Rücken. Joachim Grifka
Abbildung 11: Wirbelkanal mit Rückenmark sowie den Nervenabgängen seitlich bei den Wurzellöchern.
Aufgrund ihres Verlaufs und aufgrund der Muskel- und Hautversorgung in ihrem Ausstrahlungsgebiet können die einzelnen Nerven an Arm und Bein unterschieden werden. So ist es möglich, aufgrund der Bereiche, an denen Gefühlsstörungen an Armen, Beinen oder auch Fingern und Zehen auftreten, zu ermitteln, welcher Nerv betroffen ist.
Ebenso verhält es sich mit den Muskeln. Die betreffenden Muskeln werden als typische „Kennmuskeln“ für einzelne Nervenwurzeln bezeichnet. Sie werden durch entsprechende Anspannung gegen einen Widerstand geprüft, also z. B. indem der Arm im Ellbogen gebeugt oder gestreckt wird oder das Kniegelenk, die Hand oder der Fuß gebeugt oder gestreckt werden.
Außerdem können verschiedene Nerven auch über die Prüfung von Reflexen untersucht werden. Ein Reflex wird ausgelöst, wenn die Sehne, über die ein Muskel am Knochen ansetzt, mit einem plötzlichen Dehnungsreiz überrascht wird. Als Reaktion zieht sich der Muskel zusammen, er kontrahiert. Dieses Ziehen des Muskels in einer unkontrollierten, reflexhaften Bewegung ist zu sehen. D. h. wenn dieser Reflex funktioniert, dann arbeitet auch der betreffende Nerv normal.
3
Frühzeitig Fehlbelastungen begegnen
Alltägliche Belastungen und Fehlhaltungen können zu bleibenden Schäden und Störungen führen. Deswegen gilt es, vorzubeugen und bei eintretenden Veränderungen schnell und konsequent zu handeln.
3Frühzeitig Fehlbelastungen begegnen
Die Wirbelsäule passt sich der Belastung an. Besonders während des Wachstums müssen Fehlbelastungen vermieden werden.
Die Wirbelsäule ist die zentrale Achse, die mittig verläuft und den Körper in zwei Hälften teilt. Betrachtet man verschiedene Säugetiere, so ist die Ähnlichkeit der Wirbelsäule bezüglich ihrer Gliederung und Funktion groß. Eine Ausnahme bildet die menschliche Wirbelsäule deswegen, weil wir statt des Vierfüßlerganges auf nur zwei Beinen gehen. Obwohl unsere Wirbelsäule für den Vierfüßlergang angelegt ist, muss sie dadurch, dass wir aufrecht gehen, andere Funktionen erfüllen und ganz andere Belastungen ertragen. Während die Wirbelsäule bei anderen Säugetieren über die Abstützung an vier Beinen gleichsam hängt, verursacht der aufrechte Gang axialen Druck.
Beim Kleinkind können wir diese Anpassung der Wirbelsäule an diese nun andere Funktion beobachten, wenn es im Alter von etwa einem Jahr vom Krabbeln zum aufrechten Stehen und Gehen kommt. Die Aufrichtung des Beckens bereitet dabei die größte Mühe. Für das Krabbeln sind die Hüftbeuger analog zum Vierfüßlergang auf eine rechtwinklige Stellung zwischen dem Becken und den Oberschenkelknochen verkürzt. Mit dem Aufrichten in den Stand auf zwei Beinen muss das Becken aufgerichtet werden, also aus seiner Vorneigung in eine gerade Position kommen. Um dies zu ermöglichen, müssen die verkürzten Hüftbeuger gedehnt werden. Größte Mühe macht das für den kräftigen Muskel, der am kleinen Rollhügel des Oberschenkelknochens ansetzt und an der Beckeninnenseite und der unteren Lendenwirbelsäule seinen Ursprung hat, den Musculus iliopsoas. Dieser Muskel ist der Grund dafür, dass die Lendenwirbelsäule bei Kleinkindern in der Aufrichtung eine massiv übermäßige Lordose (Hyperlordose) zeigt. Diese vermehrte Hohlwölbung der Lendenwirbelsäule ist auch der Grund dafür, dass der Bauch massiv vorgewölbt erscheint.
