Time of Lust | Band 2 | Absolute Hingabe | Roman. Megan Parker
Ist sie verletzt?«
»Nein, Santiago hat sie beide gehen lassen. Victoria durfte nur ihre Schuhe nicht behalten. Das ist aber bei Judes Vermögen kein wirkliches Problem.«
Jude ... Victoria ... ich musste nachdenken.
»Wieso kommt er uns besuchen?«, fragte Hayle.
David nahm seine Hand. »Um genau zu sein, will er mich besuchen. Ich werde euch beide bitten, mich mit ihm allein zu lassen.«
Hayle stand betroffen auf und ging in sein Zimmer, woraufhin David sich an mich wandte: »Ist das für dich auch ein Problem?«
Ich schüttelte den Kopf. David kam mir näher und küsste mich auf die Wange. Ich legte meine Arme um seinen Hals und fühlte mich dann doch etwas eigenartig. Der Gedanke, David teilen zu müssen, schmerzte.
»Jude kommt morgen Nachmittag«, erklärte er.
»Kann ich ihn auch sehen?«
»Ja, kurz. Ich möchte, dass du danach mit Hayle irgendwohin gehst ... shoppen, essen, Kino, egal ... drei Stunden. Bitte, tu das für mich.«
Ich schluckte schwer und nickte.
David küsste mich noch einmal. Kurz darauf erhob er sich und holte Hayle zu sich ins Zimmer.
***
Am nächsten Morgen war ich weit nervöser als David. Ich wollte mich hübsch machen für Jude und benötigte dafür gute zwei Stunden im Bad. David und Hayle schliefen sehr lange, sie ließen das Frühstück aus und gingen gemeinsam auswärts Mittagessen. Die Stunden wollten nicht vergehen und meine Nervosität steigerte sich noch, als mir die Idee kam, dass eigentlich Jude die Lösung für mein größtes Problem wäre ... wenn doch nur ich diejenige sein könnte, die mit ihm ein paar Stunden verbringen durfte. Vielleicht sollte ich meine Gedanken mit David teilen, es wäre doch auch in seinem Interesse. Andererseits hätte er selbst daran denken können und die Tatsache, dass er es nicht tat, ließ mich vermuten, dass er es nicht erlauben würde. Ich musste eigene Pläne schmieden. Fünf Minuten ... mit Jude ... nur fünf Minuten. Irgendwie musste sich das doch einrichten lassen.
Ich versuchte, mit meinem Outfit seinen Geschmack zu treffen. Also wählte ich eine nachtblaue hautenge Hüfthose, die seidig glänzend schimmerte – Jude mochte enge Hosen bei Mädchen – und dazu eine himmelblaue Korsage, schulterfrei, im Rücken geschnürt.
Gegen sechzehn Uhr klingelte es an der Gegensprechanlage und vor Schreck blieb mir fast das Herz stehen. Hayle und ich warteten im Wohnzimmer. David öffnete die Tür. An den zwei Säulen im Eingangsbereich vorbei konnte ich Jude sehen, wie er mit Victoria unsere Wohnung betrat. David half ihm aus dem Mantel und begann ihn danach innig zu küssen. Vicky sank neben Jude auf die Knie – ich hatte die Rituale von Ivory schon fast vergessen, aber so schrieb es die Etikette vor, wenn zwei Männer im Beisein eines Mädchens intim wurden. Auch ich drehte mich schließlich um. Hayle saß auf der auf der Couch und befasste sich vorgeblich mit einer Zeitung.
Als ich wieder hinsah, waren alle drei bereits auf dem Weg ins Wohnzimmer. Jude warf mir einen kurzen Blick zu, reichte dann aber zuerst zu Hayle die Hand. Ich stand am Fenster und beobachtete, wie David nun Victoria küsste. Sie war plötzlich völlig aufgelöst, gierte mit ihren Händen nach ihm, durchkämmte seine Haare, hielt sich an seinen Schultern fest und machte ihm schluchzend Vorwürfe: »Du warst einfach weg ... ohne dich zu verabschieden ... wir wussten gar nichts.«
David nickte stumm und küsste sie weiter, als könnte seine Leidenschaft sie trösten. Es machte mich fertig, dass ich nicht wusste, was er auf Ivory mit Victoria erlebt hatte ... ob er jemals mit ihr geschlafen hatte.
Jude lächelte mich an, als er sah, wie ich die beiden mit offenem Mund beobachtete – aber sofort war meine Aufmerksamkeit bei ihm. Erst jetzt wurde mir wieder bewusst, wie attraktiv er war. Seine Schönheit blendete in meinen Augen. Er kam auf mich zu und legte eine Hand an meine Taille. Doch ich wandte mein Gesicht von ihm ab.
»Willst du mich nicht küssen?«, hauchte er lasziv.
