Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell

Seit ich dich kenne ... - Jascha Alena Nell


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er die Beine unter meinem Tisch ausstreckt und auf meine Kosten lebt, bin ich verdammt noch mal darüber zu informieren, was dieser Nichtsnutz in der Schule leistet. Wo kommen wir denn dahin?“ Das Glas in seiner Hand zerbarst nun tatsächlich, Scherben bedeckten den Boden, Sekt spritzte umher, entsetztes Kreischen aus dem Publikum wurde laut.

      Olivia wünschte sich sichtlich, sich in Luft aufzulösen, und starrte so gebannt in die Ferne, als gäbe es dort was Spektakuläreres zu sehen als das, was sich hier direkt vor ihrer Nase abspielte. Mein Vater wischte seine Hand an der schwarzen Samthose ab und bedachte erst meine Lehrerin, dann mich mit einem abfälligen Blick. „Das ist doch ein abgekartetes Spiel hier“, knurrte er, ehe er auf mich losging. „Denkst du vielleicht, ich zahl ewig für dich? Dass ich nur arbeite, um dir ein Leben im Luxus zu finanzieren, damit du dir Drogen, Alkohol und irgendwelche Nutten leisten kannst?“

      Empörtes Luftschnappen war beim Publikum zu vernehmen, Eltern und Abiturienten wirkten gleichermaßen bestürzt und hielten den jüngeren Geschwistern beziehungsweise Kindern schnell die Ohren zu oder drängten sie weiter. Olivia war leichenblass geworden, drehte sich um und lief davon. Super! Ganz toll. Ich hätte zu gerne mit ihr geschlafen, ganz ehrlich, sie war heiß. Auch wenn sie offensichtlich treulos war und nicht wirklich an mir interessiert. Aber das kannte ich ja schon. Die meisten Mädchen wollten nur meinen Körper. Mein Vater stand jetzt direkt vor mir und rammte mir schmerzhaft seinen Finger gegen die Brust. „Vergiss es, Freundchen! Du gehst arbeiten, das schwöre ich dir, und wenn du in einer Frittenbude stehst. Dann siehst du vielleicht endlich mal, dass das Geld nicht auf Bäumen wächst und man was dafür tun muss, wenn man im Leben Erfolg haben will.“

      „Ihr Sohn wird seinen Weg gehen“, meldete Frau Rabenstein sich ein letztes Mal zu Wort, „da bin ich mir sicher. Christopher, ich wünsche dir für deine Zukunft alles erdenklich Gute.“

      „Danke, Frau Rabenstein“, sagte ich tonlos.

      Sie lächelte mir aufmunternd zu, ehe sie mit fester Stimme zu meinem Vater sagte: „Ich muss jetzt weiter, andere Eltern wollen mich auch noch beschimpfen. Schönen Abend noch.“ Damit stöckelte sie davon, so schnell ihre High Heels sie trugen. Ich sah ihr nach, bis sie im Gedränge verschwunden war. Nette Frau ...

      „Das gibt’s doch nicht.“ Mein Vater schüttelte fassungslos den Kopf. „So was von inkompetent und unprofessionell. Oder hast du mit der auch gevögelt, hä? Weil sie dich jetzt so in Schutz nimmt?“ Mein Vater rammte mir wieder den Finger gegen das Brustbein und ich hatte die Schnauze voll. Ich hatte es nicht nötig, mich hier zum Gespött machen zu lassen, und ich hatte es längst nicht mehr nötig, mich von ihm anschreien zu lassen.

      „Nein, ich hab nicht mit ihr geschlafen“, sagte ich ruhig und trat zurück. „Frau Rabenstein ist einfach nur ’ne gute Lehrerin, der ihre Schüler am Herzen liegen. Und ich geh jetzt, ich hab keinen Bock mehr, mich hier mit dir zu streiten.“

      „Ach!“ Er lachte freudlos. „Das ist wieder typisch, wenn’s schwierig wird, haust du ab. Das hast du von deiner Mutter. Kein bisschen Kampfgeist, kein Biss. Oh, Junge, was soll nur aus dir werden?“ Er raufte sich das Haar.

      „Mir egal, was aus mir wird“, sagte ich laut, „solange ich nur nie so werde wie du.“

      Wir sahen uns in die Augen, minutenlang. Es fühlte sich an wie Stunden.

      Dann zuckte mein Vater die Achseln und ließ mein Abiturzeugnis zu Boden fallen. „Also schön“, sagte er gefährlich leise, „jetzt reicht’s. Ich hab genug von dir und deinem frechen Maul. Dann schlag dich doch allein durch und schau, wie du zurechtkommst, mir ist es von jetzt an egal. Ich will dich in meinem Haus nicht mehr sehen, ist das klar?“

      „Glasklar“, sagte ich ungerührt. „Ich hatte auch nicht vor, noch mal nach Hause zu kommen.“

      „Dann ist’s ja gut.“ Hämisch guckte er auf das Zeugnis zu unseren Füßen. „Mit diesem Wisch wirst du es nirgendwohin schaffen, Junge, das garantiere ich dir.“ Damit drehte er sich um und ging.

