Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme

Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme - Jodocus Temme


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man Folgendes: Die ganze Gegend zwischen der Stadt Tangermünde und den Dörfern Grobleben und Böhlsdorf war früher ein großer Wald und gehörte einer Jungfrau in Tangermünde, Namens Lorenz. Die Gegend, die jetzt ohne Holz ist, heißt noch immer das Lorenzfeld. Diese Jungfrau Lorenz ging eines Tages in ihrem Walde spatzieren, verirrte sich aber in demselben so, daß sie drei Tage lang vergeblich einen Ausweg suchte. Sie glaubte sich schon verloren, und fürchtete, nimmer wieder aus der Wildniß heraus und zu Menschen zu gelangen. Da erschien ihr auf einmal ein Hirsch mit einem mächtig großen Geweihe. Der nahete sich der ermüdeten Jungfrau, hob sie mit seinem Geweihe auf seinen Rücken und trug sie so ohne Schaden zum Walde heraus, bis sie die Thürme von Tangermünde vor sich sah. Aus Dankbarkeit für diese wunderbare Errettung schenkte sie einen großen Theil ihrer Grundstücke der Nicolaikirche zu Tangermünde, und ließ auch in derselben ihr Bildniß von Holz und auf einem Hirschgeweihe aufstellen, wie es noch allda zu sehen ist. Sie verordnete zugleich, ihr Bildniß solle hier bleiben, so lange noch Ein Stein der Kirche auf dem anderen stehe.

      Hierüber wacht sie denn auch mit besonderer Sorgfalt. Die Kirche wird schon längst als Lazareth benutzt, und es sind die Bilder und Zierrathen darin zerstört; aber das Bild der Jungfrau Lorenz hat noch kein Mensch von der Stelle zu rücken gewagt, und die Lazarethwächter hören oft einen gewaltigen Lärm, der durch das ganze Gebäude zieht, wenn es Einer einmal gewagt hat, auch nur an die Zacken des Hirschgeweihes zu fassen, oder nur etwas daran aufzuhängen. Selbst die frevelhaften Franzosen, als sie im Jahre 1806 in Tangermünde einfielen, mußten das Bild unangetastet lassen, und haben es nicht von seinem Orte bringen können.

      Gesch. der Stadt Tangermünde v. Pohlmann u. Stöpel. S. 6. 7.

       19. Die Papenkühle bei Bellingen.

       Inhaltsverzeichnis

      Bei dem Dorfe Bellingen unweit Tangermünde liegt ein großer Sumpf, das Kaisersmoor genannt. Eine Stelle desselben, über welche ein Fußsteig führt, heißt die Papenkühle. Dieser Name ist auf folgende Weise entstanden: Es lebte vor Zeiten in der Gegend ein katholischer Priester, der das Laster des Trunkes an sich hatte. Der Himmel hatte ihn oft gewarnt, aber es war vergebens bei ihm gewesen. Wie der eines Tages wieder in seiner Betrunkenheit über den Fußsteig ging, da war ihm dieser nicht breit genug, wie das bei Betrunkenen wohl zu geschehen pflegt. Der Pfaff in seinem trunkenen Uebermuthe fing darauf an, mit dem Stege zu zanken, und er rief: Warte, ich will dich wohl breiter kriegen! Er hatte aber kaum die Worte gesprochen, und dabei seine Brille auf der Nase fester gesetzt, als er herunter fiel und in dem Sumpfe seinen Tod fand. Seitdem heißt die Gegend die Papenkühle.

      Ueber die Altmark. I. S. 232.

      Geschichte der Stadt Tangermünde von Pohlmann und Stöpel. S. 345.

       20. Der geigende Pfarrer.

       Inhaltsverzeichnis

      Unweit Tangermünde liegen dicht bei einander zwei Dörfer, Ost- und Westheeren. Beide haben nur einen Pfarrer, und auch nur eine Kirche, die mitten zwischen ihnen liegt. Zu einer Zeit war der Pfarrer an dieser Kirche ein gar leichtsinniger Mann, der lieber auf dem Tanzboden, als am Altare war. Eines Tages, am heiligen Pfingstfeste, als die Bauern aus beiden Dörfern zum Tanzen versammelt waren, nahm er sogar selbst die Geige in den Arm und spielte den Bauern zum Tanze auf. Für solchen Frevel traf ihn aber der Zorn des Himmels. Denn es entstand urplötzlich ein schweres Gewitter, und es kam ein langer, scharfer Blitz, der erschlug zwanzig Bauern, und mit ihnen den Pfarrer, dem die Geige im Arme zerschmettert wurde. Dies geschah Anno 1203.

