Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman - Marie Francoise


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Napa Valley groß geworden, auf einem kleinen Weingut, das idyllisch zwischen sanften Hügeln eingebettet gelegen hatte.

      Billys Vater war Münchner gewesen. In Gedanken an seinen liebenswert-rauhbeinigen Vater mußte Billy schmunzeln. Josef Schröder hatte er geheißen, doch in Amerika war daraus der Einfachheit halber Joe Stevens geworden. Aber trotz dieses Namens war es seinem Vater nie ganz gelungen, ein wirklicher Amerikaner zu werden. Wie oft hatte er Billy vom Hofbräuhaus, vom Viktualienmarkt und vom Rathaus mit seinem Glockenspiel erzählt? Von den Bergen, in die er so gern gegangen war, und von den vielen idyllisch gelegenen Seen.

      Ganz spontan löste Billy eine Fahrkarte nach München, stieg in den Zug und ließ sich aufatmend auf seinen Sitz fallen. Vielleicht würde München das Richtige für ihn sein… oder irgendein kleiner Ort an einem der idyllischen Seen, von denen sein Vater so oft gesprochen hatte. Billy runzelte nachdenklich die Stirn. Wenn er sich nur an die Namen erinnern könnte. Es dauerte eine Weile, dann kamen sie langsam in sein Gedächtnis zurück: Schliersee, Spitzingsee, Kochelsee… aber einen dieser Seen hatte sein Vater ganz besonders geliebt, und genau der wollte Billy beim besten Willen nicht einfallen.

      Er schaute aus dem Fenster auf die vorbeibrausende Landschaft. Städte, Dörfer, Felder, Wiesen und Wälder… alles ließ er hinter sich, in der Hoffnung, dort, wo sein Vater so glücklich gewesen war, eine neue Heimat zu finden. Die Sehnsucht nach dem Napa Valley drohte ihn einzuholen, aber auch die Sehnsucht nach seinen Freunden und Kollegen. Dabei wurde er das Gefühl nicht wieder los, als hätte er mit seiner Reise hierher einen Fehler gemacht.

      Der Zug nahm die Geschwindigkeit zurück und fuhr wenig später in den Münchner Hauptbahnhof ein. Billy nahm seinen Koffer und machte sich auf die Suche nach einem Hotelzimmer. Danach schlenderte er die Fußgängerzone hinunter, bewunderte wie viele andere Touristen das Glockenspiel des Rathauses und ging dann weiter in Richtung Viktualienmarkt, als ihm ein Werbeplakat auffiel.

      Bayrische Meisterschaften in Karate las er halblaut und mußte dabei unwillkürlich an seinen Schulfreund Jeffrey Parker denken. Nach den Abschlußprüfungen hatten sie sich aus den Augen verloren, denn Jeff hatte studiert, um Arzt zu werden, während Billys Herz für die Fliegerei geschlagen hatte. Aber damals, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, hatte Jeff immerhin schon den blauen Gürtel gehabt. Er war bestimmt ein guter Karateka geworden, denn Jeff hatte ja bei-

      nahe überall zu den Besten ge-hört.

      Billy seufzte leise. Wieder ergriff ihn die Sehnsucht nach der Heimat, und ohne genau zu wissen, warum, besorgte er sich eine Karte für die Meisterschaftskämpfe, obwohl er sich nur wenig für diesen Sport interessierte. Wahrscheinlich war es einfach die Erinnerung, die er mit Karate verband.

      Als er dann knapp einen Monat später in der Halle saß, in der die Kämpfe ausgetragen werden sollten, fühlte er sich entsetzlich fehl am Platze. Er hatte keine Ahnung von Karate, und wenn er sich vor vier Wochen in diesem Anfall von Sentimentalität nicht eine Karte gekauft hätte, wäre er sicher nicht hergekommen.

      »Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen den amtierenden Bayrischen Meister in Karate vorstellen: Dr. Jeffrey Parker!«

      Billy fuhr hoch. Er hatte das Gefühl zu träumen. Da vorne, keine zehn Meter Luftlinie von ihm entfernt, stand Jeff Parker, sein Schulfreund, den er zuletzt vor mehr als fünfzehn Jahren gesehen hatte.

      Billy konnte das Ende der Veranstaltung kaum erwarten, dann machte er sich auf die Suche nach Jeff. Es kostete ihn einige Mühe, bis zu ihm vorzudringen, aber schließlich war es geschafft.

      »Jeff, erkennst du mich noch?« fragte Billy und wußte, daß er im umgekehrten Falle hätte verneinen müssen. Wäre ihm Jeff auf der Straße begegnet, wäre er sicher ohne Zögern an ihm vorbeigegangen. Mit den dunkelblonden Haaren, die ihm gerade bis zum Nacken reichten, und dem kurz geschnittenen Vollbart sah er so ganz anders aus als damals beim Schulabschluß.

