Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell
nicht auch noch gekifft hatte, nicht mal an einem Joint hatte ich gezogen, zu sehr war ich mit Olivia und später mit ihrem Macker beschäftigt gewesen. Von den rosa Pillen hatte ich auch nur eine genommen, sodass mir die Welt zwar ein bisschen bunter und fröhlicher erschienen war und ich bessere Laune gehabt hatte als zuvor, aber wirklich beeinflusst hatte sie mich nicht. Zumindest hatte ich nicht das Gefühl gehabt, fliegen zu können. Ich hatte auch keine Angst vor Häusern gehabt oder was einem sonst so alles zustieß, wenn man dieses Zeug einwarf.
„Tja, Sonnenschein, da musst du jetzt wohl durch“, sagte die Mutter mitleidig, „das ist eine Erfahrung, die man besser in der Jugend schon macht, damit man später die Finger vom bösen Alkohol lässt. Also, Süße, raus aus den Federn. Ich geh schnell mit Flocke spazieren, dein Vater ist noch im Bad, aber er müsste eigentlich gleich fertig sein. Ich würde dir dringend raten, noch zu duschen, du riechst ein wenig streng, meine Liebe. Also, bis gleich, hab dich lieb.“
„Ich dich auch“, murmelte Edda erschlagen.
Ihre Mutter rauschte aus dem Zimmer und ließ die Tür sperrangelweit offen stehen. Ich hatte es immer gehasst, wenn mein Alter reingeplatzt war, ohne anzuklopfen, und die Tür beim Rausgehen offen gelassen hatte, als wäre mein Zimmer, meine Privatsphäre, ein Zugabteil, durch das man eben mal durchrennen konnte und dessen Türen sich von selbst schlossen. Ätzend!
Edda stöhnte und wimmerte leise. „Oh Gott, scheiße, oh Mann, scheiße ...“
Also, so dramatisch war es jetzt auch wieder nicht gewesen. Wir hatten uns nicht mal ausgezogen oder Doktorspiele gemacht oder sonst irgendwas, das Spaß machte. Obwohl ich ehrlich zugeben musste, dass es sich gut angefühlt hatte, mit ihr zu kuscheln.
Obwohl es megapeinlich sein würde, plötzlich hinter der Tür hervorzuspringen, konnte ich nicht ewig hier stehen bleiben. Ich hatte auch gar keine Lust mehr, mich hier zu verbergen, denn erstens musste ich dringend aufs Klo und zweitens wollte ich mein neues Leben nicht damit anfangen, unnötig Zeit zu verschwenden. Also machte ich einen Schritt nach vorn, gab der Tür einen festen Stoß und stand in meiner ganzen zerknautschten Pracht vor der erschrocken aufkreischenden Edda.
„Ganz ruhig, Rotschopf“, beruhigte ich sie und verschränkte lässig die Arme vor der Brust. „Ich bin’s doch nur.“
„Oh mein Gott“, stieß sie hervor.
„Danke, aber du kannst mich gerne Chris nennen“, scherzte ich, doch der Witz drang gar nicht bis zu ihr durch.
Sie sah nicht gerade aus wie das blühende Leben, ihre Augen waren vom Schlaf noch ganz verklebt und rot gerändert, ihre Nase wirkte spitz, sie war noch blasser als sonst und ihre Haare standen in alle Himmelsrichtungen von ihrem Kopf ab. Sie sah, um es deutlich zu sagen, aus, als hätte sie eine verdammt harte und verdammt kurze Nacht gehabt. Was auch stimmte, schließlich waren wir erst um sechs oder so eingeschlafen, jetzt war es kurz vor elf, machte insgesamt fünf Stunden. Nicht gerade viel Zeit, um sich zu erholen. Ich fragte mich, ob ich mich schuldig fühlen sollte.
„Ich kriege gleich einen Herzinfarkt“, murmelte Edda, rieb sich die Augen, räusperte sich und blickte mich dann aus zusammengekniffenen, schmalen Augen an. „Christopher. Du bist tatsächlich hier, hab ich das also nicht nur geträumt.“ Aha! Vielleicht träumte sie wirklich manchmal von mir, wer wusste das schon. Ich war ja auch ein geiler Typ.
Grinsend sah ich sie an. „Es war was viel Besseres als ein Traum, Babe, es war Realität“, ließ ich sie wissen. „Wir haben miteinander geschlafen.“
Sie wurde, wenn möglich, noch blasser, ihre Augen weiteten sich geschockt, sie starrte mich fassungslos an. „Wa...wa...was?“, stammelte sie. Mein Gott, sie hatte eindeutig nicht meine Art von Humor.
„Auf einer Couch, meine ich. Nicht sexuell gesehen“, sagte ich beschwichtigend.
Wie um sicherzugehen, dass ich sie nicht anlog, hob sie probeweise die Decke, guckte darunter und atmete erleichtert aus, als sie feststellte, dass sie nicht nackt war. Ein wenig beleidigt war ich schon. Sex mit mir war nun wirklich nicht das Schlechteste der Welt. Aber, schon klar, irgendwo im Hintergrund gab es noch diesen blonden Surferheini.
