Rücken. Joachim Grifka

Rücken - Joachim Grifka


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Röntgenbild erkennt man diese Veränderungen durch die unterschiedlichen Höhen der Bandscheibenfächer (Abbildungen 15a–c). Bei Röntgenaufnahmen mit Vor- und Rückneigung wird das Wackeln der Wirbelkörper gegeneinander noch deutlicher. Man kann sich vorstellen, dass solche Veränderungen die unterschiedlichsten Beschwerden verursachen können: sowohl einen tief sitzenden Kreuzschmerz als auch Beschwerden, die diffus in die Beine ausstrahlen, als auch Irritationen einzelner Nervenwurzeln mit den dazugehörigen, definierten Schmerzen und Funktionsausfällen.

      Die beispielhaft für die Lendenwirbelsäule beschriebenen Veränderungen gibt es auch an der Halswirbelsäule, wobei Bulging-disc-Phänomene und Gefügelockerungen dort seltener sind.

       3.4Folgen der übermäßigen Hohlwölbung

       Die kleinen Wirbelgelenke werden bei übermäßigem Hohlkreuz strapaziert.

      Die übermäßige Hohlwölbung, die Lordose, der Halswirbelsäule oder der Lendenwirbelsäule bewirkt biomechanisch eine vermehrte Druckbelastung auf die kleinen Wirbelgelenke, die Facetten. Dadurch werden die kleinen Wirbelgelenke vermehrt ineinander gestaucht, dies führt zum Verschleiß, der Arthrose. Im Röntgenbild sind die knöchernen Anteile verdichtet. Wenn die Arthrose fortschreitet, bilden sich Knochenzacken aus und die Gelenkkapseln verdicken sich. So entsteht das Beschwerdebild des Facettensyndroms mit einer diffuser Ausstrahlung der Schmerzen in beide Beine.

      Abbildung 15: Gefügelockerungen. Auf dem Übersichtsbild (a) sieht man bereits Unterschiede in der Höhe der einzelnen Zwischenwirbelräume, also des Bandscheibenfaches. Außerdem haben die beiden unteren Lendenwirbelkörper wulstartige Ausziehungen an ihren Grund- und Deckplatten. Betrachtet man die hintere Begrenzung zum Wirbelkanal, so sieht man, dass die Wirbelkörper leicht verschoben sind. Das untere Nervenwurzelloch ist eingeengt. Noch deutlicher wird dies bei Rück- (b) und Vorneigung (c). Hierbei zeigt sich, wie die Zwischenwirbelabstände im hinteren und vorderen Anteil ungleich hoch sind, die Wirbelkörper sich also gegenseitig verschieben und verkippen.

      Eine übermäßige Lordose der Lendenwirbelsäule kann auch durch eine Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke hervorgerufen werden. Dies sieht man typischerweise bei der Hüftarthrose.

      Bei der Arthrose des Hüftgelenks ist die Beweglichkeit der Hüftgelenke reduziert, die Hüftgelenke können nicht mehr voll gestreckt werden. Damit man trotzdem mit beiden Beinen gerade auf dem Boden stehen kann, muss als Konsequenz der reduzierten Streckung im Hüftgelenk das Becken vermehrt vorgeneigt werden. Mit der Beckenvorneigung geht auch das Kreuzbein in eine vermehrte Vorneigung (relative Horizontalisierung). Als Folge wird die Lordose der Lendenwirbelsäule so verstärkt, dass die kleinen Wirbelgelenke unter Druck kommen. Dann ist die Facetten-Schmerzsymptomatik ursächlich durch die Arthrose der Hüftgelenke bedingt.

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      Abbildung 16: Hyperlordose der Lendenwirbelsäule. a) Typisches Bild eines Patienten mit Hohlkreuz. b), c) Ineinanderschieben der kleinen Wirbelgelenke am Modell bei Hohlkreuz oder Rückneigung mit der Konsequenz einer vermehrten Druckbelastung der Gelenkflächen (Facettensyndrom).

      Abbildung 17: Entlordosierung. Das Zwischenwirbelloch ist bei übermäßiger Lordose verkleinert und die Bandscheibe wölbt sich nach hinten, verkleinert also auch den Raum des Wirbelkanals. Bei Aufrichtung aus der Lordose (Entlordosierung) wird das Zwischenwirbelloch wieder größer und der Wirbelkanal weiter.

