Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe


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nur un­se­re Trä­nen in that mir­ror of be­au­ty, in dem Schön­heits­s­pie­gel, wel­chen na­tu­re uns vor­ent­hält. O Lucy, wenn wir doch al­lein mit uns wä­ren in die­ser be­trü­gungs­vol­len exis­tence. Alas, what creeps, ach Gott, was kriecht al­les mit uns durch die­sen Spie­gel? Da, loo­k, da kom­men schon wie­der zwei Gent­le­men den Berg hin­auf­wärts, und un­se­re ge­ho­be­ne Ru­he­stun­de ist zu Ende.«

      »Es ist un­er­träg­lich!« seufz­te die Baro­nin, füg­te hin­zu: »Se­hen wir nicht hin!« – und blick­te zum Him­mel em­por, den Kampf mit den ir­di­schen Mücken not­ge­drun­gen ohne Un­ter­bre­chung fort­set­zend.

      Chri­sta­bel neig­te das Haupt und lehn­te sich von neu­em an die zärt­li­che Freun­din und wand­te eben­falls die Au­gen von der schlech­ten, ge­mei­nen, ver­drieß­li­chen Erde ab und den Ro­sen­wol­ken des Son­nen­un­ter­gangs zu. Bei­de Da­men hat­ten die fes­te Ab­sicht, sich nicht im min­des­ten um die zwei her­an­stei­gen­den atem­be­gab­ten Erd­klö­ße männ­li­chen Ge­schlechts zu küm­mern, sie nicht an­zu­se­hen, ih­nen den Rücken zu wen­den, kurz, gar nicht für sie da zu sein. Es kam nur dar­auf an, ob die Freifrau Lu­cie von Ripp­gen oder die bri­ti­sche Jung­frau Miss Chri­sta­bel Ed­dish die­sem, der Stun­de und der Stim­mung so sehr an­ge­mes­se­nen, echt weib­li­chen und idea­li­schen Vor­satz zu­erst un­treu wer­de.

      »Rich­tig, da sind sie, und zwar für je­den eine!« sag­te Pechle, auf die zwei Son­nen­schir­me deu­tend. »Mit dem ir­di­schen Jam­mer­tal schei­nen sie fer­tig zu sein; aber den Spei­se­zet­tel im Lamm ha­ben sie sich doch her­zäh­len las­sen, ehe sie zu Berg stie­gen. Ich habe es in der Kü­che in Er­fah­rung ge­bracht, als ich mich eben­falls nach ihm um­sah. Ach, ein himm­li­scher A–­bend –«

      Es ist zwar ein großer, längst nicht ge­nug ge­wür­dig­ter Vor­zug des Men­schen­ge­schlechts, auf­rech­ten Haup­tes das Fir­ma­ment be­trach­ten zu kön­nen; al­lein lan­ge hält es nie­mand aus, vor­züg­lich wenn er, um über die Erde weg­zu­se­hen, den Ze­nit an­sieht.

      In ein und dem­sel­ben Mo­ment wur­den die bei­den hol­den Schwär­me­rin­nen des doch Schwin­del er­re­gen­den Blickes ins Blaue müde und sa­hen ge­ra­de­aus. Und die Baro­nin stieß na­tür­lich einen Ruf aus, der mehr als Über­ra­schung und we­ni­ger als Ent­zücken war, aber ei­nem Durchein­an­der von See­len­re­gun­gen Aus­druck gab, wel­ches die wei­ten Gren­zen un­se­rer Dar­stel­lungs­ga­be nach al­len Rich­tun­gen hin zer­spren­gend, durch­bre­chend und über­flu­tend, sich – ein­fach Luft mach­te in den zwei Wor­ten:

      »Mein Mann!«

      »Dein Mann?!« rief Miss Chri­sta­bel Ed­dish mit al­ler Hast das Au­gen­glas auf die Nase drückend, und – zwan­zig Schrit­te ab­wärts am Ho­hen­stau­fen­ber­ge fass­te der Baron Fer­di­nand von Ripp­gen, mit bei­den Hän­den kramp­fig ein­knei­fend, den Arm sei­nes Beglei­ters, stand, riss den Ex­stift­ler gleich­falls rück­wärts, starr­te auf­wärts und sag­te ton­los:

      »Mei­ne Frau!«…

      »Was? Herr­gott, dei­ne Frau?« schrie Chri­stoph Pech­lin höch­lichst ver­wun­dert, und setz­te so­fort äu­ßerst ge­fasst, ru­hig und ge­müt­lich hin­zu: »Rich­tig, sie ist es, und das Lan­ge da ne­ben ihr wird also wohl die an­de­re sein!«

      Die bei­den Leo­no­ren auf dem Gip­fel des Ber­ges rühr­ten sich nicht wei­ter, nach­dem sie ge­se­hen hat­ten und ein Zwei­fel an der Wirk­lich­keit des Ge­se­he­nen nicht mehr mög­lich war. Sie stan­den wie an­ge­wur­zelt, sta­tu­en­haft, im Abend­son­nenglanz und über­lie­ßen es den bei­den Her­ren, nä­her zu kom­men.

      Und sie ka­men nä­her; der Baron, da er nicht an­ders konn­te, Pechle ver­gnügt wie ein Il­tis auf dem Wege in den Hüh­ner­stall.