„Sehr witzig, Christopher, echt“, fauchte sie mich an, schlug die Decke zurück und glitt langsam von der Couch. Ihr orangegoldenes Kleid, das sich böse mit ihren roten Haaren biss, war völlig zerknittert und zerknautscht.
„Okay, ich sehe schon, du bist nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen“, meinte ich nach einem Blick in ihre Funken sprühenden blauen Augen, die ich nicht zu lange und zu genau betrachten durfte, weil ich sonst ihrem Bann verfiel. „Und ich kann’s dir echt nicht übel nehmen. Ich wollte eh gerade abhauen.“
„Aha.“ Sie klang so was von unversöhnlich und sauer, als hätte ich es versaut, dabei hatte ich doch nichts gemacht, oder? Wahrscheinlich plagten ihr ehrliches, kleines Herz Schuldgefühle wegen ihres Freundes, weil sie Arm in Arm mit mir geschlafen hatte, unsere Körper eng aneinandergeschmiegt. Du meine Güte!
„Also ...“ Ich leckte mir über die Lippen, fuhr mir durch die langen dunkelbraunen Locken und war mit einem Mal nervös. Sie einfach hier stehen zu lassen, war nicht die feine Art. Und obwohl mich alle Welt für ein Arschloch hielt und ich an diesem Ruf auch nicht ganz unschuldig war, war ich eigentlich keines. Ich war vielmehr ein netter Kerl ... wenn man mich nicht verarschte oder verliebt anschmachtete. Eines dieser beiden Dinge taten Mädchen nämlich immer. Entweder sie verarschten mich oder sie verliebten sich in mich. Ich wusste nicht, was schlimmer war. Diese Edda mit der wilden roten Mähne passte jedoch nicht in dieses Muster. Ich glaubte nicht, dass sie sich jemals in mich verlieben würde, und verarschen würde sie mich wohl auch nie, dazu war sie viel zu ehrlich, hatte ein viel zu gutes Herz. Deshalb war ich ein wenig verunsichert, wusste nicht weiter. Nur eins war klar wie Kloßbrühe: Ich musste endlich hier verschwinden, verdammt!
„Also, Rotschopf“, ich nickte ihr wohlwollend zu, „danke für deine Gastfreundschaft. Und deine ... äh ... Hilfe gestern Abend.“ Es war mir total peinlich, als ich mich zurückerinnerte, wie sie mich die Treppen hinaufgehievt hatte, während ich wie ein nasser Sack an ihr gehangen hatte. Olivia hätte mich vermutlich auf halber Strecke absichtlich fallen gelassen, um sich weitere Unannehmlichkeiten zu ersparen. Moment mal, warum dachte ich überhaupt noch an dieses kleine Fl... ach, egal. Ich strich sie aus meinen Gedanken.
„Ja, kein Ding, Christopher“, sagte Edda nun und klang nicht mehr ganz so kühl und abweisend. „Ich konnte dich ja nicht einfach da draußen liegen lassen.“ Sie zuckte die Achseln.
„Na ja, doch, hättest du tun können“, erwiderte ich. Wenn ich ehrlich mit mir ins Gericht ging, befürchtete ich sogar, dass ich, wäre ich an ihrer Stelle gewesen, einen betrunkenen Typen nicht in mein Haus gelassen hätte, nicht mal, wenn ich ihn flüchtig gekannt hätte. Bei einem Mädchen hingegen sähe das anders aus, die Arme würde ja meinen Schutz brauchen.
„Ach, schon in Ordnung, Christopher.“ Sie winkte ab. „Schwamm drüber. Ist ja jetzt vorbei. Wie geht’s dem Kopf?“
„Beschissen“, murmelte ich unkonzentriert. Warum nannte sie mich nur immer Christopher? Das machte mich ganz verrückt.
„Meinem geht’s auch nicht so gut“, teilte sie mir mit. Keine Ahnung, ob mich das jetzt trösten sollte. „Ich bin einen so hohen Alkoholkonsum einfach nicht gewöhnt.“ Spöttisch hob sie eine Braue. „Bei dir sieht das wohl anders aus, was, Christopher?“
Ach, verdammt noch mal! „Würdest du mich bitte nicht Christopher nennen?“, bat ich sie genervt. Hatte sie noch nicht mitbekommen, dass ich Chris hieß, oder wollte sie mich ärgern?
Unschuldig blinzelte sie mich an und riss ihre hammertollen Augen dabei ganz weit auf, das kleine Biest. „Aber so heißt du doch“, meinte sie, als wäre ich blöd und hätte meinen eigenen Namen vergessen.
„Ja, aber“, ich rieb mir gereizt den Nacken, „meine Freunde nennen mich Chris. Also tu du’s doch bitte auch, ja?“
„Aber wir sind keine Freunde, Christopher“, gluckste