Schwerwettersegeln. Peter Bruce

Schwerwettersegeln - Peter Bruce


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Skipper Ed Psaltis der siegreichen IMS-Yacht AFR MIDNIGHT RAMBLER. Sie kam als zehnte ins Ziel und hatte viele größere Yachten geschlagen. Sein Kommentar unmittelbar nach der Regatta:

      »Die 10,70 Meter lange AFR MIDNIGHT RAMBLER ist eine exotische Kunststoffkonstruktion. Es gab keine Anzeichen von Schäden an Rumpf, Rigg und der Kielverbindung, obgleich wir sie durch eine fürchterlich schlagende See trieben. Der Kiel ist aus Blei, ohne Wulst; der Rumpf hat keinen eingebauten Ballast. Die positive Stabilität reicht bis 123°. Die sieben Crewmitglieder hatten zusätzlich zu ihren weltweiten Erfahrungen zusammen 50 Sydney-Hobart-Regatten gesegelt.

      Während der acht Stunden, als es mit 70 bis 80 Knoten wehte und die Wellen sehr hoch waren, segelten wir nur mit der Sturmfock. Zeitweilig waren wir zu schnell, aber größtenteils lag das Ruder mit etwas Druck gut in der Hand. Unsere Versuche, das Trysegel zu setzen, brachten zu viel Ruderdruck.

      Wir hatten zwei wichtige Verteidigungswaffen: Geschwindigkeit und Beschleunigung. Unsere normale Geschwindigkeit betrug sieben Knoten, aber nach einem bösen Seeschlag oder einer Konfrontation mit einer großen Welle beschleunigte die Yacht aufgrund ihres geringen Gewichtes schnell. Das war wichtig, um durch die hohe und konfuse See zu steuern. Wir waren in der Lage, uns jederzeit in die richtige Position vor einer anrollenden Welle zu bringen. Andernfalls wäre die Yacht eine leichte Beute gewesen.

      Wichtig war, während des Sturms auf ein »Überlebens-Wachsystem« zu wechseln. Wir hatten immer nur zwei Leute an Deck. Einer saß an der Reling »im Angesicht des Sturms«. Er schützte den Rudergänger vor der wie aus Pistolen abgefeuerten Gischt und rief »Welle!«, wenn eine große anrollte. Der Rudergänger änderte den Kurs und drehte den Bug in die Welle, auf der Spitze der Welle zog er das Ruder scharf an und fiel auf den alten Kurs zurück. Kein Rudergänger sollte bei solch extremen Bedingungen mehr als eine Stunde Ruder gehen, denn es kann verheerende Folgen haben, wenn die Konzentration nachlässt.

      Ich würde nie empfehlen, eine Yacht zu wenden und mit der See abzulaufen. Viel besser ist es, den Bug in den Wind und die See zu stecken und 60° am Wind zu segeln. Die meisten Boote, die umgekehrt waren und vor dem Sturm abliefen, bekamen fürchterlichen Ärger.« image

      In aller Bescheidenheit bemerkt Alex Whit-worth, er vermute, BERRIMILLA habe wohl hinter der schlimmsten Zone des Sturms gelegen und Glück gehabt, nicht durchgekentert zu sein. Am Morgen nach dem Sturm sahen sie einen Hubschrauber, der nach der B52 Ausschau hielt, die in diesem Seegebiet durchgekentert war. Zufällig nahm Professor Peter Joubert, der die BERRIMILLA gezeichnet hatte, auf einer größeren, aber vergleichbar stabilen Yacht an der Regatta teil. Seine 13 Meter lange KINGURRA mit einem 6-Tonnen-Kiel wurde von einer enorm großen Welle total durchgekentert, richtete sich aber »innerhalb von fünf Sekunden« wieder auf. Der Sieger nach etwa zwölf Stunden aus der CHS-Division mit zwölf Yachten war die AERA, eine Swan 46, ein Yachttyp, der für sein großes aufrichtendes Moment bekannt ist. Der Skipper sagte:

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      Thierry Dubois klammert sich an seine durchgekenterte Yacht, die aufgrund ihrer extremen Breite in der Überkopflage stabil ist. Nur durch Entfernen der Luft im Inneren kann man sie wieder aufrichten. image AFP/PPL

      »Am Mittag des 27. Dezember nahm die Windgeschwindigkeit rasch auf Sturmstärke von 60 Knoten zu. Der Wind kam aus West. Die lange Erfahrung aus dem Segeln einer Swan 46 bei Schwerwetter zeigt, dass die Yacht auf allen Kursen genauso schnell unter Vorsegel läuft wie mit dem beigesetzten Groß. Aufgrund des Wetterberichtes lief AERA zu diesem Zeitpunkt nur mit der Sturmfock.

