Quantumdrift. Tilo Linthe

Quantumdrift - Tilo Linthe


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schüttelte den Kopf.

      "Da war kein Feld."

      Theresa hielt inne und machte plötzlich ein ernstes Gesicht.

      "Kein Feld? Das ist merkwürdig."

      Sam verstand nun gar nichts mehr, und sein Gesichtsausdruck schien das deutlich zu spiegeln, denn Theresa erklärte ihm unaufgefordert: "Diese Portale erlauben es einem, von einer Station zur anderen zu reisen. Du betrittst es und kommst im gleichen Augenblick im Feld der Gegenseite wieder heraus. Ein einziger Schritt - du sparst dabei mehrere Wochen Flugzeit. Wir nennen es 'Sprung'." Noch einmal fragte sie: "Und du bist sicher, dass du dich nur einfach nicht erinnerst?"

      "Da war kein Feld", insistierte Sam. "Das wäre mir doch aufgefallen."

      "Okay, dann ist die Sache ernster als ich bisher angenommen hatte. Die Vinculan müssen eine Möglichkeit gefunden haben, das Transportnetz zu stören. Wenn Arrival abgeschaltet ist, kommen keine Neuen von der Erde mehr hier an."

      Eine Weile wickelten sie schweigend den Draht auf den vor ihnen schwebenden Eisenkern. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, wobei Sam versuchte, das, was er gerade gehört hatte, zu verarbeiten. Portale, die Menschen in wenigen Augenblicken über kosmische Distanzen transportierten? Wie konnte das möglich sein? Warum war Arrival so wichtig? Warum war er selbst so wichtig? Er wollte nicht wichtig sein, sondern nur einen Ort, an dem er nicht wie ein Fremdkörper behandelt wurde, wie jemand, der nicht dazugehörte.

      "Vorsicht!", rief Theresa plötzlich.

      Der Eisenkern driftete auf die benachbarte Maschine zu. In seine Gedanken vertieft hatte Sam die Bewegung gar nicht bemerkt - nun ließ sie sich nicht mehr stoppen. Gemeinsam stemmten sie sich gegen den Eisenzylinder, der auf der Erde mehrere Hundert Kilo wiegen musste. Aber die Massenträgheit schob ihn unerbittlich weiter, als hätte der seelenlose Eisenstab plötzlich einen eigenen Willen. Mit einem lauten Knall durchstieß er die Verkleidung der Maschine und drang bis in ihre Eingeweide vor. Lichtbögen elektrischer Entladungen tanzten aus der gezackten Öffnung hervor.

      "Was treibt ihr denn da?!", ertönte hinter ihnen auch schon Reinigers Stimme.

      Hatte er die ganze Zeit dagestanden und sie beobachtet? Er schoss einen vorwurfsvollen Blick auf Sam ab, als wäre sonnenklar, dass nur der Zivilist für diese Panne verantwortlich sein konnte.

      "Beruhig dich wieder, Horst. Der Generator war sowieso hinüber und wäre bis zur Generalüberholung ohnehin nicht mehr repariert worden." Sie zeigte lässig auf die gezackte Öffnung, aus der immer noch vereinzelt elektrische Blitze zuckten.

      Der Eisenstab schwebte wieder auf sie zu.

      "Ach, und uns geht es auch gut. Danke der Nachfrage", fügte sie sarkastisch hinzu.

      Als Antwort knurrte Reiniger nur etwas vor sich hin. Sam bewunderte Theresas Selbstbewusstsein, mit dem sie jetzt in die Offensive ging.

      "Es wäre übrigens schön, wenn du mit anpacken könntest. Der Stab ist ganz schön schwer."

      "Du meinst wohl: Er hat eine ganz schön große Masse. Schwer kann er in der Schwerelosigkeit schließlich nicht sein", belehrte Reiniger sie, wenn auch in versöhnlichem Tonfall.

      Zu dritt stoppten sie die Bewegung des Eisenkerns. Theresa drehte sich zu Sam und rollte verschwörerisch mit den Augen, Reiniger warf ihm einen letzten vorwurfsvollen Blick zu und zu dritt stoppten sie die Bewegung des Eisenkerns. Dann verschwand der Cheftechniker wieder. Die Wickelarbeit ging weiter, jetzt noch vorsichtiger.

      "Also, wo waren wir?", fragte Theresa, ehe ihr wieder einfiel: "Ach ja. Die Stationen. Wie gesagt - durch sie kann man bequem und komfortabel im Big-Five-System herumreisen."

      "Außer neuerdings von Arrival aus …", bemerkte Sam.

      "Ja, und das ist ein echtes Problem. Hier kommen sämtliche neuen Rekruten von der Erde an. Soweit wir wissen, ist das auf Arrival das einzige interstellare Portal - das Tor zu diesem Sonnensystem. Wenn das nicht mehr funktioniert, können wir bald einpacken."