      Eine andere Sage berichtet diese Geschichte aus dem Dorfe Ossemer bei Stendal. Das Gewitter soll danach vier und zwanzig Bauern getödtet, dem Pfarrer aber nur die rechte Hand, mit welcher er den Fidelbogen geführet, abgeschlagen haben.

      Andreas Angelus Annales March. Brand. pag. 94.

      Ueber die Altmark. I. 231. II. 302.

      Geschichte der Stadt Tangermünde von Pohlmann und Stöpel S. 368.

      Bünting, Braunschweig. und Lüneburgische Chronik. I. 66. 79.

       21. Das Büchelchen.

       Inhaltsverzeichnis

      Das Dorf Buch in der Altmark, unweit Tangermünde belegen, war früher ein ansehnlicher Flecken, der in alten Urkunden sogar eine Stadt genannt wird, und auch seinen eigenen Roland besaß, zum Zeichen, daß ihm die hohe Gerichtsbarkeit verliehen war. Der große Churfürst Friedrich Wilhelm hatte einstmals einen vornehmen Hofbedienten: dieser sprach von dem Orte mit einiger Verkleinerung und bat dabei um dessen Schenkung, ungefähr mit den Worten: »Es hätten Seine Churfürstliche Durchlaucht ein Büchelchen unfern Tangermünde, und möchten Sie ihm solches schenken; es sollte zu Ihrem allerunterthänigsten Andenken von ihm jederzeit werth gehalten werden.«

      Dem antwortete aber der Churfürst: – Er könne dieses Büchlein aus seiner Bibliothek nicht missen, sondern gebrauche es noch selbsten; man möge sich daher eine andere Gnade suchen.

      Beckmann histor. Beschr. v. Brandenburg. Th. 5. B. 1. Cap. 9. S. 71.

       22. Das Gespenst zu Schorstett.

       Inhaltsverzeichnis

      Drei Meilen von Tangermünde liegt in der Altmark ein Dorf, Namens Schorstett. In diesem hat sich vor Zeiten einmal ein sonderbarliches Gespenst herumgetrieben. Es hat ganz weiß ausgesehen, und ist oft zu Dritt gewesen, von unterschiedlicher Größe. Es hat sich hören lassen mit Poltern, es hat mit Steinen nach den Leuten geworfen, in die Speisen hat es Lehmklöße und Stücke von Ziegelsteinen hineingeworfen, die Würste hat es von den Wiemen gerissen und verzehrt. Die Steine, mit denen es geworfen, sind so heiß gewesen, als wenn sie im Backofen wären gewärmt worden. Oft hat es mit Ruthen in den Stuben herumgepeitscht, und mit Stecken um sich geschlagen. Dann hat es wieder Thüren und Fenster aufgebrochen und Feuer unter die Betten und in die Stuben gelegt. Einer Magd hat es Blut unters Kinn gestrichen, ihr ein Tuch, so in Blut getaucht, umgehangen und ihr befohlen, nach Stendal in die Stadt zu gehen und den Leuten zu sagen: sie sollten Buße thun, der jüngste Tag sei nicht weit. Ein anders Mal hat es den Leuten Brod und Käse zu essen gegeben, worunter Blutstropfen gewesen. Dann hat es wieder den Pfarrer des Dorfes zum Singen und Beten ermahnt, und gesagt, wenn sich die Leute nicht bessern würden, sollten sie mit Feuer und Schwert bestrafet werden.

      Endlich ist dieses Gespenst verschwunden; man hat aber ungeachtet seiner Ermahnungen nicht anders geglaubt, als daß es der Teufel selbst gewesen; denn er hat sich einmal selbsten als einen großen Drachenwurm abgemalt.

      Rittners Altmärk. Geschichtbuch, in Küsters antiq. Tang. II. Bd. 59.

       23. Die Belagerung von Rogätz.

       Inhaltsverzeichnis

      Zu der Altmark gehörte früher das wohlbekannte Schloß Rogätz. Dasselbe war in den Zeiten des dreißigjährigen Krieges sehr fest, und es trug sich zu jener Zeit einmal eine wunderliche Geschichte darin zu. Es lag nämlich eine Kaiserliche Besatzung darin, die wurde hart und lange belagert von dem Grafen von Mansfeld. Allein der Graf konnte ihr nichts anhaben und das Schloß nicht nehmen. Bei allen Stürmen wurden von seinen Leuten gar Viele erschlagen, und von den Belagerten fiel Niemand. Da kam endlich der Dänische General Fuchs dem Grafen zu Hülfe. Der merkte bald, wie die Sache beschaffen war. Es


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