Griechische Mythologie. Ludwig Preller
Ζεὺς ϑῆκεν καὶ ἔδωκε κατακτάμεν ἥν κ' ἐϑέλῃσϑα, und selbst die Sirenen auf der Hand des Cultusbildes zu Koronea, Paus. 9, 34, 2, deuten vielleicht auf Todesgefahr.
343 So die bekannte Fabel von dem säugenden Herakles und der Milchstraße, daher nach der späteren Fabel auch andere sterbliche Kinder des Zeus, auch Dionysos, als Säuglinge von der Brust der Himmelskönigin trinken. Eratosth. Catast. 44 οὐ γὰρ ἐξῆν τοῖς διὸς υἱοῖς τῆς οὐρανίου τιμῆς μετασχεῖν, εἰ μή τις αὐτῶν ϑηλάσει τὸν τῆς Ἥρας μαστόν.
344 Das älteste Bild der argivischen Hera, für deren Priesterin Io Kallithoe galt, war ein langer Pfeiler, κίων μακρός, nach der Phoronis b. Cl. Al. Strom. 1, 24 p. 418, das der kithaeronischen in Thespiae ein πρέμνον ἐκκεκομμένον, das der samischen zuerst ein Brett, σανίς und erst später ἀνϑρωποειδές, Cl. Al. Protr. p, 40. Vgl. Thiersch Epochen 19 und zur Kunstm. der Hera überhaupt Böttiger Bd. 2, O. Müller Handb. § 352. 353, D. A. K. 2 t. 4. 5, Braun K. M. t. 23–26.
345 Paus. 1, 1, 4; 8, 9, 1; 9, 2, 5.
346 R. Rochette Peint. d. Pomp. t. 1, Ternite t. 22, Niccotini t. 2.
3. Hephaestos.
Der Gott des Feuers, des strahlenden und wärmenden, wie es als Elementarkraft durch die ganze Natur verbreitet ist und im Wasser sowohl als auf dem festen Lande durch vulkanische Thätigkeit oder Jahreshitze so außerordentliche Dinge wirkt: eine formenbildende Macht welche sich vollends im menschlichen Leben, wo das Feuer zum Princip der Kunst wird, aufs allerglänzendste bewährt. Hephaestos ward als der in allen diesen Wirkungen und Thätigkeiten sich offenbarende Gott gedacht347. Weil alles Feuer vom Himmel stammt, ist er der Sohn des Zeus und der Hera, und zwar nach Hesiod th. 927 und andern theogonischen Ueberlieferungen ein Sohn des Streites zwischen Zeus und Hera, was man auf den zündenden Strahl des Gewitters deuten möchte. Aehnlich die lemnische Sage Il. 1, 560 ff., nur daß Hephaestos hier schon geboren ist und der Streit des himmlischen Paares durch den Haß der Hera gegen Herakles motivirt wird, weswegen Zeus gegen diese wüthet. Hephaestos will der Mutter beistehen, da packt ihn der Vater bei dem Fuße und wirft ihn hinab von der göttlichen Schwelle (ἀπὸ βηλοῦ ϑεσπεσίοιο) d. h. vom Olymp, so daß er einen ganzen Tag lang fällt, mit Sonnenuntergang aber in Lemnos niederstürzt, kaum noch athmend; aber die Sintier haben seiner gepflegt daß er wieder zu sich kam. Nach einer andern Tradition kam Hephaestos lahm zur Welt, weshalb Hera sich seiner schämt und ihn vom Olymp in den Okeanos wirft, wo Eurynome und Thetis ihn schützend aufnehmen. Neun Jahre blieb er nun bei ihnen und schmiedete viele kunstreiche Werke in der gewölbten Grotte, tief im Okeanos, der ihn mit schäumenden Wogen umrauschte, kein Wesen wußte davon, weder ein Gott noch ein Mensch, blos jene beiden Meeresgöttinnen die ihn gerettet (Il. 18, 395 ff.). Wahrscheinlich werden dadurch die Wunder der vulkanischen Kräfte angedeutet, wie sie immer in der Nähe des Meeres oder unmittelbar aus seiner heimlichen Tiefe viele kunstreiche Bildungen, ja ganze Inseln und Berge hervorsteigen lassen, wovon das griechische Meer so viel Erfahrung bot, noch bis in die neueste Zeit auf Santorino: während bei jener lemnischen Fabel die Thätigkeit des ehemaligen Vulkans Mosychlos der natürliche Grund ist, ein Berg dessen jetzige Gestalt den ehemaligen Vulkan noch sehr deutlich verräth. Immer ist Hephaestos lahm, daher die alten epischen Epithete Κυλλοποδίων d. h. Krummbein und Ἀμφιγυνήεις d. h. auf beiden Beinen lahm, ohne Zweifel um die wackelnde und flackernde Natur der Flamme auszudrücken, wie dieses bei andern Völkern durch dasselbe Merkmal des Feuergottes geschieht348. Doch würde man ihm Unrecht thun, wenn man ihn deshalb überhaupt für mißgestaltet hielte. Vielmehr ist er sonst rüstig und kräftig und nur in den Beinen sitzt ihm die Schwäche349, die zart und dünne sind und einer künstlichen Stütze bedürfen, wie in der Ilias 18, 417 die künstlich aus Gold gefertigten Mägde, auf Bildwerken ein Stab sie ihm bieten. Im Uebrigen ist er ein tüchtiger Schmied, von kräftigen Armen, die mit Hammer und Ambos umzugehen gewohnt sind, und von nervichtem Nacken und haarichter Brust (Il. 18, 410. 415).
