Quantumdrift. Tilo Linthe

Quantumdrift - Tilo Linthe


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die Erleichterung fühlen, die sich über den Kuppelraum der Brücke legte.

      "Wir mussten nur ein paar Kristalle tauschen, sonst ist alles heil geblieben."

      Der Captain nickte. Dann fragte er unbestimmt in die Runde: "Wie weit sind wir hier?"

      "Noch zwei Minuten, Sir", kam von irgendwoher die Antwort.

      "Noch leben wir", sagte Theresa leise zu Sam. Sie kroch aus ihrer Konsole und befestigte die Verkleidung wieder daran. "Fertig." Sie schenkte Sam noch ein strahlendes Lächeln, das seine Welt heller machte.

      Sein Geist schwamm regelrecht in ihren wasserblauen Augen, sodass er glaubte, gleich in ihnen ertrinken zu müssen. Was für ein schöner Tod das gewesen wäre … Ihre Stimme holte ihn aus seinen Träumen zurück.

      "Wir waren doch ein gutes Team. Die Schöne und der Zivilist." Sie stakste zurück zu ihrer Konsole.

      Sam war sich nicht sicher, ob Theresas fast lasziv aussehender Hüftschwung allein auf den speziellen Gang mit den Magnetstiefeln zurückzuführen war oder ob er ihm galt. Sie drehte noch einmal kurz den Kopf in seine Richtung und er schaute hastig zur Seite.

      Zwei Minuten später kämpfte sich der Ortungsoffizier wieder hinter seine Konsole. Sie sah mittlerweile aus, als hätte der Schrotthändler sie hier abgeladen. Der Panoramabild­schirm flackerte wieder auf und zeigte das vertraute Bild unzähliger Sterne, die Anspannung auf der Brücke ließ etwas nach.

      "Das feindliche Schiff ist zerstört. Da ist nur noch ein Trümmerfeld übrig", verkündete der Ortungsoffizier, und Jubel brandete auf, der mit dem sich die Anspannung in der Zentrale endgültig löste. Die Stimme des Ortungsoffiziers ging darin fast unter. "Was allerdings weniger gut ist: Die Trümmer liegen genau in unserer Flugbahn. Da ist ein riesiger Brocken, der genau auf uns zukommt."

      Wie um seine Worte zu bestätigen, spürte man einen dumpfen Stoß und ein metallisches Geräusch, als eines der Trümmer mit dem Schiff kollidierte.

      "Wie siehts mit dem Antrieb aus?", fragte der Captain.

      "Noch kein Erfolg. Wir wissen nicht, wann wir die Maschinen wieder zum Laufen kriegen. Aber fest steht: nicht, bevor wir mit diesem Ding vor uns zusammenprallen."

      Die Anspannung auf der Brücke stieg wieder, während Sam Theresas Hüftschwung nicht aus seinem Kopf bekam. Vor seinem inneren Auge sah er, wie sie sich lasziv unter der Konsole räkelte. Er schüttelte den Kopf, um die Bilder zu verscheuchen. Wieso dachte er in einer solchen Situation gerade an so etwas?!

      "Bishop: Statusbericht der Waffen! Optionen!" Stakkatoartig gab der Captain wieder Anweisungen.

      Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Der Waffenoffizier beugte sich über seine Konsole, während darunter die Magnetstiefel eines Technikers herausragten, der immer noch Reparaturen vornahm. Die Konsole flackerte so hektisch wie der Waffenoffizier darauf herumtippte.

      "Raketen sind unsere beste Option. Laser erwärmen das Material nur und Gaußgeschütze reißen nur Löcher hinein. Etwas anderes haben wir momentan nicht zur Verfügung."

      "Raketen startklar machen!", entschied Connor.

      Die Bewegungen des Waffenoffiziers wurden jetzt noch hektischer. Ein paarmal donnerten seine Fäuste auf den Touchscreen, deren Entwickler solche Wutausbrüche offenbar einkalkuliert hatten. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, als er sagte: "Die Raketen lassen sich nicht starten. Wir kriegen die Luken nicht auf. Eines der Trümmer muss sie beschädigt haben."

      Vermutlich das, das uns zuletzt getroffen hat, dachte Sam. Inzwischen war das Trümmerfeld auf dem Bildschirm beträchtlich größer geworden. Die größten Teile waren scharfkantige Rumpfsegmente, die auch noch die größte Stabilität hatten.

      "Wie viel Zeit bleibt uns noch?", fragte der Captain.

      "Zwölf Minuten, Sir.", sagte der Waffenoffizier.

      "Wir brauchen Vorschläge! Sofort!"

