Silvia - Folge 2. Jürgen Bruno Greulich

Silvia - Folge 2 - Jürgen Bruno Greulich


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einen Roman?“

      Laura nickte.

      „Worum geht es denn? Bringst du deine Erlebnisse hier im Haus zu Papier?“

      „Aber nicht doch. Das wäre zu pornografisch. Es geht um eine historische Frauengestalt, um Theresa de Cepeta, die Tochter eines kastilischen Edelmanns. Sie trat in jungen Jahren, nachdem ihre erste große Liebe zerbrochen war, in ein Kloster ein, reformierte es und wurde später heiliggesprochen.“

      Der Kaffee schmeckte gut und frisch. War das ein Omen für den Tag, sollte etwa alles gut werden? „Ach … und wie bist du zum Schreiben gekommen?“

      Laura lächelte. „Man kommt nicht zum Schreiben, es ist umgekehrt, das Schreiben kommt zu einem. Ich habe schon in Kinderjahren die ersten Geschichten geschrieben, es ist eine Neigung, auf die man so wenig Einfluss hat wie auf andere Neigungen auch …“

      Tja, diese Neigungen … ein gutes Omen käme gerade recht, heute, an Silvias erstem Pflichttag im Foyer. Sie seufzte leise. „Mit einer Heiligsprechung können wir mit unseren Neigungen wohl kaum rechnen.“

      „Wirklich nicht. – Doch sah es bei meiner Theresa lange Zeit auch nicht danach aus. Sie hatte Visionen, die sie niederschrieb, und diese waren höchst erotischer Natur, immer wieder empfing sie Gott, und das so leidenschaftlich, dass man sie schließlich vors Inquisitionsgericht brachte. Allerdings konnte sie die Richter von ihrer tiefen Gläubigkeit überzeugen und durfte in ihr Kloster zurückkehren.“

      „Um sich dort weiter mit ihrer ungestillten Sehnsucht zu quälen?“

      „Gut möglich.“

      Silvia trank den nächsten Schluck Kaffee. Seit heute Morgen hätte er sich in der besten Thermoskanne nicht frisch gehalten, also hatte man ihn erst vor kurzem zubereitet, ein bemerkenswerter Service, wenn man bedachte, dass es offiziell ja schon längst kein Frühstück mehr gab. „Was ist nun erträglicher, die einsame seelische Qual des ewig unbefriedigten Begehrens oder die körperliche Qual bei seiner Befriedigung?“

      Laura hatte inzwischen eine ganze Locke ihres Haares um den Finger gewickelt und rieb sie an ihrer Wange. „Nicht jede Befriedigung ist gleichbedeutend mit Qual.“

      „Bei manchen aber schon.“

      „Ja, bei manchen schon. Aber jedenfalls gehört die einsame seelische Qual des ewig unbefriedigten Begehrens nicht zu unseren Problemen und es sieht nicht so aus, als ob wir die Wahl hätten.“

      „Nein, sicherlich nicht. Weshalb wir auch nicht heiliggesprochen werden.“

      „Was uns nicht weiter stören sollte.“

      „Nein, auf keinen Fall.“

      Die Mittagszeit nahte und sie bekamen Gesellschaft, Monika erschien und gleich darauf Iris, wenig später auch Corinna, nein, die Herrin. Streng sah sie aus und so unerbittlich, wie sie es mitunter tatsächlich war. Sie trug ein dunkles Kostüm und hatte ein Make-up aufgelegt, das ihr Gesicht weiß und kalt erscheinen ließ, wie aus Stein gemeißelt. Eine Bestrafung müsse sie vornehmen, berichtete sie mit einem geplagten Seufzen, als sei diese Aufgabe eine schwere Last, eines der Mädchen habe gestern Abend den armen Schulmeister einen verknöcherten geilen Langweiler genannt. Damit habe sie zwar nicht unrecht, fügte Corinna lächelnd hinzu, doch müsse eine solche Beleidigung natürlich gesühnt werden, gelte es doch schließlich die Disziplin zu wahren.

      Laura war beeindruckt. „Ein solch mutiges Mädchen gibt es derzeit drüben? Das hätte ich nicht zu sagen gewagt.“

      „Mut ist nicht das richtige Wort, Unüberlegtheit trifft es besser. Marianne weiß manchmal nicht so recht, was sie tut, mitunter galoppieren ihre Gefühle wild davon, ohne dass die Vernunft hinterherkommt.“ Corinna seufzte. „Aber sie wird schon noch lernen, sich zu zügeln.“ Das glaubten Laura und Silvia sofort. Corinna eilte gleich nach dem Essen hinaus, um rechtzeitig im Mädchenraum präsent zu sein.

