Safe Harbor. H.J. Welch

Safe Harbor - H.J. Welch


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hatte. Er schien Streuner anzuziehen wie eine Disney-Prinzessin – sofern diese Prinzessin neunzig Kilo stemmen könnte und an einem Tag so viel essen würde wie Robin in einer ganzen Woche. Aber dieser fantastische Waschbrettbauch war es wert…

      … und Robin verschloss auch diesen Gedanken in seiner geheimen Kiste der überflüssigen Schwärmereien, von denen niemand jemals erfahren musste.

      Er beschaffte sich eine Galgenfrist, indem er Smudge ausgiebig knuddelte. Peyton gab jedoch nicht so leicht auf.

      »Rob, ich weiß, dass du ein Computergenie bist und die anderen ohne dich aufgeschmissen sind. Aber du hast auch Urlaubsanspruch. Nutze ihn, bevor er verfällt! Ich verspreche dir, dass du dein Handy zurückbekommst und dich davon überzeugen kannst, ob alles richtig läuft. Aber jetzt ist Samstagabend und wir werden uns amüsieren.«

      Robin seufzte. Smudge – der so genannt wurde, weil er braun war, aber eine schwarze Schnauze hatte – wand sich in seinen Armen und leckte ihm übers Kinn. Robin konnte Dair keinen Vorwurf machen, den Kleinen aus einem Müllcontainer gerettet zu haben. Er war ein liebenswerter Kerl, selbst wenn er keiner bekannten Hunderasse zuzuordnen war und noch am ehesten in die Kategorie fluffiger Tollpatsch passte.

      Robin und Peyton hatten Musik laufen, deshalb hörten sie Dair erst, als er mit den Schlüsseln rasselte und die Wohnungstür öffnete. »Hallo!«, rief er und grinste die beiden an, während er hinter sich die Tür zutrat, weil er beide Hände voller Tüten hatte. »Hallo, hallo, wie geht's denn so?«

      Robins Herz schlug einen kleinen Purzelbaum beim Anblick von Dairs strahlendem Lächeln. Verdammt. Er hatte sich wirklich Sorgen gemacht, weil Dair nicht pünktlich zurückgekommen war. Robin musste darauf achten, dass seine Schwärmerei nicht aus dem Ruder lief.

      Als Dair in die Wohnung kam, rappelte sich Jimmy, die alte Bulldogge, auf und lief zu seinem Herrchen, um ihm zur Begrüßung auf die Schuhe zu sabbern. Die Katzen – Spot, Trixie und Jolly Roger – rafften sich ebenfalls auf und kamen angelaufen. Den armen Dingern fehlten Teile des Ohrs, des Schwanzes oder der Krallen, in Rogers Fall sogar ein Auge. Trotzdem fand Robin sie wunderbar. Er musste lächeln, als der große Mann sich bückte und sie zärtlich begrüßte. Dair kannte vermutlich ein Dutzend Methoden, einen Menschen zu töten, und doch knuddelte er jetzt seine Fellknäuel und gab ihnen Küsschen.

      Diese dumme Schwärmerei klopfte jetzt wieder laut an den Deckel der Kiste in Robins Brust, doch er hielt ihn fest geschlossen.

      »Tut mir leid, dass ich so spät bin. Ich habe uns Essen mitgebracht«, verkündete Dair und stellte die Tüten auf der Küchenzeile ab. Zwei Sixpacks Bier waren auch dabei. »Fröhlichen Urlaubsanfang, Robin!«

      Eine Mischung aus Verlegenheit und Stolz durchfuhr Robin bei so viel Aufmerksamkeit. Dankbar nahm er sich ein Bier und lenkte sich damit ab.

      Dair öffnete sich ebenfalls eine Flasche Bier. »Ich wollte anrufen und euch Bescheid sagen, dass ich Essen mitbringe, weil es zum Kochen zu spät wird. Es ist niemand ans Telefon gegangen.«

      »Thai ist immer gut«, erklärte Peyton, die den Mund voller Cracker hatte.

      Robin lächelte schief. »Tut mir leid. Peyton hat mein Handy in den Kühlschrank gelegt.«

      Dair blinzelte. »In den Kühlschrank?«

      »Ja«, sagte Peyton. »Weil er ein Blödmann ist. Oh… Ist das Tintenfisch?«

      Der köstliche Geruch von heißen Nudeln, Reis und Curry stieg Robin in die Nase. Sein Magen knurrte und er war froh, das Essen als Entschuldigung benutzen zu können, um nicht über seine Probleme reden zu müssen. Er bediente sich bei seinen Lieblingsgerichten und vermied dabei wohlweislich jeden Blickkontakt mit Peyton und Dair.

      Es war nicht so, dass er nicht nach Hause fahren wollte. Schließlich war seit seinem letzten Besuch schon verdammt viel Zeit vergangen. Ihm wurde allerdings regelrecht schlecht bei der Vorstellung, seine Arbeit im Stich lassen zu müssen. Robin grübelte über seine Entscheidung nach. Sein Magen gurgelte von dem vielen Bier, in dem eine Handvoll Nudeln schwamm. Verdammt, er konnte nicht fahren. Er konnte einfach nicht.