      »Was zö­gerst du denn? So geh doch! Freu di doch!« rief er, kräf­tig dem Freun­de den El­len­bo­gen in die Sei­te set­zend und zu glei­cher Zeit als ein höf­li­cher Mann den Hut lä­chelnd ge­gen die Da­men lüf­tend.

      »Ja, ja, Sechser­le, wir sit­zen drin«, flüs­ter­te er im Voran­stei­gen, »da ischt kei’ Zwei­fel, also – Mut! Cou­ra­ge! Man­nes­kraft! Tu we­nigs­tens, als ob dir un­ge­mein leicht zu­mu­te sei, Ripp­gen! Lächle sie an und be­sie­ge, über­win­de, stür­ze sie um durch hei­te­re, fröh­li­che Un­be­fan­gen­heit. Don­ner­wet­ter, die Eng­län­de­rin ist gar so übel nicht! weiß Gott, das ischt ja a recht net­tes, a ganz sau­be­res Mäd­le! Mei­ne Da­men, wir ha­ben die Ehre – Grüß Gott, mei­ne Da­men.«

      Sie wa­ren oben, und da, wie ge­sagt, die bei­den über­rasch­ten schö­nen Schwär­me­rin­nen nicht zu­rück­ge­wi­chen wa­ren, so stan­den sie sich alle vier ge­gen­über, und das war un­se­rer Mei­nung nach das merk­wür­digs­te Zu­sam­men­tref­fen, wel­ches der Ho­hen­stau­fen­gip­fel je er­lebt hat­te!

      Man hat­te auf dem Berg­gip­fel Platz zu al­len ge­gen­sei­ti­gen Vor­stel­lun­gen. Sämt­li­che his­to­ri­schen Bau­hin­der­nis­se schie­nen nur die­ser ge­gen­wär­ti­gen großen Be­geg­nung Raum ge­ge­ben zu ha­ben, und – kein Ho­hen­stau­fen­paar, wel­ches zwei zu Kreu­ze krie­chen­de Re­bel­len-Ge­sand­te von Mai­land vor sich ließ, konn­te sie küh­ler und zu glei­cher Zeit im In­ners­ten frohlo­cken­der emp­fan­gen, als Miss Chri­sta­bel Ed­dish und die Baro­nin Lu­cie den Baron und den Freund des Barons, Herrn Chri­stoph Pechle an sich her­an­kom­men lie­ßen.

      Da­für aber auch konn­ten wahr­lich zwei um gu­tes Wet­ter bit­ten­de Ab­ge­ord­ne­te der Stadt Me­dio­la­num nicht vor­sich­ti­ger auf­tre­ten, und beim lei­ses­ten Fä­cher­we­hen und Stirn­run­zeln scheu­er und di­plo­ma­tisch-bäng­li­cher zu­rück­tre­ten, als der Baron und sein Freund – ja auch sein Freund jetzt! – auf der Stel­le, wo viel­leicht vor­dem die Thron­ses­sel des grim­mi­gen Salz­sä­ers Bar­ba­ros­sa und sei­ner kai­ser­li­chen Hau­seh­re stan­den.

      O, die Reichs­frei­frau Lu­cie von Ripp­gen ver­stand es gleich­falls, Salz auf eine Stel­le zu säen, die sie vor­her durch jeg­li­ches Haus­mit­tel­chen und Re­gie­rungs­mit­tel gründ­lichst ver­heert hat­te, und Miss Chri­sta­bel sah auch an die­sem Orte nicht aus, als ob sie es für ih­ren ir­di­schen Be­ruf hal­te, bei der­ar­ti­gen Ge­le­gen­hei­ten als be­gü­ti­gen­de Ver­mitt­le­rin ein­zu­tre­ten.

      Pechle, selbst Pechle fühl­te sich im­mer mehr ein­ge­schüch­tert, je mehr er sich den Da­men nä­her­te und je län­ger er, mit dem Hute in der Hand, vor ih­nen stand. Ver­stoh­le­ne Sei­ten­bli­cke, die im­mer län­ger wur­den, warf er auf die bri­ti­sche Jung­frau, – Miss Chri­sta­bel mach­te un­be­dingt einen Ein­druck auf ihn und zwar einen tie­fen. Eben noch hat­te er sie ein »sau­be­res Mäd­le« ge­nannt; die­ses zier­li­che Wort nahm er so­fort zu­rück, nach­dem er die To­ta­li­tät ih­rer Er­schei­nung voll­kom­men in sich auf­ge­nom­men hat­te.

      »Sau­ber? Die ließ ich mir um die Hälf­te wüsch­ter als Haus­freun­din gern ge­fal­len! Das ischt a Pal­las Athe­ne, und der Ripp­gen ischt a Esel! Ein we­nig vol­ler wäre bes­ser; aber zu voll ist auch nicht hübsch, – bei Gott, das Mäd­le muss Geischt ha­ben, – bei den un­s­terb­li­chen Göt­tern, sie im­po­niert mir, und was mir im­po­niert, das lass ich ger­ne gel­ten!« sag­te er, je­doch nicht laut.

      Dass die Baro­nin ihm nicht im­po­nier­te,


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