      "Kann man das Portal nicht wieder in Betrieb nehmen?"

      "Wenn das nur so einfach wäre … Wir verstehen nicht einmal das ihm zugrunde liegende Prinzip. Die Portale widersprechen den Gesetzen der Natur, die wir von der Erde kennen. Wie willst du so etwas wieder in Betrieb nehmen? Keine Chance."

      "Lass mich raten: Es gibt viele komplizierte Aufsätze darüber."

      "Ganz genau. Aber es muss zumindest Warnzeichen dafür gegeben haben, denn in den letzten Tagen wurde Arrival überstürzt evakuiert."

      "Und die Konvergenz? Von ihr stammt die Technik doch. Kann die nicht helfen?"

      "Die hüllt sich in Schweigen. Wie immer." Theresa machte ein nachdenkliches Gesicht. "Vielleicht stecken die Vinculan dahinter … Das würde auch ihre Anwesenheit hier erklären. Und du bist offenbar aufgetaucht, kurz bevor sich das Portal abgeschaltet hat."

      Sam begann zu schwitzen. Es gefiel ihm gar nicht, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, und Theresas nächste Bemerkung steigerte sein Unwohlsein nur noch mehr.

      "Du kannst dich schon mal darauf gefasst machen, dass dir der Hohe Rat eine Menge Fragen stellen wird."

      Sam war verunsichert. Er hatte keine Antworten auf diese Fragen, die ihn nicht einmal wirklich betrafen. Konnte ihn dieses Universum nicht einfach in Ruhe lassen?

      "Pass auf! Der Kern dreht sich schon wieder zu schnell!", drang Theresas Stimme in sein Bewusstsein. "Sonst haben wir gleich wieder Reiniger am Hals … und beim nächsten Mal beißt er wirklich zu."

      Sam riss sich zusammen und konzentrierte sich auf die Arbeit.

      "Aber eins verstehe ich immer noch nicht. Wie ist es möglich, mit einem Schritt von einer Station zur anderen zu gelangen? Es gehört doch schon zur Allgemeinbildung, dass sich nichts schneller bewegen kann als das Licht ."

      "Das fragen wir uns auch." Sie knipste den Kupferdraht mit einer Zange von der Rolle und vollendete die Wicklung. "Es gab Experimente dazu. Man hat einem Menschen einen Sender umgeschnallt und ihn von Batox' Jewel nach Arrival und wieder zurück geschickt. Man kannte ja die Entfernung dazwischen. Das Funksignal breitete sich mit Lichtgeschwindigkeit aus, und schon konnte man ausrechnen, wie lang die Reise von Portal zu Portal gedauert hat."

      "Und?"

      "Es ist keine Illusion. Bei einer Portalreise vergeht keine Zeit, denn die Lichtgeschwindigkeit wird außer Kraft gesetzt. Aber wir haben keine Ahnung, wie." Ein letztes Mal prüfte sie die Qualität ihrer Arbeit. "So. Dann wollen wir die Spule mal wieder einsetzen."

      Ganz langsam setzten den umwickelten Eisenkern wieder an seinen Platz. Nachdem die Verkleidung wieder angeschraubt war, legte Theresa einen Schalter um und ein Brummen ertönte.

      "Na also, wer sagts denn. Wieder wie neu."

      In diesem Moment kam Reiniger um die Ecke. Zufall? Entweder hatte er wirklich die ganze Zeit hinter der nächsten Ecke gelauscht oder er hatte einen Siebten Sinn.

      "Gut gemacht", sagte er, nachdem er ihre Arbeit kontrolliert hatte.

      Sam war klar, dass dieses Lob allein Theresa galt.

      "Jetzt fehlt nur noch die Energiekupplung und dann kannst du Pause machen, Theresa." Sam ignorierte er völlig, was dieser als Kompliment auffasste, da Reiniger nichts fand, um ihn, den Zivilisten, zu kritisieren.

      Zum Glück war bei der Energiekupplung nur eine Kleinigkeit zu reparieren. Nur ein Steuergerät war dem EMP zum Opfer gefallen, und das war schnell ausgetauscht.

      Nach getaner Arbeit verließen die beiden den Maschinenraum und Sam stand ratlos da. Er wusste nicht, wohin er nun gehen sollte. Hatte er eine Kabine? Gab es eine Gemeinschaftsunterkunft? Wo musste er langgehen?

      "Wir haben Gästeunterkünfte, da bist du während dieser Reise untergebracht. Ich bring dich hin. Und unterwegs kann ich dir auch gleich noch erklären, wo die Kantine ist und wie du dich auf dem Schiff am besten zurechtfinden kannst." Sie hakte sich bei ihm ein und zusammen schlenderten


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