Griechische Mythologie. Ludwig Preller
begleitet von Dionysos und Silenen und Nymphen auf den Olympos zurückkehrt354. Der tiefere Grund der Fabel ist aber auch hier die Beobachtung des Naturlebens. Ueberall wächst im Süden der beste, der feurigste Wein in vulkanischen Gegenden, am Vesuv, auf Ischia, am Aetna, auf Santorino u. s. w.; daher sind Dionysos und Hephaestos sehr gute Freunde. Hera aber, die Göttin der Luft, wird von Hephaestos gefesselt in demselben Sinne wie Hera Athena und Apoll den Zeus fesseln wollen und wie Kronos seine Kinder verschlingt d. h. die heiße Gluth des Sommers thut dem Himmel Gewalt an, so daß sich wie wir zu sagen pflegen kein Lüftchen regt. Im Frühlinge aber, wo die volle Lust des Dionysos blüht, wo Hephaestos wie Horaz Od. 1, 4, 6 dichtet die Essen der Kyklopen schürt355 und bei seiner heißen, alle Natur durchwärmenden Arbeit mit seinem Freunde Dionysos gelegentlich über den Durst trinkt, im Frühlinge kehren auch der Luft ihre Kräfte und ihre Wolken wieder. Es rührt und regt sich wieder Alles oben und unten und die lustigen Brüder der Hitze und des feurigen Weines kehren zurück auf den Olymp und reichen auch den Göttern frischen Wein aus goldenen Schalen.
Unter den örtlichen Diensten ist der von Lemnos für die älteste Mythologie von großer Wichtigkeit und auch sonst von nicht geringem Interesse. Der Vulkan auf dieser Insel muß in alter Zeit sehr thätig gewesen sein und scheint erst in der Zeit Alexanders des Großen ganz erloschen zu sein356. Wie der Krater des Aetna, so galt auch er für eine Schmiede des Hephaestos, wie davon die Ilias und die Odyssee und die Orionssage von Chios erzählen. Von allen Ländern ist dem Hephaestos Lemnos das liebste, Lemnos mit den barbarischen Sintiern, die seiner Schwäche so freundlich gepflegt hatten (Od. 8, 284. 294). Die Alten erklärten sie später für ein thrakisches Volk und die ersten Waffenschmiede, doch fragt es sich sehr ob sie nicht eben so mythische Gestalten sind wie die sonst den lemnischen Hephaestos umgebenden. So sein Bursche oder sein Lehrer in der Schmiedekunst Κηδαλίων, was wahrscheinlich Feuerbrand bedeutet357, eine Figur die auch in der Sage von Chios und Naxos vorkommt und auf der attischen Bühne wie sein Herr und Meister zur lustigen Person geworden war. Ferner die Kabiren, von denen in den lemnischen Sagen und auf allen benachbarten Inseln und Küsten viel die Rede war: dämonische Gestalten von ähnlicher Art wie die Kureten, die Korybanten, die Satyrn u. a. d. h. solche welche den großen Cultusgöttern in verschiedenen Beziehungen dämonischer Naturwirkung beigeordnet wurden; und zwar scheinen die Kabiren auf Lemnos und im Dienste des Hephaestos oder als seine Söhne gleichfalls die vulkanischen Kräfte der Insel zu bedeuten, welche zugleich den Wein und die Feldfrucht zeitigten, daher die Erzählung von ihnen auch in das Gebiet des Dionysos und der Demeter hinüberspielt358. Gleich unter dem Mosychlos befand sich auch der alte Tempel des Hephaestos, an demselben Orte wo nach der Sage einst von hoher Schwelle die feurige Lohe herabfuhr und wo Prometheus nach Aeschylos seinen Raub ausgeführt hatte359. Die an einer Bucht der nördlichen Küste gelegene Stadt Hephaestias zeugt sowohl mit ihrem Namen als mit ihren Münzen von diesem alten Feuerdienste. Ein besonders bedeutungsvoller Gebrauch desselben war daß die Insel jährlich einmal, angeblich wegen alter Verschuldung, unter schwermüthigen Gebräuchen gereinigt wurde, an welchem Tage alles Feuer ausgelöscht wurde und vor neun Tagen nicht wieder angesteckt werden durfte, bis das heilige Schiff von Delos kam und neues Feuer brachte, welches nun in alle Häuser und in alle Werkstätten vertheilt wurde und der Anfang eines neuen Lebens war, wie man sich ausdrückte360. Es spricht sich darin deutlich dasselbe Gefühl aus welches auch die Sage vom Prometheus durchdringt, daß das irdische Feuer von dem himmlischen abstamme und daß es durch Anwendung auf das menschliche Leben verunreinigt werde, seine Reinheit also durch Buße und Sühnung und Rückkehr zu der ursprünglichen Quelle wiederhergestellt werden müsse.
