Quantumdrift. Tilo Linthe

Quantumdrift - Tilo Linthe


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      Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Auf der Brücke wurde es augenblicklich ein paar Grad wärmer, so schien es Sam.

      "Komm schnell, wir müssen in den Maschinenraum. Wie ich McQuire einschätze, rennt der gleich zum Captain und der duldet keine Faulpelze an Bord. Vor allem nicht jetzt, wo jede helfende Hand gebraucht wird."

      "Zum Maschinenraum? Ich hab zwei linke Hände." Zudem freute sich Sam nicht gerade auf eine erneute Begegnung mit dem Cheftechniker.

      "Wenn ich Horst überzeugen kann, dass ich dich brauche, kann McQuire gar nichts machen."

      Und so stakste Sam hinter Theresa her.

      Am Eingang zum Maschinenraum kam Reiniger energisch auf sie zugepflügt. Den Kopf leicht gesenkt und mit zitternden Hängebacken und Doppelkinn wirkte er, als wollte er sie gleich auf die Hörner nehmen. Sicherheitshalber blieben Theresa und Sam stehen. Als Reiniger schließlich vor Theresa anhielt, ging eine wundersame Veränderung mit ihm vor. Seine Miene hellte sich auf, die Augenbrauen schossen nach oben und er brachte etwas zustande, das Ähnlichkeit mit einem Lächeln hatte. Theresa schenkte ihm ein strahlendes Lächeln zurück, mit dem man ein ganzes Heizkraftwerk hätte ersetzen können.

      "So, da bin ich. Was soll ich machen?"

      "Sehr schön, sehr schön. Du kennst dich mit den Energiekupplungen und Magnetspulen für die Wandler aus - es wäre schön, wenn du dich darum kümmern könntest."

      "Aber selbstverständlich, Horst. Du weißt doch: Für dich würde ich fast alles tun." Wieder ihr strahlendes Lächeln.

      Misstrauisch blickte Reiniger zu Sam, den er an Theresas Seite erst jetzt wahrzunehmen schien. Sein Blick verdüsterte sich wieder.

      "Für dich ist der Maschinenraum Sperrgebiet. Zivilisten haben hier keinen Zutritt."

      Theresa machte einen Schmollmund.

      "Seit wann denn das? Bisher hatten wir doch gar keine Zivilisten an Bord."

      "Aber jetzt schon, und ich entscheide, wer in meinen Maschinenraum darf und wer nicht. Und Zivilisten haben keinen Zutritt."

      "Lass nur", winkte Sam ab. Er wollte keinen Streit provozieren. "Ich gehe schon … Ich kann mich auch woanders nützlich machen."

      Aber Theresa hielt ihn am Arm fest, ohne ihre Aufmerksamkeit von Reiniger abzuwenden.

      "Horst, unser Zivilist hier", und als sie das Wort Zivilist aussprach, knurrte Reiniger, "war in seinem früheren Leben Maschinentechniker. Er könnte eine wertvolle Hilfe dabei sein, den Antrieb wieder zum Laufen zu bringen."

      Sam sah, wie es hinter der vorgewölbten Stirn des Mannes arbeitete. Theresa schien genau zu wissen, wo dessen Schwachpunkt lag: bei seinen Maschinen. Den letzten Ruck gab ihm ihr freundschaftlicher Klaps auf die Schulter, mit der sie ihm die Entscheidung förmlich aus der Hand nahm. "Danke, Horst! Wir machen uns gleich an die Arbeit."

      "Also gut … Aber du bist für den Neuling verantwortlich!", erwiderte Reiniger und pflügte davon.

      "Du darfst es ihm nicht übelnehmen", entschuldigte sich Theresa. "Im Grunde ist er ein anständiger Kerl."

      "Nur dass er seine Maschinen mehr liebt als Zivilisten", erwiderte Sam. "Außerdem stimmt es doch gar nicht, dass ich Techniker bin. Ich hab dir doch schon auf der Brücke gesagt, dass ich zwei linke Hände habe. Reiniger bringt mich um, wenn er das herausfindet."

      Theresa wischte Sams Bedenken mit einer resoluten Geste beiseite.

      "Ach was. Wer soll das hier oben schon überprüfen? Wir machen es wie auf der Brücke: Ich sage dir, was du tun musst, dann läuft das schon. Und zu zweit sind wir auf jeden Fall schneller, als ich allein."

      Sie betraten den Maschinenraum. Sam schlug der typisch metallische Geruch entgegen, wie er ihn aus der Halle seiner Autowerkstatt kannte. Allzu oft hatte er seinen verbeulten Polo dort hinbringen müssen. Mit einem Anflug von Genugtuung dachte er daran, dass er sich mit dieser alten Kiste nie wieder würde herumschlagen müssen.

