Silvia - Folge 2. Jürgen Bruno Greulich

Silvia - Folge 2 - Jürgen Bruno Greulich


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klatschte der Stock auf ihren Hintern, hart und schmerzhaft. Drohend mischte sich die Stimme des Gnoms in ihr Wimmern. „Ich denke, dass du sehr wohl Bescheid weißt. Und ich denke, dass du mit mir reden solltest.“ Der nächste Hieb trieb den nächsten erstickten Schrei von ihren Lippen.

      Der Vorsatz, nicht noch mehr zu verraten, war spurlos verschwunden. Nur nicht wieder die Gerte spüren! „Ja, er hat sie missbraucht. Misshandelt auch. Über Jahre hinweg.“

      „Und sie hasst ihn?“

      „Ja, das tut sie.“

      „Das hättest du auch gleich erzählen können.“ Er klang zufrieden, der Kobold, als hätte er ein Juwel gefunden.

      Vorsichtig öffnete sie die Augen, sah, wie er vor sie trat und am Rad drehte, mit der Gerte noch in der Hand. Die Schiene bewegte sich nach oben Zentimeter um Zentimeter, bis sich ihr Kopf in Höhe seines Schoßes befand. Er zog den Reißverschluss seiner grauen Hose herab, brachte einen kleinen, schrumpeligen Penis hervor. Wenn er ihn ihr in den Mund steckte, hatte sie es überstanden, so lautete sein Versprechen. Sie schnappte nach ihm wie nach einem Erlöser, saugte innig an ihm, erweckte ihn geduldig zu neuem Leben, spürte ihn wachsen und empfing das Sperma seufzend vor Lust, die sich triumphierend über den Schmerz erhob.

      Die Gerte sank aus der Hand des Gnoms, er legte zwei Hunderteuroscheine auf die Schiene, ihr Trinkgeld, und bedankte sich für die hilfreiche Auskunft, als hätte sie ihm diese freiwillig gegeben wie am Informationsschalter. Er entschwand ihrem Blickfeld, gab ihr einen sanften Klaps auf den geschundenen Po und verließ den Raum, zog behutsam die Tür hinter sich ins Schloss.

      Gut, dass sie nicht Mitglied einer Untergrundorganisation war, gar zu leicht hätte man alle gewünschte Informationen von ihr erfoltern können. Offenbar wurde man gegen Schmerz nicht immun, gewöhnte sich nicht an ihn, wurde nicht resistent, sie jedenfalls nicht.

      Iris kam herein und erlöste sie vom Pranger. Seufzend richtete sich Silvia auf und zerknirscht gestand sie ihren Verrat, bat um Nachsicht für ihre Schwäche.

      Das Verständnis fiel Iris schwer. „Ich habe nie etwas verraten, ich habe geschrien, geweint, um Gnade gebettelt, aber verraten habe ich nichts.“ Allerdings maß sie dem Wissen des Mannes keine große Bedeutung bei: „Er weiß nicht, wer ich bin, er kennt meinen Vater nicht, was soll er schon tun?“

      Silvia zog ihr Negligé über und folgte ihr hinaus. Was hätte sie noch sagen sollen, wie sich rechtfertigen? Würde sie Gleiches noch einmal erleben, würde sie wieder alles preisgeben, zur Heldin nicht geboren. „Das Fleisch ist schwach“, sagte sie nur auf dem Weg nach oben.

      Iris rang sich ein versöhnliches Lächeln ab. „Schwach und doch stärker, als man meint. Wie sonst sollte man damit leben können.“

      In der Garderobe stopfte Silvia das Trinkgeld in ihre kleine Tasche, die neben dem Kleid an der Garderobenstange hing, und nahm eine Dusche, ging dann wieder ins Foyer. Immanuel bedachte sie mit einem tröstlichen Blick und schob ihr ein Glas mit bernsteinfarbenem Bourbon zu, als wisse er genau, was jetzt gut für sie war. Sie prostete ihm zu, nahm ein Schlückchen, fühlte mit der belebenden Wirkung neuen Mut erwachen. Das Fleisch war stärker, als man meinte, natürlich, und ebenso die Seele. Ein zweites Schlückchen noch, dann konnte sie den suchenden Blick eines Gastes mit einem einladenden Lächeln erwidern.

      Vier weitere Kunden bediente Silvia an diesem Abend noch, ehe sie spät in der Nacht nach oben ging, erschöpft, geschändet, ausgelaugt. Sechs Männern hatte sie Zugang gewährt, keine ihrer Öffnungen war unbenutzt geblieben, man nahm sie, wie man sie nehmen wollte.

