Rücken. Joachim Grifka
dagegen anzugehen.
Abbildung 1: Computer-Kid. 11-jähriger Junge mit hängenden Schultern und völlig unzureichender Rückenmuskulatur als Zeichen eines Haltungsschadens aufgrund vermehrter Sitzbelastung ohne ausreichende körperliche Aktivität.
Abbildung 2: Muskeltraining der Rückenschule in der Schule; Übung der Beckenstabilisierung.
Neben dem Muskeltraining ist das wirbelsäulenfreundliche Verhalten eine weitere wichtige Säule der Rückenschule. Dies umfasst weit mehr als richtiges Heben und Tragen. Es geht vielmehr darum, unser ganzes Verhalten im Alltag darauf abzustellen, dass wir die Wirbelsäule in einer mechanisch günstigen Position halten und sie nicht durch vermehrte Bewegungen, übermäßige Gewichte oder auch Haltungskonstanz und mangelnde Bewegung überlasten.
Rückenschule im Kindesalter beugt Fehlbelastungen vor.
Wer an Rückenschmerzen leidet, ist in diesem Zustand besonders dafür sensibilisiert, welches Verhalten schmerzauslösend und wirbelsäulenfeindlich ist. Mit der Rückenschule erlebt er positiv, wie die Schmerzen durch richtiges Verhalten und Muskeltraining gebessert werden. Aber er muss seine Lektion lernen und das Gelernte im täglichen Leben umsetzen. Er muss seine Körperwahrnehmung auf die richtige Körperhaltung einstellen und die Rückenschule mit den Verhaltensmaßnahmen und die Übungen zum Muskeltraining in sein Alltagsprogramm aufnehmen. Ansonsten wird er bald wieder Schiffbruch erleiden.
Am günstigsten ist es, wenn wir das Rückenbewusstsein mit dem wirbelsäulengerechten Verhalten ganz automatisch beherzigen und nicht erst aus Schaden klug werden. Das Ziel muss es deswegen sein, die Rückenschule in die Schule zu bringen. Dann ist es möglich, wirklich vorzubeugen und Kindern die Grundsätze der Rückenschule so beizubringen, dass sie das richtige Verhalten verinnerlichen, sodass das Entstehen von Rückenbeschwerden weitestmöglich vermieden wird.
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Aufbau und Funktion der Wirbelsäule
Dieses Kapitel gibt Ihnen einen Überblick über den Aufbau der Wirbelsäule und die Bedeutung von Muskeln und Bändern sowie die Besonderheiten des Nervenverlaufs.
2Aufbau und Funktion der Wirbelsäule
Als Erstes muss man verstehen, dass die Wirbelsäule keine Säule im eigentlichen, statischen Sinne ist. Die Wirbelkörper sind keineswegs wie Bauklötze stabil aufeinander gestapelt, woraus eine starre, gewichtsbelastete Säule resultieren würde. Im Gegenteil, die Stabilität der knöchernen Elemente fehlt.
Erst durch das Zusammenwirken von Knochen, Bandscheiben, Bändern und Muskeln kann diese instabile Säule in Balance gehalten werden.
Um Beweglichkeit, Belastbarkeit und Erkrankungen zu verstehen, zunächst die Grundzüge der Anatomie:
Die Wirbelsäule besteht aus 33 Wirbelkörpern (Abbildung 3):
Die Wirbelkörper sind miteinander beweglich verbunden.
Kreuz- und Steißbein sind zusammengewachsen. Zwischen den übrigen Wirbeln befindet sich im vorderen Bereich, bei den Wirbelkörpern jeweils eine Bandscheibe (Zwischenwirbelscheibe, Discus intervertebralis). Im hinteren Anteil sind die Wirbelkörper jeweils durch 2 Wirbelbogengelenke (rechts und links) nach oben und unten verbunden.
Abbildung 3: Seitliche Ansicht der Wirbelsäule. Gliederung in Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich sowie Kreuz- und Steißbein.
2.1Das Bewegungssegment – Element der Beweglichkeit
Die Bandscheibe wird durch Flüssigkeitsein- und -abstrom bei Be- und Entlastung ernährt.
Zwischen den Wirbeln findet die Bewegung statt. Medizinisch spricht man von dem Bewegungssegment (Abbildung 4). Damit ist jeweils der Übergangsbereich von einem Wirbelkörper zum anderen gemeint: Im vorderen Anteil der Wirbelkörper ist das jeweils der untere Bereich des oberen Wirbelkörpers (Grundplatte), die zwischengelagerte Bandscheibe und der angrenzende obere Anteil des unten liegenden Wirbelkörpers (Deckplatte). Ebenso gehören die rechts und links nach hinten gelegenen Zwischenwirbellöcher und die jeweils zwei weiter nach hinten angrenzenden kleinen Wirbelgelenke (Facetten) dazu. Sie haben die Verbindung nach oben und unten. Durch jedes Zwischenwirbelloch (rechts und links) tritt eine Nervenwurzel mit begleitenden Blutgefäßen aus. Die Nervenwurzel liegt typischerweise im oberen Anteil des ohrförmigen Zwischenwirbellochs, geringfügig über der Höhe der Bandscheibe.
Im Zusammenspiel dieser verschiedenen Elemente des Bewegungssegments ist die Bandscheibe die anfälligste Struktur. Diese hat zwei zentrale Aufgaben:
Abbildung 4: Bewegungssegment mit seinen Anteilen
1 Grundplatte
2 Bandscheibe
3 Deckplatte
4 Zwischenwirbelloch
5 Kleine Wirbelgelenke
Abbildung 5: Bandscheibe mit Be- und Entlastung. Bei Entlastung saugt sich die Bandscheibe mit Nährstoffen voll. Bei Belastung gibt sie Flüssigkeit und Stoffwechselprodukte ab.
Im Laufe des Lebens verfestigt sich die Bandscheibe durch Faserbildung.
Trotz dieser elementaren Aufgaben ist die Ernährungssituation der Bandscheibe höchst ungünstig. Nur in den ersten Lebensjahren (bis etwa zum 4. Lebensjahr) wird sie durch Blutgefäße versorgt. Danach bilden sich die Blutgefäße zurück und die Bandscheibe kann dann nur noch durch einen Einstrom von Flüssigkeit aus der Umgebung Nährstoffe aufnehmen bzw. durch ein Abpressen von Flüssigkeit Stoffwechselschlacken abgeben. Diesen Vorgang nennt man Diffusion. Er wird durch den äußeren Druck auf die Bandscheibe gesteuert, also die Druckbelastung auf den Wirbelkörpern, sowie die Fähigkeit des Bandscheibengewebes, Flüssigkeit anzusaugen (osmotischer Druck). Das Ansaugen von Flüssigkeit ist somit erst möglich, wenn die axiale Druckbelastung