In der Ilias 18, 382 ist Charis seine Gattin, bei Hesiod th. 945 Aglaja die jüngste der Chariten, weil diese bei aller Anmuth betheiligten Göttinnen die natürliche Umgebung des Meisters aller reizenden Werke sind. Dagegen ist die Sage von seiner Verbindung mit der Aphrodite vermuthlich lemnischen Ursprungs, da beide Gottheiten seit alter Zeit auf dieser Insel neben einander verehrt wurden, beide zunächst als Naturmächte; doch pflegte das Epos solchen Fabeln immer eine andere Wendung zu geben. Hier kam hinzu daß in einem andern Cultus, gleichfalls in einem sehr alten und angesehenen, dem zu Theben nehmlich, Aphrodite für die Gattin des Ares galt, woraus sich von selbst jene muthwillige Geschichte bildete welche Demodokos bei den Phaeaken singt (Od. 8, 226 ff.): wie Aphrodite lieber den stattlichen Kriegsgott als den rußigen und hinkenden Schmied mag, aber dafür mit ihrem Buhlen durch die listige Kunst des Hephaestos schmählich gezüchtigt wird. Ueberhaupt hatte Hephaestos große Anlage zur komischen Figur und das attische Satyrdrama sowohl als die travestirende Komödie haben denn auch von dieser Figur einen sehr reichlichen Gebrauch gemacht.
In Attika erscheint Hephaestos in einem eigenthümlichen Verhältniß zur Athena, wovon bei dieser die Rede sein wird. Außerdem galt er immer für nahe befreundet mit Dionysos, dem Gott des Weins und des Frühlings, wobei höchst wahrscheinlich wieder die Wirkung der vulkanischen Kraft auf den Erdboden zu Grunde liegt. So war Lemnos bei den Alten wegen seines Weinbaus berühmt und es ist schon von andrer Seite bemerkt worden350 daß wahrscheinlich daraus die drollige Gestalt des Hephaestos entsprungen ist, wie er auf dem Olymp unter den Göttern als Mundschenk hin und her humpelt, gutmüthig zum Frieden sprechend, während sie vor Lachen bersten wollen über den ungeschickt Geschäftigen (Il. 1, 597 ff.). Aehnliche Fabeln gab es auf Naxos, deren Fruchtbarkeit auch auf vulkanischen Wirkungen zu beruhen scheint, da nach der alten Sage Hephaestos und Dionysos um diese Insel stritten351.
Zu einer sehr lustigen und doch auch wieder sehr ernsten Geschichte war die Kameradschaft und Brüderschaft zwischen Hephaestos und Dionysos in dieser Mythe geworden. Um sich an der Mutter zu rächen, die ihn so schmählich vom Olymp heruntergeworfen hatte, schickt Hephaestos der Hera aus seinem Versteck in der Meerestiefe einen goldenen Thron mit unsichtbaren Fesseln (ἀφανεῖς δεσμοὺς ἔχοντα). Als sie sich darauf setzt, ist sie gefesselt und Niemand vermag sie zu lösen, daher die Götter die Rückkehr des argen Meisters beschließen, sei es in Güte oder mit Gewalt. Ares versucht die letztere, wird aber vom Hephaestos mit Feuerbränden heimgeschickt, bis endlich Dionysos ihn betrunken macht und so auf den Olymp zurückführt, wo Hera nun auch wieder gelöst wird. Diese Fabel muß den griechischen Dichtern und Künstlern sehr geläufig gewesen sein, obgleich wir davon nur durch Bruchstücke und durch Vasenbilder erfahren. Sappho Alkaeos und Pindar hatten davon gesungen und Epicharms Laune hatte sie früh ins Komische gezogen352. Im altertümlichen Tempel der Athena Chalkioekos zu Sparta, am Throne des Apoll zu Amyklae, endlich im Heiligthum des Dionysos zu Athen sah man bildliche Darstellungen davon353, und von dem Gemälde in dem zuletzt genannten Tempel mögen die vielen attischen Vasengemälde stammen