Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman. Marie Francoise
»Ich will nicht, daß Sissi nur von Kindermädchen erzogen wird«, fügte sie leise hinzu. »Sie soll wissen, daß sie eine Mutter hat, die trotz aller Verpflichtungen immer da ist, wenn sie sie braucht.«
Alex zeigte sein charmantes Lächeln und legte eine Hand auf die von Diana.
»Vielleicht sollten wir bald heiraten, Liebes«, schlug er vor. »Dann würde ich mich um das Unternehmen kümmern, und Sissi hätte ihre Mutter ständig um sich.« Sein Lächeln wurde inniger. »Im übrigen hätte sie dann endlich einen Vater.« Der diesem verzogenen Fratz ganz gehörig den Hosenboden strammziehen würde, fügte er – vorsichtshalber nur in Gedanken – hinzu.
Ein seliges Leuchten erhellte Dianas Gesicht. »Alex, das wäre zu schön, um wahr zu sein.« Sie wurde wieder ernst. »Das Unternehmen verlangt mir eine Menge Arbeit ab, und Sissi… sie wird größer und braucht mich immer dringender.«
Sie braucht eine harte Hand, die ihr zeigt, wo ’s langgeht, dachte Alex grimmig. Aber das wird sie bei mir schon lernen.
»Dann sollten wir das Aufgebot bestellen«, meinte er laut und sein Gesicht verriet dabei nicht, was in seinem Innern vorging. »Je eher wir verheiratet sind, um so besser für dich und Sissi.« Und für mich, fügte er in Gedanken hinzu. Wenn ich dein Vermögen erst mal in Händen habe, bin ich ein gemachter Mann und kann leben, wie es mir gefällt.
*
Alle Anzeichen sprachen für sich, und so war Christina Walther nicht sonderlich überrascht, als der Schwangerschaftstest positiv ausfiel. Es erschreckte sie nicht einmal, denn ihre Liebe zu Alex Simoni war so tief, daß es für sie keine Frage war, wie er reagieren würde.
Beschwingt eilte sie zu dem Haus, in dessen Dachgeschoß Alex eine kleine Wohnung hatte. Hier trafen sie sich regelmäßig und genossen ihre traute Zweisamkeit, doch heute schien Alex über ihr unverhofftes Erscheinen gar nicht erfreut zu sein.
»Was willst du hier?« entfuhr es ihm, als er die Tür öffnete und sich Christina gegenübersah. »Soweit ich weiß, waren wir für heute nicht verabredet.« Er schwieg kurz, machte aber keine Anstalten, Christina in die Wohnung zu lassen. »Du kannst nicht einfach unangemeldet bei mir auftauchen.«
Im ersten Moment war Christina geschockt, doch dann mußte sie lächeln. »Ach komm, Alex, du tust ja ganz so, als hättest du eine fremde Frau im Kleiderschrank versteckt.«
Es sollte ein Scherz sein, doch Alex lachte durchaus nicht.
»Also, was ist los?« hakte er nach.
Befremdet sah Christina ihn an. »Willst du mich denn nicht hineinlassen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann kannst du es auch hier tun. Ansonsten läßt du mir bitte meine Ruhe.«
Fassungslos starrte Christina ihn an. War das noch derselbe Mann, der ihr erst vor zwei Tagen süße Worte der Liebe ins Ohr geraunt hatte?
»Alex…«, begann sie entsetzt.
Da trat er ganz dicht vor sie hin, und Christina erschrak vor dem kalten Glitzern in seinen smaragdgrünen Augen.
»Hör zu«, zischte er, »ich habe da drin eine für mich sehr wichtige Frau sitzen, und ich denke nicht daran, mir diese Geschichte von dir vermiesen zu lassen, nur weil du beschlossen hast, rührselig zu werden. Also noch einmal im Klartext: Sag, was du zu sagen hast, und dann verschwinde.«
Christina schluckte schwer. Sie begriff noch immer nicht ganz, was hier vorging.
»Ich… ich bin schwanger«, stammelte sie.
Ungerührt zuckte Alex die Schultern. »Dein Problem. Sieh zu, wie du damit fertig wirst.«
Damit schlug er ihr die Tür einfach vor der Nase zu. Christina starrte auf das zerkratzte Holz, das auch mehrere Lackschichten nicht ansehnlicher machten, und fragte sich, ob sie eben einen Alptraum erlebt hatte. Die Wirklichkeit konnte es jedenfalls nicht sein. Alex war doch gar nicht so, wie er sich jetzt gegeben hatte.