Abbildung 12: Aufrichtung des Kleinkindes mit 12–15 Monaten. Der Bauch ist auffällig vorgewölbt, weil das Becken durch die Muskelverkürzung zum Oberschenkel vorgeneigt ist und die Lendenwirbelsäule ein verstärktes Hohlkreuz hat.
Abbildung 13: Vier Typen der Wirbelsäulenwölbungen. Erklärungen zu a–d) im Text.
3.1Wölbungen und Position der Wirbelsäule
Die Stellung des Beckens mit der Positionierung des Kreuzbeins (Sacrum) ist der Grundstein dafür, wie die Wirbelsäule gewölbt ist. Anatomisch-funktionell werden vier Typen der Wirbelsäulenwölbungen unterschieden, je nachdem wie die verschiedenen Bereiche der Wirbelsäule – die Halswirbelsäule (HWS), die Brustwirbelsäule (BWS) und die Lendenwirbelsäule (LWS) – gewölbt sind (Abbildung 13):
a)normale, geringe HWS- und LWS-Lordose, BWS-Kyphose
b)übermäßige HWS- und LWS-Lordose und übermäßige BWS-Kyphose
c)übermäßige, großbogige BWS-Kyphose
d)Steifstellung der Wirbelsäule mit verminderter Wölbung von HWS, BWS und LWS
Wenn die Wölbungen geringer ausgepägt sind und so auch weniger nachgeben, können erhöhte Stoßbelastungen auf die Bandscheiben die Folge sein und diese schädigen. Übermäßige Wölbungen können vermehrte Belastungen der Bandscheiben bedingen, und zwar Scherbelastungen, was dann ebenfalls zu einem vermehrten, oft frühzeitigen Verschleiß führt.
Formell kann man die Position der Wirbelsäule und damit die Rückenkontur in Haltung, Stellung und Form untergliedern.
Haltung erfolgt durch aktive Muskelstabilisierung, Stellung kann zusätzlich durch passive Krafteinwirkung verbessert werden, die Form wird durch die knöcherne Ausbildung bestimmt.
Die Haltung beschreibt den momentanen Zustand, z. B. aufgrund der Stabilisierung durch die Muskulatur oder auch wegen fehlenden Haltes. Die knöcherne Form, z. B. der Wirbelkörper, ist dabei völlig unauffällig. Durch aktive Anspannung der Muskulatur kann die normale Position wieder eingenommen werden.
Mit Stellung beschreibt man einen Zustand, bei dem die knöchernen Elemente der Wirbelsäule gleichfalls völlig unauffällig sind, die Position aber nicht allein schon durch Muskelanspannung, also durch Aktivierung, in die normale Position überführt werden kann. Der Grund dafür sind oft Muskelverspannungen und -verhärtungen, die die Position fixieren. Durch aktive Maßnahmen kann die normale Position also nicht erreicht werden. Nur durch passive Krafteinwirkung, also Bandage oder Korsett, oder durch langfristig wirkendes Training der Muskulatur kann die Normalposition wieder erreicht werden.
Die Form wird durch die knöchernen Elemente bestimmt. Die Wirbelkörper können so beispielsweise einseitig in der Höhe reduziert sein, z. B. im vorderen Anteil oder auch seitlich. Knöcherne Veränderungen sind sogenannte Strukturveränderungen. Sie lassen sich weder durch aktive Maßnahmen (Muskulatur) noch durch passive (äußere Krafteinwirkung) verbessern. Formveränderungen sind fixiert. Dabei liegen also auch konstant veränderte Druckverhältnisse und Belastungen der Bandscheibe und der kleinen Wirbelgelenke vor. Entsprechend der Mehrbelastung kommt es an solchen Stellen mit größerem Druck zu einem erhöhten Verschleiß.
3.2Ermüdung im Laufe des Tages/Haltungsschwäche
Haltungsschwächen treten bei jedem Menschen mehr oder weniger stark auf. Im Laufe des Tages lässt die Kraft der Muskulatur nach. Die Haltung wird schlaff. Der Körper sinkt in sich zusammen. Besonders auffällig ist dies, wenn dadurch die Wölbungen der Wirbelsäule zunehmen und beispielsweise der Bauch weiter hervortritt, die Schultern nach vorne hängen und ein Rundrücken deutlich ist. Durch Ermahnung und aktive Muskelanspannung kann die schlaffe Haltung unmittelbar ausgeglichen werden. Bei Muskelermüdung tritt der schlaffe Zustand jedoch bald wieder ein.