Im attischen Hephaestosdienst erscheint dieser Gott aufs engste verbunden mit der Athena, in der Sage von der Geburt des Erichthonios sogar als ihr verschmähter Liebhaber, im Cultus als der ihr durch künstlerische Thätigkeit aufs engste verbundene Freund, er und Prometheus, welcher neben beiden verehrt und gefeiert wurde (S. 71). So wurde am letzten Pyanepsion (October) das Fest der Χαλκεῖα der Athena und dem Hephaestos gemeinschaftlich begangen, ursprünglich in allgemeinerer Bedeutung, später in den Kreisen der in Feuer arbeitenden Künstler und Handwerker, die den Hephaestos als ihren besonderen Schutzpatron verehrten361. Auch die in demselben Monat gefeierten Apaturien d. h. das Fest der Phratrien, ein den Atheniensern mit den übrigen Joniern gemeinsames Nationalfest, gedachten neben dem Zeus Phratrios und der Athena Phratria oder Apaturia vorzüglich des Hephaestos, welcher in diesem Zusammenhange als der Schutzgott des Feuerheerdes und des um ihn gesammelten Familienlebens erscheint, wie sonst Hestia. Die Männer pflegten in diesen Tagen Fackeln am Heerde anzuzünden und im festlichen Anzuge dem Hephaestos zu opfern und ihn als den Feuergeber und den Stifter des Lebens in geschützten Wohnungen zu preisen, ihn und Athena, seine Genossin in aller sinnreichen Erfindsamkeit362. Endlich galt auch das in Athen sehr beliebte Spiel des Fackellaufs dem Hephaestos, der Athena und dem Prometheus, wie es denn auch auf Lemnos geübt wurde und eigentlich nur ein Ausdruck der Freude über das neugewonnene Element des Feuers sein sollte. In Athen fand ein solcher Wettlauf regelmäßig statt an den Panathenaeen, den Hephaesteen und den Prometheen363. Die Jünglinge liefen dann in einer vorgeschriebenen Distanz, gewöhnlich von der Akademie bis in die Stadt, mit brennenden Fackeln oder Lichtern, wobei zuletzt dem Jünglinge oder der Partei, welche die Fackel brennend ans Ziel brachte, ein Siegespreis ertheilt wurde.
Endlich für die westlichen Griechen war der Aetna mit den darunter liegenden liparaeischen Inseln, ferner das südliche Campanien mit seinen ganz vulkanischen Buchten und Inseln in der Gegend von Pozzuoli ein natürlicher Mittelpunkt der Hephaestosverehrung. Namentlich galt eine von jenen Inseln, man nannte sie die heilige oder die Hephaestosinsel, für die Wohnung und Schmiede des Feuergottes, den man dort mit seinen Kyklopen rasseln und toben hörte364 ; man brauchte nur ein Stück rohes Eisen und ein Stück Geld dahin zu tragen, so hatte man am andern Morgen ein Schwerdt oder was man sonst wollte365. Auch der Krater des Aetna und seine Lavaströmungen leiteten dazu an dieses Bild weiter auszumahlen366 und die Kyklopen, jene alten Dämonen des Feuers und des Blitzes wurden, nachdem man sich gewöhnt hatte die Homerischen und die Hesiodischen für identisch zu halten, immer bestimmter in den Umgebungen des Aetna angesiedelt. Daher Hephaestos in die Sagen und Genealogieen von Sicilien vielfach verflochten war. Wie er um Naxos mit Dionysos gestritten hatte, so mit der Demeter um Sicilien, und mit der Aetna zeugt er die vulkanischen Sprudelquellen der beiden Paliken, während andere Sagen diese für Söhne seiner Tochter Thalia d. h. der Blühenden und des Zeus hielten367. Also galt das Feuer auch hier zugleich für die dämonische Macht der vulkanischen Zerstörung und für die der Befruchtung des erhitzten Erdbodens.
Außerordentlich häufig sind die Stellen, wo Hephaestos und das Feuer als gleichbedeutend genannt werden368, eben so häufig die Prädicate und Erzählungen die ihn als Feuerkünstler characterisiren (κλυτοτέχνης), als den von allen möglichen Werken überströmenden, allezeit dienstwilligen Schmied, den emsigen, rüstigen, Alles beschenkenden, wie wir ihn besonders bei dem Besuche der Thetis Il. 18, 369 ff. kennen lernen. Gewöhnlich sind seine Werke Metallarbeiten, Waffen, (auch die Aegis des Zeus Il. 15, 310), Schmucksachen, Geräthe, ganze Häuser, wie Hephaestos denn mit solchen Arbeiten nicht blos den Olymp, sondern auch die meisten Heroen ausstattet. Wo ein altes seltenes wunderschönes Prachtstück in der Mythologie