      Im Bett sah sie die Bilder des Tages vor Augen, sah sich erobert und unterworfen, spürte den Nachklang der Gerte auf der Haut und fühlte Tränen über ihre Wangen rinnen. War es tatsächlich das, was sie wollte, konnte man sich ein solches Leben wünschen? Sie fühlte sich allein gelassen, verloren, treibend in einem winzigen Boot auf einem unendlich weiten, wild stürmenden Meer, die Schiffbrüchige eines gesunkenen Luxusdampfers. Aber nein, er war gar nicht gesunken, durchkreuzte die Wellen noch immer, nur weit entfernt. Sie war aus freien Stücken von ihm geflüchtet, war noch viel verlorener gewesen in den verschlungenen leeren Gängen und feudalen Kabinen, in denen sie überall nur den Kapitän vorfand und dazu den Ersten Offizier, beide danach trachtend, ihr die Seele zu entreißen. Die zärtliche Hand am wohlig schmelzenden Schoß schenkte Ruhe. Das winzige Boot mit seinen dünnen Planken würde sie tragen, der Sturm sich legen, die Sonne einen neuen Tag gebären, und sicherlich gab es Land in der Nähe, das Schutz und Geborgenheit bot …

      Der Schrecken und die Linderung

      Der Freitag strahlte glitzernd blau, die Macht des Winters war ungebrochen, man hätte meinen können, er sei ein Kunde. Ihr Tagebuch nahm Silvias Sorgen geduldig auf, dann klappte sie es zu und schaute aus dem Fenster. Eisige Stille, kein Wölkchen am Himmel, vermutlich wären sie erfroren und abgestürzt. Die Gedanken schweiften zum Gnom, der fast so hart wie Wolfgang zuschlagen konnte. Was sie außer Fassung gebracht hatte. Unverständlicherweise allerdings. Denn sie hatte doch wissen müssen, dass es auch hier keinen Anspruch auf Schonung gab, dass man sie nicht als Frau mit Gefühlen sah, sondern als gekaufte Ware, der Rücksicht nicht zustand. Und sie hatte es ja auch gewusst, geahnt zumindest, sie durfte nicht jammern. Zumal es ja auch andere Dinge hier gab, die Mädchen mit ihrer Freundlichkeit, Corinna und sogar ein paar Gäste, die nicht ausgesprochen unsympathisch waren, fast im Gegenteil …

      Sie schrak zusammen, da das Telefon läutete, das bisher stumm gewesen war wie vom Netz abgeschnitten. Es klang melodisch, gedämpft, zurückhaltend, als wolle es nicht stören. Es konnte nur einer sein, der da nach ihr rief, Helmut, sie nahm ab und hörte seine Stimme. Er fragte besorgt, ob er sie geweckt habe (aber nein, es war spät genug, Mittag schon fast), und erkundigte sich nach ihrem Befinden (gut ging es ihr, was sonst). Nach einigem Herumgedruckse fasste er schließlich Mut und erinnerte sie an ihre Abmachung, dass sie seine Bilder mal angucken wolle. Vielleicht am Dienstagabend um acht? Und vielleicht bei einem Gläschen Wein?

      Ja, die Bilder, natürlich. „Okay. – Aber nur die Bilder, ein bisschen Wein und miteinander reden, mehr nicht.“ Sie wunderte sich selbst über ihre Reserviertheit, benahm sich ja wie eine Jungfrau, die um ihre Unschuld fürchtet.

      „Natürlich. Etwas anderes lag auch nicht in meiner Absicht.“

      Lügner, dachte sie und notierte seine Adresse.

      „Also dann, Silvia, bis Dienstag. Ich wünsche dir eine gute Zeit.“ Er klang erleichtert, war offenbar froh, den Anruf überstanden zu haben. Vermutlich hatte ihn der Griff zum Telefon einige Überwindung gekostet.

      Erneut läutete das Telefon. Hatte er noch etwas vergessen? Nein, er war es nicht, es war Corinna. Sie klang anders als sonst, ernst, besorgt, als sei etwas passiert. Nach wenigen Worten kam sie zur Sache: „Wir haben Besuch.“

      „Besuch? Von wem?“

      „Dein Mann ist hier.“

      „Oh. Und was will er?“ Es war eine dumme Frage.

      „Er will dich zurückhaben.“

      „Ich will aber nicht zurück, auf keinen Fall!“

      „Das musst du auch nicht. Die Frage ist nur, ob du ihm das selbst sagen willst. Es würde die Sache erleichtern.“

      Sie sollte ihm Auge in Auge gegenübertreten? Alle Angst vor ihm wurde lebendig. Aber konnte sie sich davor drücken, so feige sein? War es nicht notwendig, die Dinge ein für alle Mal zu klären? „Wenn du mich nicht mit ihm allein lässt?“

      „Natürlich nicht. Wir werden dich behüten wie einen Schatz.“

      „Also gut. Und wo ist er?“

      „Ludger wird dich abholen.“

      Wer war Ludger? Es war einer der beiden Jungs für alles, der jüngere. Er pochte sachte an ihre Tür, kaum dass sie mit nervösen Fingern das Haar zurechtgezupft hatte, und geleitete sie die Treppe hinunter, zu ihrer Erleichterung aber nicht ins Foyer. Denn auch wenn es um diese Zeit noch schlief, mochte sie darin von Wolfgang nicht gesehen


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