      Ich war frei. Ich war wirklich und wahrhaftig frei. Er dachte, er hätte mich rausgeschmissen, aber so war es nicht. Ich war freiwillig gegangen. Ich hatte mich endlich, endlich von ihm gelöst und war von den Ketten befreit ‒ nach neunzehn langen Jahren!

      Mit einem Mal fühlte ich mich richtig gut. Mein neues Leben begann genau jetzt in diesem Augenblick und es fühlte sich absolut genial an. Ich bückte mich, hob mein Zeugnis auf, stellte mein Sektglas auf einen der kleinen Beistelltische, ignorierte die Gaffer und die spitzen Bemerkungen einiger Klassenkameraden, wandte all dem den Rücken zu und lief los, hinein in mein perfektes neues Leben in Freiheit. Das Gefühl war absolut prickelnd und berauschend. Ich fühlte mich großartig und freute mich auf einen Abend mit meinen Jungs. Vielleicht würde ich ja dort ein hübsches Mädchen finden. Simon hatte viele Kontakte zu bezaubernden Damen, er arbeitete nicht umsonst in einem Stripclub ... vielleicht konnte ich auch dort anfangen. Das wäre ja wohl der geilste Job aller Zeiten! „Hey, Chris.“ Nur widerwillig löste ich mich von meinen schmutzigen Fantasien und lenkte den Blick auf das Mädchen, das da auf der Mauer saß und mit den Beinen baumelte. Ihr kurzes pinkfarbenes Kleidchen war hochgerutscht und legte glatte, seidig weiche, makellose Haut frei. Sie leckte sich verführerisch über die Lippen, in ihren braunen Augen lag ein feuriges Leuchten und mir wurde ganz heiß.

      „Olivia“, sagte ich mit rauer Stimme, während ich zu ihr hinüberschlenderte, bemüht, locker zu wirken und nicht so, als würde mir vor Erregung gleich der Reißverschluss explodieren. Sie lächelte mich an, entblößte dabei eine Reihe strahlend weißer Zähne. „Ich dachte schon, du wärst weg“, sagte ich und klang dabei erstaunlich gleichgültig.

      Sie streckte die Arme nach mir aus und ich legte meine nur zu gern um sie. „Du Dummer“, flüsterte sie, während sie ihre Hände in meinem Haar vergrub. „Ich habe hier auf dich gewartet. Ich würde nie einfach so verschwinden, Chris. Du weißt doch, wie sehr ich dich mag, nicht wahr?“

      „Ich bin mir nicht sicher ...“ Langsam strich ich mit den Fingerspitzen über ihren nackten Oberschenkel und spürte, wie sie erschauerte. „Zeig’s mir“, flüsterte ich und ließ meine Hand höhergleiten.

      Bereitwillig spreizte sie die Beine, warf die Arme um meinen Hals und küsste mich gierig, nass und leidenschaftlich. Ich erwiderte ihren Kuss, während ich meine Hand zwischen ihre Beine gleiten ließ. Ich schob ihr Höschen beiseite, legte die Hand auf sie. Olivia stöhnte und keuchte. Ich spürte, wie feucht sie war, und merkte, wie sich in meiner Hose etwas bewegte. Oh ja, sie wollte mich, sie war verrückt nach mir!

      Ich zog die Hand zurück, da ich sonst die Kontrolle verlieren würde, fasste sie stattdessen fest an den Oberschenkeln und zog sie von der Mauer. Sie schlang die Beine um meine Taille, ich legte die Hände auf ihren Hintern, knetete und massierte ihn und verlor mich ganz in diesem heißen Kuss.

      Nach einer halben Ewigkeit ließen wir atemlos und berauscht voneinander ab. „Wow!“, flüsterte sie.

      „Ja, wow“, dachte ich, während ich erst jetzt registrierte, dass sie wirklich ziemlich nass küsste ‒ meine Lippen waren völlig versabbert. So unauffällig wie möglich wischte ich mir über den Mund und griff nach ihrer Hand. „Nachdem wir geklärt haben, wie sehr wir uns mögen“, ich grinste ihr zu, „können wir ja jetzt auf Simons Party gehen. Was hältst du davon?“

      Sie war begeistert. Gutes Mädchen!

      *

      2002

      Edda: Die private Abschlussfeier war wirklich super. Unsere ganze Klasse feierte, zusammen mit anderen Freunden, Geschwistern und Bekannten, außerdem war die 13b mit von der Partie, ebenso deren Freunde, Bekannte und Geschwister. Die Stim-

      mung war ausgelassen, alle waren lustig drauf und verspürten dieses erleichternde Gefühl, es endlich, endlich geschafft zu haben.

      Die Aufregung, die alle empfanden, war ebenfalls deutlich wahrnehmbar. Da waren tausend Wege, tausend


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