      Jetzt meldete sich Theresa zu Wort.

      "Lässt sich die Luke der Gaußkanone noch öffnen?"

      Der Waffenoffizier war irritiert.

      "Ja. Da ist alles in Ordnung. Aber wie soll uns das helfen?"

      "Wir schicken eine Rakete durch den Beschleunigungskanal der Gaußprojektile. Danach ist die Abschussrampe zwar kaputt, aber besser die, als das ganze Schiff."

      "Ist das innerhalb von zehn Minuten machbar?", fragte der Captain.

      "Ich glaube ja, Sir. Aber dafür müssen wir eine Rakete modifizieren", antwortete der Waffenoffizier und fragte zurück: "Wieso zehn Minuten? Wir haben doch noch zwölf?"

      "Weil ich sichergehen will und einen Extender rausschicke. Da sollten wir Abstand wahren."

      Theresa und der Waffenoffizier staksten so schnell ihre Magnetstiefel es zuließen von der Brücke. Die spannungsgeladene Stimme des Ortungsoffiziers verkündete: "Aufprall in elf Minuten!"

      Sam fragte sich, was auf einem Kriegsschiff mit Extender gemeint sein konnte, während der Ortungsoffizier weiter die Minuten herunterzählte. Der Captain trommelte nervös auf der Armlehne seines Sessels herum, doch das war auch schon das einzige Zeichen, dass diese Situation auch an ihm nicht spurlos vorüberging.

      "Der Extender ist fertig umgebaut!", meldete Theresa. Ihre Stimme klang angestrengt und sie keuchte. "Wir tragen ihn gerade zu den Gaußgeschützen."

      Es blieben nur noch zwei Minuten bis zur vom Captain vorgegebenen Frist. Sam konnte an den angespannten Gesichtern ablesen, dass es knapp werden würde - sehr knapp.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit stürmte der Waffenoffizier zurück auf die Brücke und an seine Konsole. Der Captain drehte sich zu ihm.

      "Und?"

      "Ich programmiere noch schnell die Magnetspulen der Abschussrampe um. Für eine so schwache Beschleunigung sind sie nicht ausgelegt. Ich muss ein paar Sicherungen umgehen, damit es funktioniert."

      Wieder das sinnlose Glattstreichen der Uniform.

      "Feuerfreigabe, wenn bereit!", kam der Befehl mit dem unmissverständlichen Unterton, dass es nicht mehr allzu lange dauern sollte.

      "Noch zwei Minuten bis zum Zusammenprall", informierte der Ortungsoffizier, als hätte er nur darauf gewartet, die Dringlichkeit zu bestätigen.

      "Jaja. Ich mach ja schon …", murmelte der Waffenoffizier. Seine Finger flogen über die Bedienfelder seiner Konsole.

      "Es ist so weit: Die kritische Distanz ist überschritten! Wenn wir jetzt feuern, gehen wir auch mit drau...", rief der Ortungsoffizier.

      Doch der Waffenoffizier fiel ihm ins Wort: "Fertig. Abschuss!"

      Der Startimpuls war zu schwach, um sich auf das Schiff zu übertragen.

      Theresa kam zurück auf die Brücke, nahm vor ihrer Konsole Platz und schnallte sich an. Erst in diesem Moment wurde Sam bewusst, dass er der Einzige war, der noch vor der Konsole herumstand, die Theresa und er repariert hatten. Schnell stakste er, so schnell seine Magnetstiefel ihn trugen, zu seinem Platz zurück und schnallte sich ebenfalls an. Connor war so konzentriert, dass er davon gar keine Notiz nahm.

      "Programmieren Sie die Flugbahn so, dass die Rakete einen Bogen fliegt, von der Seite kommt und beim Einschlag explodiert."

      Sam fragte sich, was das für eine Rakete sein sollte, die diesen Brocken aus dem Weg räumen konnte. Der Ortungsoffizier legte die bogenförmige Flugbahn des Extenders auf den Bildschirm. Mittlerweile konnte man auf dem Bildschirm die gezackten Ränder des Trümmerstücks erkennen. Es drehte sich langsam um sich selbst. Der Ortungsoffizier legte die bogenförmige Flugbahn der Rakete auf dem Bildschirm fest und rief: "Zündung!"

      Ein grüner Blitz erschien auf dem Bildschirm - Sam musste die Augen schließen, um nicht geblendet zu werden. Als er sie wieder öffnete, sah er eine Welle aus grünem Gas explosionsartig expandieren. Da es im Weltraum keine Luft gab, die den Explosionsdruck hätte weitergeben können,


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