      Als die Wellen eine maximale Höhe von zehn Meter erreichten, war klar, dass es nicht klug war, den Generalkurs beizubehalten, sondern um 30 bis 50° vom Kurs abzuweichen und den Wind aus 110 bis 130° zu nehmen. Der Wind nahm ständig zu und war bald selbst für die Sturmfock zu viel. Wir kramten das Sturmstagsegel hervor. Damit konnten wir unseren Kurs und eine Geschwindigkeit von zehn bis elf Knoten halten.

      Der Sturm erreichte für zwei Stunden eine Stärke von bis zu 70 Knoten, in Böen von 75 bis 80 Knoten. Fünfzehn Prozent des Meeres waren Brecher. Der Wind fegte die Spitze jeder Welle davon. Dadurch bildeten sich lange Gischtstreifen. Das Wasser wurde von einer Wellenspitze abgerissen und bis zur nächsten getrieben. Die See sah aus, als wäre man von Rauchschwaden eingehüllt. Die Wellen hatten eine Länge von etwa 100 Meter; sie trugen aber nicht in solch einer Breite brechende Kämme, wie man vermutet. Sie leuchteten wie Diamanten. In dieser Periode wurden wir drei- oder viermal leicht aufs Wasser gedrückt, aber nicht über 45°. Das Cockpit wurde sieben- oder achtmal gefüllt. Wir behielten die Wache in voller Stärke von sechs Mann aufrecht. Der am meisten gefährdete Mann war der Rudergänger. Er wurde mehrmals von einer überkommenden See an die Heckrelingsstützen geschleudert.

      Nach mehreren Stunden nahm der Wind auf 50 Knoten ab. Wir konnten zusätzlich das Trysegel setzen und unseren Kurs um 20 bis 30° dem Generalkurs nähern. Gegen 17.00 Uhr jedoch zog sich der Himmel mit grauen Wolken vollständig zu, es begann fürchterlich zu schütten, und der Wind sprang wieder auf 65 Knoten.

      Wir mussten schnell das Trysegel bergen und auf den alten Kurs zurückgehen. Die Wellenlänge hatte auf 150 bis 200 Meter zugenommen. Obgleich wir Kurs Südwest liefen und die gleiche Geschwindigkeit hatten wie das Tief, schien dies sicherer zu sein, als auf Gegenkurs zu gehen. Das Tiefdrucksystem bewegte sich jedoch bald schneller weiter. Wir konnten wieder auf den Generalkurs gehen und mehr Segel setzen. Unser größtes Problem waren die automatischen Schwimmwesten, die sich aufbliesen, wenn ein richtiger Wasserguss an Bord kam. image

      Wir haben gesehen, dass eine ausreichend hohe Welle, die sich im kritischen Moment bricht, eine Yacht zum Kentern bringen kann, wenn sie seitlich getroffen wird – ungeachtet ihrer Stabilität. Was aber danach geschieht, ist entscheidend. Kommt sie innerhalb von fünf Sekunden wieder auf die Beine (wie Peter Jouberts KINGURRA) oder bleibt sie vier oder fünf Minuten auf dem Rücken liegen? Hätte sich die BUSINESS POST NAIAD so schnell wie die KINGURRA wieder aufgerichtet, wäre vermutlich kein Menschenleben zu beklagen gewesen.

      Trotzdem bleibt die Frage, ob Regattayachten mit extremer Form in der Lage sind, »schweren Stürmen zu widerstehen, und so präpariert sind, dass sie ernste Notfälle ohne Hoffnung auf Hilfe von außen durchstehen können«. Das ist das Kriterium für Hochseeregatten der Kategorie 1.

       Weitere Lehren aus diesem Desaster waren:

      1.Noch kleinere Sturmsegel für Winde in Orkanstärke (siehe Kapitel 17).

      2.Zu viele Hilfsmittel an Rettungsreifen gebunden.

      3.Ungenügende Kenntnis der Crew über die Sicherheitsausrsrüstung.

      4.Keine Funkverbindung mehr möglich nach Mastbruch.

      Auf die Frage, mit welcher Taktik sie am besten fuhren, antworteten die meisten Crews, dass es am komfortabelsten sei, wenn man mit einem Schrick in der Schot um 15° abfällt.

       Stabilität, Anforderung und Beurteilung

      Ich danke nochmals Barry Deakin vom Wolfson Unit für seine Ausführungen:

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       Stabilitätsdaten, die Barry Deakin vom Wolfson Instituts in Southampton nach Angaben der Royal Yachting Association und des Royal Ocean Racing Clubs zusammengestellt hat. Die Diagonale zeigt die Mindestanforderung für kommerziell genutzte Yachten im Charter- oder Ausbildungsbetrieb für weltweite Fahrt. Die Dreiecke stehen für eine Vielzahl moderner Serienyachten.


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