Die Pilates Elements Methode. Andrea Frey
Physiologie und Anatomie unternehmen, um mehr über die Entstehung dieses Netzwerks zu erfahren.
1.4Ein kleiner Ausflug in die Histologie, Physiologie und Anatomie
Das Fasziennetzwerk ist das Bindegewebe unseres Körpers. Eine einzige große Faszie, die Fascia superficialis, umhüllt unseren Körper ähnlich wie ein Taucheranzug. Sie liegt direkt unter der Haut, ist mit unserem Unterhautfettgewebe verwoben und gibt unserem Körper seine Form und seinen Halt.
Entstanden in der zweiten Woche nach der Befruchtung, entfaltet sich dieses wunderbare Gewebe nach und nach, dehnt sich aus, schafft Platz für unsere inneren Organe, verwebt jedes noch so kleine Teil unseres entstehenden Körpers in einem immer kleiner werdenden Taschen-Beutel- System miteinander zu einem großen Ganzen.
Jedes dieser Netzwerke ist so einzigartig wie der Mensch, zu dem es gehört. Selbst wenn wir die Organe entnehmen würden, wäre immer noch zu sehen, wo jedes Einzelne seinen Platz hatte. Doch wie alles in unserem Körper ist auch dieses Netzwerk nicht vor Schädigungen geschützt.
Physische Traumata, wie Verletzungen, Operationen u. a., können Risse bzw. Schnitte im Gewebe entstehen lassen, die in der Regel von spezifischen Zellen unseres Organismus selbst repariert werden.
Häufig kommt es jedoch im Anschluss an die Reparaturmechanismen zu Verwachsungen und narbigen Strukturen, die einer therapeutischen Behandlung bedürfen. In diesem Fall versucht der Therapeut, durch manuelle Manipulation die verklebten Gewebeschichten zu lösen, damit die einzelnen Schichten wieder frei gleiten können. Das Gewebe wird wieder besser durchblutet, Stoffwechselschlacken werden abtransportiert und eine gesunde Stoffwechselaktivität wird wiederhergestellt.
Nicht nur physische Traumata schädigen unser fasziales Netzwerk, auch psychische Erkrankungen haben große Bedeutung für die Flexibilität unserer Faszien. Aus meiner Sicht und praktischen Erfahrung übt die Psyche in unserer heutigen Zeit mehr Einfluss aus als die Physis. In Stresssituationen werden im Körper Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol freigesetzt, die ein Zusammenziehen unserer Faszien bewirken. Auch verschiedene Arzneimittel zeigen ihre Wirkung auf dieses sensible System, welches zu Recht als unser sechster Sinn bezeichnet wird. Ich hoffe, dass in den nächsten Jahren noch mehr Erkenntnisse zum Thema Faszien und Psyche bzw. Neurologie bekannt werden, um Patienten gezielter helfen zu können.
1.4.1Psychosomatik und Faszien
Die Faszienforscher um Dr. Robert Schleip konnten mit unseren heutigen Technologien sichtbar machen, dass dieses Gewebe von zahlreichen Blutgefäßen und Nerven durchzogen wird, welche unter anderem für die Schmerzwahrnehmung (Nozizeption) und Körperwahrnehmung (Propriozeption) zuständig sind. Im Labor wurde messbar festgestellt, dass die oben genannten Stresshormone ein Zusammenziehen unserer Faszien bewirken, welche dadurch auf Dauer an Elastizität und Flexibilität verlieren. Steifheit tritt auf, das Gewebe verfilzt und wird anfälliger für Verletzungen und Schmerzen – was unter anderem den stressbedingten Rückenschmerz erklären kann.
Auch viele Therapeuten beschreiben bei Patienten, die unter starkem bzw. chronischem Stress leiden, palpatorisch eine gewisse fasziale Steifheit und einen erhöhten Muskeltonus. Hier liegt die Vermutung nahe, dass das Fasziengewebe in Verbindung mit unserem vegetativen Nervensystem und hier besonders dem Sympathikus steht. Die Folge daraus wäre, dass sich aufgrund der faszialen Steifheit die Skelettmuskulatur nicht entspannen kann und ein erhöhter Ruhemuskeltonus bestehen bleibt.
Weiter fanden Psychoneuroimmunologen heraus, dass ein bestimmtes Zytokin, das TGF-ß1, durch Aktivierung des Sympathikus vermehrt vorzufinden ist.
Zytokine (= Proteine, die das Wachstum und die Differenzierung von Zellen regulieren.) TGF-ß1 (= Transforming Growth Factor-beta1, ein lokales Zytokin, das im Zusammenhang mit Heilungsprozessen und Fibrosierung von Gewebe steht.)
Dieses Zytokin bewirkt unter anderem eine verstärkte Kontraktilität der Myofibroblasten (Zellen des Muskels), was die Faszien versteifen lässt. Da sich in den Geweben zahlreiche Mechanorezeptoren finden, kann durch gezielte fachtherapeutische Manipulation und Übungen das Gewebe entspannt und der Teufelskreis durchbrochen werden.
Schauen wir uns den Sympathikus und Parasympathikus etwas genauer an und machen einen Abstecher zum vegetativen Nervensystem.
1.4.2Das vegetative Nervensystem
Unser vegetatives Nervensystem arbeitet, im Gegensatz zu unserem willkürlichen Nervensystem, weitgehend ohne Beeinflussung (autonom) durch unseren Willen oder unser Bewusstsein. Die lebenswichtigen Organfunktionen, wie Kreislauf, Atmung, Verdauung, Stoffwechsel, Wasserhaushalt und auch teilweise die Sexualfunktionen, werden automatisch gesteuert. In einem gesunden Organismus besteht eine Balance, ein ausbalanciertes Wechselspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus.
Der Sympathikus – Kampf und Fluchtverhalten
Der aktive Sympathikus reagiert auf nach außen gerichtete Reize, wie z. B. körperliche Arbeit oder Stresssituationen, und bereitet den Organismus auf eine hohe Leistungsbereitschaft vor. Hier wird immer gerne das Bild des Säbelzahntigers benutzt, vor dem wir die Flucht ergreifen und um unser Leben rennen. In extremen Situationen schüttet der Körper zur schnellen Energiegewinnung Adrenalin aus und setzt Glukose frei.
Dadurch kommt es zu:
•einer Zunahme von Pulsrate und Kontraktionskraft des Herzens;
•einer Erweiterung der Pupille;
•einer Erweiterung (teilweise auch Verengung) der Muskelgefäße;
•einer Erweiterung der Bronchien;
•einer leichten Verengung der Hirngefäße;
•einer Verengung der Haut-, Schleimhaut- und Eingeweidegefäße;
•einer Verminderung von Tonus und Bewegungen des Magen-Darm-Trakts, die Sphinkter (= Schließmuskel) kontrahieren;
•einer verminderten Sekretion der Verdauungsdrüsen;
•einer verminderten Sekretion der Speicheldrüse.
Der Parasympathikus – Regeneration und Energieaufbau
Der Parasympathikus regelt die nach innen gerichteten Körperfunktionen, wie z. B. Essen, Verdauung und Ausscheidung.
Er bewirkt:
•eine mäßige Abnahme von Pulsrate und Kontraktilität des Herzens;
•eine Verengung der Pupille;
•eine Verengung der Bronchien;
•eine Steigerung der Sekretion der Tränendrüsen;
•einen Steigerung der Sekretion der Speicheldrüsen;
•eine Steigerung der Sekretion der Verdauungsdrüsen;
•eine Steigerung