Rücken. Joachim Grifka
deutlich ist diese schlechte Haltung bei Jugendlichen. Aufgrund des Längenwachstums während der Pubertät sind die Hebelarme deutlich vergrößert. Bei der schmächtigen Konstitution der hochgewachsenen Jugendlichen ist allerdings die Muskulatur auf diese größeren Hebelverhältnisse nicht eingestellt. Die Muskulatur ist zu schwach und oft auch verkürzt, die Jugendlichen erscheinen steifer. Die konstante Überlastung führt zu einer schnellen Ermüdung. Insbesondere wenn dann noch einseitige konstante Belastungen hinzukommen, führt diese schlechte Haltung zu Haltungsschäden. Die vermehrte Druckbelastung in einer ungünstigen Wirbelsäulenposition führt bis zur Verformung der Knochen. Dann hat die Haltungsschwäche eine lebenslang bleibende Störung zur Folge.
3.3Verschleiß der Bandscheiben
Untere Hals- und untere Lendenwirbelsäule sind Abschnitte mit vermehrtem Verschleiß.
Die Struktur der Bandscheiben verändert sich ja im Lauf des Lebens. Diese „normale Alterung“ der Bandscheibe kann jedoch gestört werden. Besonders kritisch ist es, wenn Teile der Bandscheiben, die sich verlagert haben, auf einen oder mehrere Nerven oder gar auf das Rückenmark drücken. Dann kann es zu Gefühlsstörungen, Kraftverlust (Muskelschwäche) und im Extremfall zur völligen Quetschung des Nervs kommen. Die Muskulatur ist dann kraftlos. Die von Patienten immer wieder angesprochene Querschnittlähmung kann es nur bei sogenannten Massenvorfällen von Bandscheibengewebe, vorzugsweise im Bereich bei L1/L2 und höher, geben.
Ungünstige Positionen der Wirbelsäule können Scherbelastungen oder vermehrte Druckbelastungen der Bandscheiben bewirken. Besonders betroffen sind diejenigen Wirbelsäulenabschnitte, die eine große Beweglichkeit haben und am Übergang zu starren Abschnitten lokalisiert sind, also z. B. die untere Halswirbelsäule (über der starren Brustwirbelsäule) und die untere Lendenwirbelsäule (über dem starren Kreuzbein). Die stärksten Belastungen auf die Bandscheiben werden hervorgerufen, wenn die Belastung in Vorneigung, z. B. Heben eines Gegenstandes mit Abstand zur Wirbelsäule, und bei gleichzeitiger Torsion einwirkt, also Verdrehen des Oberkörpers gegen den nicht mitdrehenden Beckenbereich. Druckmessungen in der vorletzten Lendenbandscheibe zeigen, dass sogar einfaches Vorneigen, wie es auch beim Sport oft gemacht wird, z. B. beim Trainieren der Beweglichkeit, einen enormen Druck auf die Bandscheibe verursacht.
Beim Sitzen zeigt sich, dass die Bandscheibe beim Anlehnen an die Rückenlehne entlastet wird; auch dies konnte in Druckmessungen gezeigt werden.
Bandscheibenbeschwerden sind im mittleren Lebensalter typisch.
Wenn man sich die Altersverteilung von Bandscheibenschäden in der Bevölkerung ansieht, zeigt sich, dass das kritische „Bandscheibenalter“ zwischen dem 30. und dem 55.–65. Lebensjahr liegt. In diesem mittleren Lebensalter hat sich im äußeren Bereich der Bandscheibe der Faserring ausgebildet, während die inneren Anteile noch flüssigkeitshaltig und stoffwechselaktiv sind. Flüssigkeit ist nicht komprimierbar, lässt sich also nicht zusammendrücken und dadurch im Volumen verkleinern.
Wird nun die Bandscheibe durch Druck von den beiden angrenzenden Wirbelkörpern gleichsam „in die Klemme genommen“, so reduziert sich ihre Höhe. Da das Volumen der Flüssigkeit unverändert bleibt, wird der gallertige innere Anteil gegen den straffen Faserring gedrückt. Der Faserring ist relativ spröde und kann dem Druck nur nachgeben, indem sich in den Fasern Risse bilden. So bilden sich Spalten, durch die das noch stoffwechselaktive, weiche, innere Bandscheibenmaterial hindurchgedrückt wird. Wenn sich diese Spalten nur nach vorne oder zu den Seiten bilden, kann das heraustretende Bandscheibengewebe nicht auf eine Nervenwurzel drücken. Wird das Bandscheibenmaterial aber – wie es typisch ist – seitlich des hinteren Längsbandes in den Wirbelkanal gepresst (Abbildung 14), so drückt es auf die abgehende Nervenwurzel am Zwischenwirbelloch oder bei einer etwas mehr mittigen Lage zum Wirbelkanal auf die passierende Nervenwurzel, die eine Etage tiefer den Wirbelkanal verlässt. Dann kommt es zu einem Bandscheibenvorfall, der eine sogenannte Wurzelsymptomatik zeigen kann: Schmerz, Gefühlsstörungen, Muskelschwäche und Reflexabschwächung.