      "Riecht für dich nicht gerade nach dem Stoff, aus dem Träume sind, oder?" fragte Theresa, die einmal kräftig einatmete. "Aber für mich gibt es keinen schöneren Geruch." Sie führte Sam durch den Raum - er war vollgestopft mit Maschinen, deren Funktion Sam nicht einmal erraten konnte. Von allen Seiten her drang metallisches Hämmern und Klopfen. Hier wurde intensiv gearbeitet. Er sah Funken regnen, und der Lärm eines Schleifgeräts drang vom anderen Ende der Halle zu ihm herüber.

      Theresa führte ihn in eine Nische mit einem mannshohen Aggregat, von dem sie zielstrebig die Verblendung entfernte. Dahinter kam eine riesige Spule zum Vorschein, deren Kupferdrahtwindungen verkohlt und an manchen Stellen miteinander verschmolzen waren. Stechender Rußgeruch ließ Sam die Nase rümpfen.

      "Ah, da haben wir ja das Problem. Deshalb kommt da kein Strom mehr an."

      Neben dem Aggregat stand eine Rolle mit frischem Kupferdraht. Sam brauchte nicht viel von Technik zu verstehen, um zu wissen, was sie damit zu tun hatten. Und so machten sich die beiden daran, die zerstörten Drahtreste zu entfernen.

      "Wohin fliegen wir eigentlich?", fragte Sam irgendwann.

      "Hat dir das noch niemand gesagt? Die Reise geht nach Batox, das ist ein erdähnlicher Planet, um dich dort abzusetzen … vorausgesetzt, wir bringen das Schiff wieder zum Laufen."

      Sam hielt inne und schaute Theresa an.

      "Ihr fliegt wegen mir dorthin?"

      "Du bist natürlich nicht der einzige Grund: Wir müssen sowieso nach Batox. Da gibt es eine Station wie Arrival, die heißt Batox' Jewel. Und dort sind die Zentrale vom Konsistorium und die Raumdocks für die Flotte. Nach diesem EMP hat die Arkanos eine Überholung dringend nötig. Siehst du ja." Sie ließ ihre Zange mehrmals auf- und zuschnappen.

      "Es gibt noch eine Station wie die, auf der ich aufgewacht bin?"

      "Ja, sogar noch viele mehr."

      "Habt ihr die selbst gebaut?"

      Theresa lachte über Sams Unwissenheit. Aber es klang freundschaftlich und Sam konnte ihr nicht böse sein.

      "Nein. Die sind uns von der Konvergenz zur Verfügung gestellt worden."

      "Dann hat die Konvergenz diese Stationen gebaut und euch dann einfach so ihre Technik überlassen?"

      "Das ist nicht sehr gefährlich, glaub mir. Erinnerst du dich an das Beispiel mit den Smartphones und den Neandertalern? Unsere Wissenschaftler haben die Stationen untersucht und höchst komplizierte Aufsätze darüber geschrieben."

      "Mit anderen Worten: Sie haben keine Ahnung."

      "Ganz genau. Je weniger man versteht, desto komplizierter wird die Sprache, hinter der man seine Unwissenheit versteckt."

      Inzwischen hatten sie die letzten Drahtreste entfernt und in die dafür vorgesehene Box gelegt. Sie schlossen den Deckel, obwohl noch ein paar Kupferdrahtreste im Raum umherschwebten, doch es waren nicht die einzigen Bauteile. Wenn die Maschinen wieder liefen und die Arkanos beschleunigte, würde es hier drin heftig scheppern.

      Jetzt nahm Theresa den übriggebliebenen Eisenkern aus seiner Verankerung. Er hatte zwar kein großes Eigengewicht, war aber sehr massig. Er verhielt sich wie ein Boot auf dem Wasser - er ließ sich bewegen, aber schwer kontrollieren. Zu zweit bugsierten sie den Eisenstab zur Kupferdrahtrolle, ehe sie unter Theresas Anleitung begannen, ihn vorsichtig damit einzuwickeln.

      "Was ist eigentlich so wichtig an diesen Stationen?", nahm Sam den Faden wieder auf.

      "Das hängt mit ihrer Funktion zusammen. Man kann von einer Station zur anderen reisen, ohne ein Raumschiff benutzen zu müssen."

      "Wie soll das denn gehen?"

      "Erinnerst du dich noch, wo du aufgewacht bist?"

      "Ich lag auf einem runden Podest."

      "Und das Portal?"

      "Was für ein Portal?"

      "Na,


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