      Deswegen sollte man bei Patienten über 50 Jahren mit diffusen Kreuzschmerzen ähnlich einer Facettensymptomatik immer prüfen, ob nicht eine Hüftgelenkarthrose die Ursache ist. Wenn in diesen Fällen dann die Hüftarthrose therapiert wird, sind auch die Facettengelenkbeschwerden behoben.

       3.5Reduktion der Lordose als Therapieprinzip

      Sowohl für die Halswirbelsäule als auch die Lendenwirbelsäule gilt, dass eine übermäßige Lordose reduziert werden muss. Die Belastung der Bandscheiben im hinteren Anteil der übermäßigen Hohlwölbung wird dadurch reduziert, dass die Wirbelsäule wieder besser eingestellt wird, sie muss „entlordosiert“ werden (Abbildung 17). Damit ist dann die Kantenbelastung behoben und die Bandscheibe wird wieder gleichmäßig belastet. Ein weiterer Vorteil der Entlordosierung liegt darin, dass das Zwischenwirbelloch, durch das der Nerv austritt, wieder mehr Platz hat. Der hintere Bandscheibenring, der bei übermäßiger Lordose herausgedrückt wird, wird wieder zurückgezogen und der Druck auf die kleinen Wirbelgelenke wird reduziert. Da die Bandscheiben wieder in der richtigen Lage sind, ist auch die Spannung auf die kleinen Nerven am Faserring reduziert.

       3.6Skoliose – die dreidimensionale Verdrehung der Wirbelsäule

       Die Rückenverkrümmung der Skoliose muss frühzeitig erkannt werden: Deswegen wird eine Routineuntersuchung bei allen Mädchen mit ca. 10 Jahren empfohlen.

      Lordose und Kyphose beschreiben die Verbiegung der Wirbelsäule nach vorne und hinten. Mit der Bezeichnung Skoliose wird eine komplexe dreidimensionale Verdrehung der Wirbelsäule beschrieben. Die Wirbelsäule ist auch zur Seite, nach rechts und links, geschwungen und weist zusätzlich eine Verdrehung (Rotation) der Wirbelkörper gegeneinander auf (Abbildung 18).

      Der weit überwiegende Teil (> 90 %) der Skoliosen ist anlagebedingt, man kennt die Ursache nicht. Zumeist sind Mädchen betroffen. Die Skoliosen bilden sich vor allem während der Pubertät aus. Deswegen ist wichtig, sie frühzeitig zu erkennen, um der Verbiegung während des Wachstums entgegenzuwirken.

      Ist ein Beckenschiefstand – ungleiche Höhe der beiden Beckenseiten rechts und links – die Ursache für eine skoliotische Verdrehung, so kann man dies durch einen Ausgleich der Beinlänge so korrigieren, dass das Becken wieder horizontal steht. Wenn dann die Seitverbiegung der Wirbelsäule wieder ausgeglichen ist, ist dies eine Möglichkeit der Therapie. Wichtig ist dabei stets die umfassende Diagnostik und eine darauf aufbauende konsequente Therapie.

      Abbildung 18: Dreidimensionale Verdrehung bei einer Skoliose. Die Ebenen in der Schemazeichnung zeigen, dass die Wirbelsäule nicht nur komplex verbogen ist, sondern die Wirbelkörper zusätzlich verdreht sind.

       4

       Typische Krankheitsbilder der Wirbelsäule

      Das folgende Kapitel stellt die verschiedenen Veränderungen, Beschwerden und Erkrankungen der Wirbelsäule dar. Es genügt, wenn Sie gezielt die Abschnitte lesen, die Ihre Beschwerden beschreiben.

       4Typische Krankheitsbilder der Wirbelsäule

       4.1Erst andere Beschwerdeursachen ausschließen

      Man neigt sehr schnell dazu, Nacken-, Rücken- und Kreuzschmerzen als Wirbelsäulenschmerzen einzuordnen. Oft denken Betroffene auch sofort an eine Bandscheibenerkrankung. Gründe für diese unmittelbare Vermutung sind sicherlich, dass Bandscheibenbeschwerden


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