      »Robin?«, sagte Dair und ließ sich aufs Sofa fallen. »Ist alles in Ordnung?«

      Robins Magen flatterte jedes Mal, wenn Dair ihn mit diesem besorgten Tonfall ansprach. Der Mann hatte keine Ahnung, wie sexy es war, wenn er den professionellen Marine herauskehrte.

      Robin konnte nicht verstehen, wieso ein solcher Mann die Freundschaft mit jemandem wie ihm selbst suchen sollte. Anfangs hatten Peyton und er nach einem schwulen Mitbewohner gesucht, doch das hatte zu nichts geführt. Dair schien sich nicht daran zu stören, dass sie beide homo waren. Dair kochte immer gerne für sie alle; er half Peyton, sich auf ihre Prüfungen vorzubereiten und spielte mit Robin Videospiele. Er war ein guter Kerl.

      Robin seufzte und stocherte mit den Essstäbchen in seinem Essen rum. Er hatte plötzlich keinen Hunger mehr. Er musste endlich aufhören, über Dair nachzudenken. Und er musste sich entscheiden, ob er zu dem Klassentreffen fahren sollte oder nicht.

      Jay, sein Zwillingsbruder, wäre sehr enttäuscht, wenn Robin in letzter Minute absagte. Jay gehörte dem Festkomitee an und hatte Tag und Nacht daran gearbeitet, Veranstaltungen und Aktivitäten vorzubereiten, die während der Festwoche stattfinden sollten. Der Gedanke an so viel Geselligkeit machte Robin nervös. Er zog es sowohl bei der Arbeit wie beim Spiel vor, sich hinter einem Bildschirm zu verstecken. Seine Arbeit war jedoch der Hauptgrund, warum er darüber nachdachte, nicht nach Pine Cove zu fahren.

      Als er Dairs Frage nicht beantwortete, sprang Peyton ein. Sie war Krankenpflegerin. Robin musste sich also damit abfinden, gleich von zwei fürsorglichen Freunden umgeben zu sein. Verdammt. »Robin denkt ernsthaft darüber nach, nicht zu dem Klassentreffen zu fahren.«

      Sie sah ihn mitfühlend an, fasste ihn am Knie und drückte zu. Ihre Haare waren hinten und an den Seiten kurz geschoren, aber vorne fielen sie ihr in die Stirn. Die Frisur, die bei jedem anderen Menschen brutal gewirkt hätte, sah bei der zierlichen Peyton mit ihrem androgynen Erscheinungsbild absolut umwerfend aus. Fand jedenfalls Robin.

      »Halt… was?«

      Dair sah Robin an und zog die Augenbrauen hoch. Er saß auf dem Sofa gegenüber, umgeben von seinem Streunerpack. Fairerweise musste man sagen, dass – von Smudge abgesehen – alle anderen ein Nickerchen hielten. Das kleine Fellknäuel sprang Dair um die Füße in der Hoffnung, dass früher oder später ein Stück Geschnetzeltes auf den Boden fiel, das er sich einverleiben konnte.

      »Aber…«, fuhr Dair fort, ohne Robin aus den Augen zu lassen. »Du hast es doch schon vor Monaten geplant.«

      »Momentan ist in der Firma die Hölle los«, sagte Robin schweren Herzens und seufzte. Peyton gab ein ersticktes Geräusch von sich und kniff die Augen zusammen. »Was ist?«

      Sie rutschte von ihm weg. »Sei mir nicht böse…«

      Robin runzelte die Stirn. Er konnte sich nicht erinnern, ihr jemals böse gewesen zu sein. »Warum sollte ich dir böse sein?«

      »Meinst du, dass du vielleicht deshalb nicht fahren willst, weil Mac auch kommt?«

      Diesen Namen hatte Robin schon lange nicht mehr gehört. Verwirrt schüttelte er den Kopf. »Nein. Nein. Ich meine… Nein. Das hat damit gar nichts zu tun.« Robin hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, zu vergessen, dass er Mac wiedersehen würde. Er schüttelte sich. Es war, als wäre er gerade in einen eiskalten See gesprungen.

      »Wer ist Mac?«, fragte Dair. Seine Aufmerksamkeit war ganz auf Robin gerichtet. Sogar seinen Teller hatte er abgestellt (auf den Tisch, wo Smudge ihn nicht erreichen konnte). Robin konnte sich nicht erinnern, dass Dair jemals sein Essen zur Seite geschoben hätte. Jedenfalls nicht, seit er ihn kannte.

      Peyton seufzte. »Mac ist Robins Ex. Ein Psycho.«

      »Meinst du nicht, Psycho wäre etwas übertrieben?«, stammelte Robin. »Sicher, er war ein Arschloch, aber…«

      »Sobald nicht alles nach seinem Kopf ging, ist er ausgerastet!«, rief Peyton. Sie hatte Mac nie kennengelernt,


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