Das wollte ich durchaus. Aber nicht vor David! Es brach mir das Herz, mit ansehen zu müssen, wie er Victoria küsste und umarmte. Ich wollte David nicht gleichermaßen verletzen. Doch Judes strenger Blick fesselte mich und ich traute mich nicht, ihm zu widersprechen. Nur zögerlich schüttelte ich meinen Kopf, denn ich fürchtete mich vor seiner Reaktion. Aber Jude zeigte edle Toleranz, er nickte und trat von mir zurück. Plötzlich erhob sich Hayle, um ihm leise etwas anzuvertrauen: »Schlag sie, wenn du ein richtiger Mann bist!«
Leicht perplex sah Jude ihn an. »Was hat dich geritten?«
»Sie steht auf so was, glaub mir«, flüsterte Hayle.
Ich war fassungslos. Wie konnte er so etwas nur tun? Als ob man das Jude zweimal sagen müsste.
»Du hast doch keinen blassen Schimmer davon, was sie für mich empfindet«, konterte Jude selbstsicher. »Soll ich dir erklären, warum sie mich nicht küssen will?« Er wandte sich nun an mich und sprach so langsam, als wollte er mich mit einem Fluch belegen: »Es würde alles vorweg nehmen ... Sie ist noch nicht bereit dafür, meine plötzliche Nähe zu ertragen. Viel lieber würde sie vor mir auf die Knie fallen, sich auf dem Boden vor mir ausstrecken, um mit ihren Lippen meine Schuhe zu berühren.«
Hayle lachte. Ungläubig setzte er sich wieder auf die Couch. Jude hingegen kam zu mir und sah mir fest in die Augen. Zärtlich legte er eine Hand an meine Wange, dann hauchte er in mein anderes Ohr: »Sieh zu mir auf ... bete mich an ... hebe mich in deinen Himmel!«
Stechende Gänsehaut lief über meinen Körper. Sofort spürte ich pochende Erregung in meinem Unterleib. Sehnsüchtig wich alle Luft aus meinen Lungen und formte sich zwischen meinen Stimmbändern zu einem leisen Stöhnen, das ihm ein hingebungsvolles »Ja« bedeuten wollte. Mit seinen perfekt gewählten Worten saugte er alle Energie aus meinem Körper, er machte mich willenlos und ihm ergeben. Ich vergaß alles um mich herum, und als er daraufhin wieder zwei Schritte von mir zurücktrat, sank ich auf meine Knie ... Ich legte mich flach ausgestreckt vor ihm auf den Boden und küsste, erfüllt von tiefer Hingabe, seine Schuhspitzen.
»Jude, lass das!«, vernahm ich schmerzhaft Davids Stimme und im nächsten Moment packte er mich am Oberarm und zwang mich aufzustehen. Böse sah er mich an – so, wie man ein kleines Mädchen ansieht, das sich unartig benommen hatte – aber ich musste erst wieder zu mir kommen. David setzte mich neben Hayle auf die Couch und ich hielt mir beide Hände vors Gesicht. Ich wollte heute nicht mehr sprechen. Zu schön war dieses prickelnde Gefühl in meinem Bauch. Jude hatte genau meinen wunden Punkt getroffen. »Sieh zu mir auf ... bete mich an ... hebe mich in deinen Himmel ...« Seine Worte wiederholten sich unentwegt in meinem Kopf. Wie eine Droge breiteten sie sich in meiner Blutbahn aus. Ich konnte kaum noch klar sehen ... sogar Jude, der mir jetzt gegenüber saß, verschwamm in meinem Blickfeld. Aber es fühlte sich herrlich an, im selben Raum mit einem Mann zu sein, den ich hemmungslos anbeten durfte.
David und Victoria setzten sich zu uns. Sie berührte mich beiläufig mit ihrer Hand zur Begrüßung. Das war so üblich. Santiago wollte keinen intimen Kontakt zwischen Mädchen. Wir küssten einander nie auf die Wange und schon gar nicht auf den Mund. Er verabscheute lesbische Liebe und jedes Anzeichen, das darauf schließen ließ. Ich versuchte tief durchzuatmen, um mehr Sauerstoff in mein Gehirn zu bekommen, damit ich der Unterhaltung zwischen David und Jude folgen konnte.
»Wie geht es Santiago?«, fragte David.
»Er ist angeschlagen. Aber er wird auch das wegstecken«, entgegnete Jude. »Ich kann dir wirklich nicht mehr erzählen, David. Du weißt, die Schweigepflicht.«
David wandte sich an Victoria: »Sagst du es uns?«
Doch sie schüttelte den Kopf und Jude lächelte sie mitfühlend an. »Du darfst ihr das nicht übel nehmen, sie hat kein Geld bekommen, sie schützt ihn aus anderen Motiven. Genau wie Zahira.«
David verdrehte die Augen. »Darf ich den Zeitpunkt wissen, wann es war?«
»Vor einer Woche.«
»Damian hat