»Vielleicht habe ich einfach nur einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt«, murmelte sie sich zu. »Er war anscheinend mitten in einer wichtigen Besprechung.«
Unwillkürlich lauschte sie, doch das Haus war solide gebaut, und selbst die altersschwachen Türen schlossen noch erstauntlich gut. Nicht das geringste Geräusch drang nach draußen, und auf den Gedanken, daß der Interessenaustausch von Alex und der angeblich so wichtigen Frau möglicherweise ganz wortlos vor sich gehen könnte, kam Christina nicht, weil sie sich Alex’ Liebe völlig sicher war.
Langsam drehte sie sich um und ging die Treppe hinunter. Sie hatte sich das alles so schön vorgestellt… wie sie es Alex sagen würde, wie er eine Flasche Sekt kaltstellen und dann mit ihr Verlobung feiern würde. Doch er hatte nur von einem »Problem« gesprochen, nicht von der Frucht ihrer Liebe.
*
»Wer war das, Liebling?« wollte Diana wissen, als Alex ins Wohnzimmer zurückkehrte, sich wieder neben sie setzte und sie zärtlich in die Arme nahm.
»Niemand von Bedeutung«, raunte er ihr zu und ließ seine Lippen von ihrem Ohrläppchen über den Hals zu den schmalen Schultern gleiten. Diana erschauerte unter den sanften Liebkosungen, und ihr schlechtes Gewissen, Sissis Kindergartenvormittag ausgenutzt zu haben, um sich mit Alex zu treffen, anstatt einer wichtigen Vorstandssitzung beizuwohnen, schwand ein wenig.
»Wann bestellen wir denn nun das Aufgebot?« flüsterte Alex ihr zu.
Diana wich ein wenig zurück. »Bevor wir diesen Schritt vollziehen, solltest du erst Sissi kennenlernen, meinst du nicht? Außerdem hat sie auch ein Recht zu erfahren, wenn ihre Mutter zu heiraten gedenkt.«
Sein zärtliches Lächeln gab nicht preis, was in seinem Innern vorging. Der Gedanke, Dianas Tochter gegenüberzutreten, entzückte ihn nicht gerade, vor allem, weil er spürte, daß sie ihre endgültige Entscheidung von Sissis Reaktion abhängig machen würde.
»Du hast natürlich vollkommen recht«, stimmte Alex scheinheilig zu. »Eigentlich hätte ich ja selbst darauf kommen müssen.« Er küßte sie wieder. »Aber die Liebe zu dir macht es mir völlig unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen.«
Zärtlich streichelte Diana sein Gesicht. »Du machst wunderschöne Liebeserklärungen.« Sie schwieg einen Moment und wurde dann seltsam ernst. »Weißt du, Alex, die Begegnung mit Sissi könnte für dich… wie soll ich sagen… es ist möglich, daß sie dich nicht auf Anhieb in ihr Herz schließen wird.«
Unwillkürlich hielt Alex den Atem an.
»Seit sie geboren ist, hat sie mich immer ganz für sich allein gehabt«, fuhr Diana fort, »es ist möglich, daß sie dich als Rivalen betrachtet. Wir müssen vermutlich viel Geduld haben.«
»Die habe ich bestimmt«, versicherte Alex. Er fühlte sich wieder sicherer, weil er Dianas tiefe Liebe spürte. Trotzdem wollte er sich über ihre Entscheidung vergewissern.
»Wenn Sissi mich nun ganz massig ablehnen würde… ich meine, wenn sie sich gar nicht überzeugen ließe, daß du sie auch nach der Hochzeit mit mir noch genauso sehr liebst… wie würdest du dich dann entscheiden?« fragte er.
Diana senkte den Kopf.
»Es wäre eine schwierige Entscheidung«, räumte sie ein, dann schwieg sie eine Weile. »Ich weiß nicht, was ich tun würde. Vermutlich müßte ich erst vor dieser Situation stehen, um zu wissen, was mir wichtiger wäre. Ich liebe dich, Alex, aber Sissi ist mein ein und alles. Sie ist mein Kind, und ich könnte es nicht ertragen, wenn sie unglücklich wäre. Andererseits… sie wird eines fernen Tages einen jungen Mann kennenlernen und ihren Weg gehen.« Gegen ihren Willen mußte sie lächeln. »Auch wenn ich mir das jetzt noch überhaupt nicht vorstellen kann.« Sie wurde wieder ernst. »Sissi wird einmal ihr eigenes Leben führen, und ich bleibe dann vielleicht auf der Strecke. Aber wozu machen wir uns schon jetzt Gedanken darüber.« Liebevoll umarmte sie Alex. »Sicher wird sie dich auf Anhieb ins Herz schließen, und unsere ganze Diskussion wird sich als gegenstandslos erweisen.«