Gefahr für Burg Bentheim. Mathias Meyer-Langenhoff

Gefahr für Burg Bentheim - Mathias Meyer-Langenhoff


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auf Balthasar wies.

      „Ich habe Dietlinde gebeten genau dich mit Gottes Hilfe anzusprechen. Du bist mutig, klug und hältst dich von den Lastern deiner Zeit fern.“

      „Wenn der fromme Mann wüsste, wie oft ich fernsehe, am PC spiele oder wie selten ich in die Kirche gehe, hätte er Dietlinde bestimmt beauftragt jemand anderen zu fragen“, dachte Lotte. „Ich verstehe trotzdem nicht, warum Sie meinen, dass gerade ich die Richtige dafür bin?“, sagte sie laut.

      „Nennen wir es göttliche Eingebung“, lächelte Balthasar, „ich hatte einen Traum.“ Er wurde wieder ernst. „Wir sind in dieser misslichen Lage, weil uns ein Mann bedroht, den man getrost als einen der schrecklichsten Barbaren unserer Zeit bezeichnen kann. Er ist ein übler Mordgeselle und hat ein großes Heer von trunksüchtigen und brutalen Verbrechern um sich versammelt.“

      „Was ist denn das für ein Kerl?“ Lotte schüttelte ungläubig den Kopf.

      „Wir nennen ihn Grimmbert den Schrecklichen, eigentlich heißt er Grimmbert von Padingbüttel und ist Friese. Ich habe ihn selbst noch nicht gesehen, aber man erzählt, er soll groß und unglaublich stark sein. Manche behaupten, er könne mit einem Hieb seines Schwertes einen Mann in zwei Hälften teilen.“

      Lotte schauderte, in was war sie da hineingeraten? „Sein Gehirn hat die Größe einer Erbse“, fügte Dietlinde verächtlich hinzu.

      „Na, na, Dietlinde. Sie will sagen, er könne nichts außer kämpfen“, fuhr Balthasar fort, „das Schlimme ist, er hat von der Schönheit der Tochter des Grafen Otto gehört und sich in den Kopf gesetzt, sie zu heiraten. Der Graf weigert sich jedoch, sie ihm zur Frau zu geben und hat Grimmberts Boten immer wieder abgewiesen. Seitdem belagert der Friese mit einem großen Heer die Burg. Gestern hat sich die Situation zugespitzt, er ließ Schüttorf plündern und brandschatzen. Viele Menschen sind deshalb zu uns nach Bentheim geflohen.“

      „Aber ich kann doch nicht für euch kämpfen, ich bin erst zwölf!“, rief Lotte entsetzt.

      Dietlinde, die während der Erklärungen Balthasars von einem Fuß auf den anderen getreten war, entgegnete: „Was heißt erst zwölf? Wir hier sind in diesem Alter längst erwachsen und haben unsere Pflichten. Aber du sollst kein Schwert in die Hand nehmen, das kannst du sowieso nicht tragen. Wir hoffen allerdings, du wirst uns mit den Segnungen deiner Zeit helfen.“

      „Segnungen meiner Zeit? Meinst du Computer und Handy und so was?“

      Dietlinde zuckte mit den Schultern.

      „Was immer es ist, es wird zum Wohlgefallen Gottes sein“, meinte Balthasar. „Allerdings gibt es ein großes Problem. Fast alle gräflichen Ritter und Burgmänner haben wegen der ständigen Angriffe ihre Güter und Gehöfte verlassen und sich in den Schutz der Burg zurückgezogen. Jetzt versuchen sie, den Grafen davon zu überzeugen, sogar diese selbst aufzugeben und mit ihnen weiter nach Holland zu fliehen. Für die Menschen im Ort wäre das eine Katastrophe, denn ohne den Schutz der bewaffneten Burgmänner sind sie verloren. Wir wollen den Grafen und seine Leute davon überzeugen hierzubleiben und zu kämpfen.“

      „So ist es!“, bekräftigte Dietlinde.

      Lotte starrte die beiden an, sie wünschte sich weg, ganz weit weg. Es schien ihr tausendmal leichter sich in der Schule mit Dr. Teichmann herumzuschlagen oder Verantwortung in der Mannschaft zu übernehmen.

      Was die zwei hier von ihr verlangten, war eine Nummer zu groß, nein, zehn Nummern zu groß. Warum hatte sie sich nur auf diese Zeitreise eingelassen? In ihrer Stadt lag der Abfall nicht einfach so auf den Straßen, es gab keinen Krieg und erst recht keine blutrünstigen Heerführer, wenn man mal von Dr. Teichmann absah. Balthasar ahnte, was in Lotte vorging, beruhigend strich er ihr über die Wange.

