Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt

Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt - Jacob Burckhardt


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Abschnitt die Rede gewesen. Jeder Nomos oder Distrikt verehrte sein besonderes Tier, das Schaf, den Wolf, den Pavian, den Adler, den Löwen, den Bock, die Spitzmaus usw. Allgemeine Verehrung genossen vor allem die beiden berühmten Stiere: der Mnevis, welcher beim Tempel von Heliopolis in einer Kapelle noch zu Strabos Zeit unterhalten wurde, und der Apis, in welchem die Seele des Osiris fortleben sollte, zu Memphis. Es gab nicht zu jeder Zeit einen schwarzen Stier mit weissem Stirnfleck und mondförmigem Seitenfleck; im vierten Jahrhundert musste einst lange darnach gesucht werden332. Fand man ihn, so wurde er in ehrfurchtsvoller Prozession, samt der Kuh, die ihn geboren, nach Memphis geführt, wo ihn hundert Priester in Empfang nahmen und in den Tempel brachten, der ihm zum Stalle dienen sollte. Hier und in dem davor liegenden Hof beschauten ihn die Fremden und fanden in jeder seiner Bewegungen eine Vorbedeutung. Als er einst dem Germanicus nicht aus der Hand fressen wollte, ahnte den Leuten nichts Gutes. – In Arsinoë gab es noch immer Priester, welche die dort göttlich verehrten Krokodile zu zähmen, wenigstens zu füttern verstanden. – Unter den zahllosen göttlich verehrten Naturwesen durfte endlich das mächtigste, dem ganz Ägypten sein Dasein verdankte, nicht fehlen; der Nil hatte sein eigenes Priesterkollegium von Eunuchen, welche ihn mit Opfern »bewirteten und wohlleben liessen«, damit er es dem Lande wieder vergelte. Constantin, der sie laut Euseb333 abgeschafft haben soll, blieb bei der blossen Absicht stehen, wenigstens sind sie nachher noch lange vorhanden. Was er tun konnte, beschränkte sich vielleicht auf die Übertragung des Nilmessers von Serapeum in eine christliche Kirche.

      Plutarch, der seinen Gegenstand durchaus mit Ernst behandelt, gibt doch zu verstehen, dass auch unter den Ägyptern Menschen vorhanden waren, welchen des Aberglaubens und besonders des Tierkultus zu viel wurde. »Während die Schwachen und Einfältigen«, sagt er, »in eine ganz unbedingte Superstition verfallen, müssen kühnere und trotzigere Menschen auf gottesleugnerische, wilde Gedanken geraten.« – Es wird nun zu erörtern sein, wie vieles von dieser Religion das blühende und später das sinkende Rom sich aneignete und in welchem Sinne.

      Abgesehen von der bloss künstlerischen Aneignung, welche namentlich zur Zeit Hadrians eine ganze Anzahl ägyptischer Figuren und Dekorationsformen nach Rom brachte, ist es fast ausschliesslich der Kreis der Isis, welcher seit Jahrhunderten in der griechischen und römischen Religion Aufnahme gefunden hatte.


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