Abbildung 14: a) Bandscheibenvorwölbung (Protrusion). Der Faserring hat keinen Riss, sondern wird von dem weichen Material insgesamt vorgewölbt. Auch dadurch kann Druck auf Nervenwurzeln entstehen oder es können feine Nerven am Faserring gedehnt werden. b) Bandscheibenvorfall (Prolaps). Die inneren, flexiblen Bandscheibenanteile drücken sich durch Risse im spröden Faserring nach außen und können im Wirbelkanal auf eine Nervenwurzel drücken. c) Versprengter Bandscheibenanteil (Sequester). Aus dem Bandscheibenvorfall hat sich ein Anteil gelöst, der im Wirbelkanal verschoben ist und auf eine Nervenwurzel drückt. d) Ringförmige Bandscheibenvorwulstung (bulging disc). Die Bandscheibe ist im gesamten Umfang wulstartig vorgedrückt. Oft werden dadurch kleinere Ausläufer der Nervenwurzeln gedehnt, die den Faserring umspannen.
Ein deutlicher Bandscheibenvorfall, ein Prolaps, (Abbildung 14b) kann im Kernspintomogramm gesehen werden. Von dem Material, das sich durch den Spalt im Faserring hervordrückt, können Anteile losgelöst werden und sich im Wirbelkanal, dem Spinalkanal, als separierte Anteile (Sequester, Abbildung 14c) nach oben oder unten verschieben (dislozieren). So kann Bandscheibengewebe auch entfernt von der Ebene des Bewegungssegments, in dem der Vorfall stattfand, auf andere Nervenanteile drücken.
Man unterscheidet Bandscheibenvorwölbung, Bandscheibenvorfall und ringförmige Vorwulstung.
Nicht immer kommt es durch den Druck der gallertigen Masse zu einem Riss, aus dem Bandscheibenmaterial hervorquillt. Mitunter kann auch der gesamte Faserring ohne Rissbildung an einer Stelle breit vorgewölbt sein. Eine solche Vorwölbung, Protrusion, (Abbildung 14a) kann ebenfalls auf einzelne Nervenwurzeln drücken oder auch durch die gedehnten Nerven am Faserring Schmerzen verursachen. Bei einer Bandscheibenvorwölbung kann sich kein Material lösen. Die Vorwölbung liegt immer exakt auf der Höhe des Bandscheibenfaches.
Bandscheibenvorfälle und Bandscheibenvorwölbungen sind die häufigsten Veränderungen einzelner Bandscheiben. Im fortgeschrittenen „Bandscheibenalter“ und bei älteren Menschen gibt es bei generell weichem Bindegewebe auch Bandscheiben, die wie platt gedrückt erscheinen. Wenn der Zwischenwirbelraum an Höhe verliert, drückt sich die Bandscheibe in dem gesamten Umfang wulstartig vor. Oft kommt dies in mehreren aneinander angrenzenden Bandscheibensegmenten gleichzeitig vor, z. B. an der unteren Lenden- oder Halswirbelsäule. Diese ringförmige Vorwulstung, die sogenannte bulging disc, (Abbildung 14d) drückt weniger auf einzelne Nerven. Vielmehr werden die fein verästelten Nerven am Faserring gedehnt und verursachen einen intensiven, tief sitzenden Kreuzschmerz.
Wenn das eigentliche Bandscheibenalter überschritten ist, also die Bandscheiben der unteren Halswirbelsäule und unteren Lendenwirbelsäule komplett faserig strukturiert sind und keine gallertigen inneren Anteile mehr aufweisen, spricht man auch von der wohltuenden Versteifung im Alter. Insgesamt ist die Beweglichkeit der Wirbelsäule geringer geworden, was aber an sich zu keinen Beschwerden führt. Danach können nur noch Verschleißerscheinungen (Degenerationen) der höher liegenden, flüssigkeitshaltigen Bandscheiben auftreten, was aber relativ selten ist.
Nach dem typischen Alter bei Bandscheibenbeschwerden setzen andere Verschleißerkrankungen ein.
Kommt es nicht zu der „wohltuenden“ Versteifung in den Bandscheibensegmenten, kann es sogenannte Gefügelockerungen geben. Wegen der Höhenabnahme der Bandscheibenfächer sind die Bänder nicht mehr straff, sondern lassen eine Verkippung und eine horizontale Verschiebung der Wirbelkörper gegeneinander zu. Solche Gefügelockerungen sind von den Symptomen ähnlich wie Instabilitäten