      „Mein liebes Kind, und ich nenne dich jetzt ganz bewusst so, ich weiß, in deiner Zeit leben junge Menschen anders als hier. Du sollst dich heute auch noch nicht entscheiden, das wäre zu viel verlangt. Nur auf eins möchte ich dich aufmerksam machen, du bist unsere einzige Verbindung in die Zukunft.“

      Balthasar machte eine Pause, bevor er fortfuhr: „Nun ziehe mit Dietlinde von dannen und denke in Ruhe über alles nach. Ich bitte dich jedoch herzlich, am nächsten Tag wieder in die Katharinenkirche zu kommen, um meiner Schülerin deine Entscheidung mitzuteilen.“

      Lotte nickte, die Aussicht, wieder zu Doro und den anderen zurückzukehren, erleichterte sie.

      „Vorher solltest du dich aber umkleiden“, grinste Dietlinde, „damit dich auf dem Rückweg zur Burg nicht wieder alle so anglotzen.“

      „Ein kluger Vorschlag“, nickte Balthasar, „nur was soll sie tragen?“

      Dietlinde ließ den Blick schweifen. „Wie wäre es mit Eurer Schlafdecke, Vater?“

      „Oh ja, das geht“, freute sich Balthasar und zog aus dem Bettschrank einen mit Stroh gefüllten Sack. Er schüttelte ihn aus und riss Löcher für Arme und Kopf hinein.

      „Arme hoch!“, forderte er Lotte auf und stülpte ihr den Schlafsack über. Die wäre beinahe in Ohnmacht gefallen, denn das Ding roch und kratzte fürchterlich. Balthasar schien ihn noch nie gewaschen zu haben, aber der Sack verdeckte vollständig ihre Jeans und das Sweatshirt.

      „Dann müssen wir noch etwas dein Haupthaar zerwühlen“, lachte Dietlinde und fuhr ihr kräftig durch die Frisur. Balthasar gab ihr noch einen alten Strick, damit sie das neue Gewand für ihre Körpergröße passend gürten konnte.

      Dietlinde betrachtete sie prüfend. „Gut so, jetzt fällst du kaum noch auf, nur deine Schuhe musst du ausziehen, Bauernkinder laufen barfuß.“ Das leuchtete Lotte ein und sie versteckte sie unter ihrem weiten, neuen Kleidungsstück.

      „Wohlan denn“, meinte Dietlinde fröhlich und wandte sich zur Tür.

      Als die beiden Mädchen vor dem Haus standen, fiel ihr Blick auf Lottes strahlend saubere Füße, während ihre eigenen kohlrabenschwarz waren.

      „Fällt dir was an mir auf?“, fragte Dietlinde.

      „Na klar, du könntest mal wieder deine Füße waschen.“

      „Ich hatte eine andere Möglichkeit in Erwägung gezogen“, sagte sie, bückte sich und begann Lottes Füße kräftig mit Sand und Dreck zu scheuern.

      „Bist du verrückt? Lass das!“, rief Lotte entsetzt.

      „Jetzt halt still!“, schimpfte Dietlinde. „Deine edlen, weißen Treter fallen jedem Bentheimer doch schon von Weitem auf.“

      „Na gut, einverstanden, aber lass mich das selbst machen.“

      Lotte begann vor dem Haus immer wieder hin und her zu laufen, bis ihre Füße fast genauso aussahen wie Dietlindes. Dann gingen sie den Weg zurück, den sie gekommen waren.

      Als sie das untere Burgtor wieder erreicht hatten, bemerkte Lotte das Fallgitter, das bei Gefahr heruntergelassen werden konnte.

      „So ein Gitter gibt’s in unserer Zeit gar nicht, das mittlere Tor übrigens auch nicht“, stellte Lotte fest.

      „Vielleicht geht es bei euch ja friedlicher zu als bei uns“, antwortete Dietlinde.

      Vor der Katharinenkirche legte sie Lotte ihre Hand auf die Schulter. „Also, morgen Nachmittag werde ich in der Kanzel wieder auf dich warten, dann musst du mir sagen, wie du dich entschieden hast.“

      Lottes Gefühle und Gedanken fuhren Achterbahn. Sollte sie den Bentheimern helfen? Sie würde es gerne, aber sie hatte auch große Angst. Sie war sogar wütend auf Dietlinde, weil die sie erst in die Situation gebracht hatte. Gleichzeitig fand sie dieses Mädchen und ihren Lehrer beeindruckend, solchen Menschen war sie bisher noch nie begegnet. Gedankenverloren sah sie an Dietlinde vorbei.

      „Lotte, hörst du mich?“, fragte diese schließlich vorsichtig.

      „Ja, klar.“

      „Es


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