      Jeff drehte sich zu ihm um, musterte ihn eine Weile und lächelte dann. »Billy. Billy Stevens.« Er schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Meine Güte, wie kommst du denn nach München?«

      Billy grinste… etwas, was er seit Wochen nicht mehr getan hatte, doch Jeff vermittelte ihm durch seine bloße Anwesenheit bereits ein Stück Heimat.

      »Mit dem Flugzeug«, antwortete er, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, eigentlich mit dem Zug.« Er wurde wieder ernst. »Mann, ist das schön, dich zu sehen.«

      Jeff betrachtete ihn und entdeckte in seinen Augen etwas, was einem weniger aufmerksamen Beobachter sicher entgangen wäre.

      »Du mußt einsam sein.«

      Billy senkte den Kopf, zögerte einen Moment und nickte dann. »Entsetzlich einsam sogar.« Er blickte wieder auf. »Es war ein Fehler hierherzukommen, aber… drüben habe ich es auch nicht mehr ausgehalten.«

      Jeff hörte den Hilferuf, der in diesen Worten lag. Spontan legte er eine Hand auf Billys Schulter.

      »Warte hier auf mich«, bat er. »Ich muß mich duschen und umziehen, dann fahren wir zu mir nach Hause.«

      »Du wohnst hier?« fragte Billy erstaunt.

      Jeff lächelte. »Nicht direkt in München, sondern ein Stück außerhalb, in einem idyllischen kleinen Vorgebirgsort.« Er sah auf die Uhr. »In zehn Minuten bin ich zurück.«

      Es dauerte wirklich nicht lange, bis Jeff in Jeans und Hemd zurückkehrte und zusammen mit Billy zum Parkplatz ging. Er warf seine Trainingstasche in den Kofferraum, dann schloß er die Beifahrertür auf, bevor er sich hinters Steuer setzte.

      »Ich nehme nicht an, daß du ohne Gepäck nach Deutschland gekommen bist«, meinte Jeff, während er den Motor anließ.

      »Einen Koffer habe ich im Hotel«, antwortete Billy. »Alles andere liegt in der Gepäckaufbewahrung am Bahnhof.« Wieder blickte er verlegen zu Boden. »Ich wußte nicht, wohin damit.«

      Jeff nickte, dann bog er aus dem Parkplatz auf die Straße. »Das holen wir morgen. Fürs erste bleibst du selbstverständlich bei mir.«

      Billy brachte ein schiefes Grinsen zustande. »Was wird denn deine Frau dazu sagen?«

      »Ich bin nicht verheiratet«, entgegnete Jeff, dann lächelte er. »Und meine geliebte Freundin hat im Augenblick herzlich wenig Zeit für mich.« Er sah Billy kurz an, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte, die zu dieser späten Stunde kaum noch befahren war. »Karina ist Assistenz-ärztin in der Thiersch-Klinik, und eigentlich wollte sie bei den heutigen Kämpfen zusehen, aber der gute Professor ist entsetzlich streng mit seinem Personal, und gerade den Assistenzärzten verlangt er eine Menge ab. Der lange Rede kurzer Sinn: Karina muß heute überraschend Nachtdienst verrichten.«

      »Arbeitest du auch in dieser Klinik?« wollte Billy wissen.

      Jeff schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin Anästhesist in der Waldsee-Klinik in Steinhausen. Dort wohne ich auch.«

      »Waldsee!« wiederholte Billy, als plötzlich die Erinnerung an die Worte seines Vaters zurückkehrte. »Meine Güte, genau das war es. Der Waldsee… dort muß Dad oft gewesen sein, als er noch in Deutschland lebte.«

      »Es ist ein wunderschönes Fleckchen Erde, du wirst sehen«, versicherte Jeff. »Und wenn du erst mal ein bißchen zur Ruhe gekommen bist, werden wir sicher Gelegenheit haben, uns eingehend zu unterhalten.«

      *

      Christina Walther hatte vergeblich auf einen Anruf von Alex gewartet. Schließlich hielt sie es nicht länger aus und suchte ihn erneut in seiner kleinen Dachwohnung auf.

      »Was willst du denn schon wieder?« fragte Alex unwirsch, doch diesmal ließ er sie wenigstens nicht auf dem Flur stehen, sondern ging ihr voran ins Wohnzimmer.

      »Alex, ich verstehe nicht…«, stammelte Christina. »Ich dachte… du liebst mich, doch jetzt… jetzt habe ich das Gefühl, als wäre ich dir nur im Weg.« Sie schwieg kurz. »Ist es… wegen des Babys?«

      Völlig desinteressiert winkte Alex ab. »Hör mal, Schätzchen, ob du ein Baby bekommst oder nicht, ist


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