaum eine Stunde gesponnen, als draußen Gesang und Musik laut wurde und die jungen Bursche des Dorfes ankamen. Sie hatten Spielleute geholt, die Spinnräder wurden an die Seite geworfen, und Alles tanzte und sprang. Marie wollte zwar anfangs nicht mittanzen, aber die Musik und die Lust und die Bitten der Bursche drangen tiefer in ihr Herz, als das Versprechen, das sie ihrer Mutter gegeben hatte. Es war schon lange Mitternacht vorüber, als man sich endlich anschickte, auseinander zu gehen. Die Musik mußte sie aber noch auf die Straße begleiten, und als sie an dem Kirchhofe vorbeikamen und dessen Thüre offen fanden, da ergriffen die Bursche die Mädchen, und zogen sie auf den Kirchhof, wo das Tanzen von Neuem losging. Marie hatte ihr Versprechen ganz vergessen und sprang lustig mit in dem hellen Mondschein.

      Ihre Mutter saß unterdeß unruhig in ihrem Stübchen und wartete mit Schmerzen auf ihre Tochter. Da hörte sie auf einmal aus der Ferne das Schreien und Lärmen auf dem Kirchhofe. Sie konnte sich nicht mehr halten. Sie ging aus dem Hause und folgte dem Lärm. So kam sie auf den Kirchhof, wo sie ihre Tochter mitten unter den Springenden sah. Der Anblick zerschnitt ihr das Herz. Sie befahl ihr, sofort mit ihr nach Hause zu gehen. Das Mädchen aber erwiderte ihr: Ei, Mutter, der Mond scheint noch so helle! Geh’ du nur, ich komme bald! Da sah die alte Frau in den Mond und verfluchte ihre Tochter. Ich wollte, sagte sie, das ungerathene Kind säße im Monde und müßte da oben spinnen! – Die Worte hatte sie kaum gesprochen, da war die Marie aus den Reihen der Tanzenden verschwunden, und man sah sie, mit ihrem Rade in der Hand, rasch wie einen Blitz, dem Monde zufliegen. – Im Monde sitzt sie noch und spinnt; wenn er ganz hell scheint, dann kann man sie deutlich spinnen sehen. Sie spinnt feine und zarte Fäden, die fallen zur Herbstzeit auf die Erde herunter; der Wind jagt und zerreißt sie dann, und treibt sie auf Hecken und Bäume. Die Leute nennen sie Sommerseide oder Marienfädchen.

      Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.

       50. Die kluge Nonne zu Arendsee.

       Inhaltsverzeichnis

      In dem Städtchen Arendsee ist ein altes Kloster zu sehen, welches früher von adligen Jungfrauen Benedictiner-Ordens bewohnt wurde und sehr berühmt war. In der Klosterkirche an der Orgel findet man noch jetzt ein Gemälde, worauf die Domina des Klosters abgebildet ist mit einem weiten Chormantel; unter diesem stehen die sämmtlichen Klosterjungfrauen, und man sieht deren neun an der Zahl darunter hervorsehen. Ueber dem Gemälde sind die Worte zu lesen: »Die Versammlung des Jungfräulichen Klosters Arenthsee.« – Weiter unten lieset man die Namen: »Emerentia von Rietdorf Domina, Allheide von Eickstedte, Anna von Baldenstedten, Cösterinnen.« Von der Bedeutung dieses Bildes hat man folgende Geschichte: In den schweren Zeiten des großen Deutschen (30jährigen) Krieges wurde das Kloster überfallen, und es sollte ausgeplündert werden. Blos der Domina gestattete man freien Abzug. Da that die eben gedachte Domina, Emerentia von Rietdorf, das Ansuchen, daß sie auch dasjenige möchte aus dem Kloster in Sicherheit bringen, was sie unter ihrem Chormantel könnte mitnehmen. Solches wurde ihr gewährt, und sie nahm die sämmtlichen Klosterjungfrauen, deren neun waren, unter den Mantel und brachte sie also in Sicherheit.

      Beckmann histor. Beschreibung von Brandenburg. Th. 5. Buch 1. Cap. 9. S. 34. 35.

       51. Der Name Arendsee.

       Inhaltsverzeichnis

      Als vor vielen hundert Jahren das Städtlein Arendsee erbaut war, und damals noch keinen Namen hatte, da geschah es eines Tages, daß das Erdreich neben diesem Orte, da, wo jetzt der ebenfalls Arendsee genannte See ist, plötzlich einsank, und den jetzt vorhandenen großen See hinter sich ließ. Eine Frau, deren Ehemann Arend hieß, sah solches zuerst, und sie hat in ihrer Verwunderung ihrem Manne blos zurufen können: Arend, seh! oder: Arend, sieh! Von der Zeit an ist denn solcher Name der Stadt verblieben.

      Beckmann histor. Beschr. von Brandenburg. Th. 5. B. 1. S. 25.

       52. Der Arendsee.

       Inhaltsverzeichnis


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