      Nachdenklich schaute Laura ihr nach. „Als Herrin ist sie wirklich zum Fürchten. Wenn sie so auftritt wie eben, fühle ich mich fast wieder wie eines der Mädchen von drüben. – Als Corinna aber ist sie sehr nett. Erstaunlich, dass ein Mensch solch unterschiedliche Seiten haben kann.“

      Verträumt blickte Iris aus dem Fenster in den leeren Hof. „Sie kann auch sehr liebevoll sein und sehr zärtlich.“

      Ach! Augenblicklich ruckten die Köpfe hoch. Was hatte das zu bedeuten? Wurde die zarte Blüte etwa von Corinna gepflückt? Wirklich verwunderlich erschien dieser Gedanke nicht. Und war es nicht allzu verständlich, wenn Iris nach den Erfahrungen mit männlicher Rücksichtslosigkeit nach weiblich einfühlsamer Zuwendung lechzte? Warum aber bekannte sie sich plötzlich dazu? Vielleicht war es ihr einfach ganz unbedacht herausgerutscht.

      „Ich dachte nicht, dass wir im Kloster leben“, sagte sie und widmete sich wieder dem Essen.

      *

      Nein, kein Kloster, wirklich nicht. Zum ersten Mal begann für Silvia die Nacht der Herren schon am Nachmittag. Schwarz wählte sie in der Garderobe aus, einen Strapsgürtel aus durchbrochener Spitze, Netzstrümpfe und ein Negligé mit Rüschen, das nur bis zur Taille reichte. „Hurenwäsche“, sie würde Wolfgang sicherlich gefallen, nun aber lockte sie andere Männer. Heute war sie bei den Vorbereitungen nicht alleine. Monika, die heute ebenfalls Dienst hatte, zog ein durchsichtiges weißes Gewand an, das die linke Achsel mitsamt der üppigen Brust unbedeckt ließ.

      Skeptisch betrachtete sie sich im Spiegel und ihr Blick schweifte zu Silvia. „Was hältst du davon?“

      „Irgendwie siehst du wie eine antike griechische Göttin aus.“

      „Gut. Vielleicht kommt ja irgendein Erdenmensch, um mich zu verehren. – Aber wo bleiben denn die anderen? Sie werden uns doch nicht alleine lassen?“

      Kaum ausgesprochen, ging die Tür auf und eine große schlanke Frau trat ein. Sie trug eine dicke Jacke und eine enge Jeans, ihr Haar war fast so schwarz wie das von Monika, nur sehr kurz geschnitten, fast war es eine Männerfrisur. Ihre dunklen Augen schauten ernst, ihr Gesicht war ebenmäßig und stolz, gebräunt der Teint. Sie begrüßte Monika mit einem Lächeln und reichte Silvia die Hand. „Hallo, wir kennen uns noch nicht. Ich bin Marlies.“ Silvia erwiderte den Händedruck und nannte ihren Namen. Irgendwie fiel es ihr schwer, in dieser Frau ein Mädchen zu sehen. Prüfend wurde sie von ihr gemustert. „Seit wann bist du denn hier?“

      „Seit vorgestern.“

      „Warst du schon mal im Foyer?“

      Silvia nickte.

      Monika schaltete sich beschwichtigend ein: „Sie macht es gut, ist keine Zicke. Du musst dir keine Sorgen machen.“

      „Das ist schön zu hören. Man weiß ja nie bei den Neuen.“

      Silvia sandte Monika ein dankbares Lächeln zu und Marlies zog sich aus, enthüllte ihren bronzefarbenen Körper, der glatt und haarlos war wie eine Statue. Klein waren die Brüste, lang die Beine, sie wirkte durchtrainiert wie eine Sportlerin. Während sich Silvia und Monika um ihr Make-up kümmerten, nahm Marlies ein knappes trägerloses Korselett aus schwarzem Leder von der Stange und ließ es sich von Monika eng schnüren. Das rot paspelierte Büstenteil umspannte die untere Hälfte ihrer Brüste wie ein Harnisch, schob sie nach oben, gab ihnen Fülle. Es reichte bis zur Taille und war an den halbrund geschnittenen Säumen vorn und hinten mit einem silbernen Ring besetzt, an denen sie eine fingerdicke Kette anschloss, die sich stramm gespannt zwischen die Lippen ihres Schoßes schmiegte. Dazu kamen hochhackige schwarze kniehohe Stiefel und ellbogenlange schwarze fingerlose Handschuhe. Ihre Lippen schminkte sie mit einem leuchtenden Rot, grübelnd von Silvia bestaunt. Wie ein williges Mädchen sah Marlies eigentlich nicht aus, eher wie eine Herrin, abgesehen mal davon, dass eine solche normalerweise mehr anhatte, um nicht als Lustobjekt herumzustiefeln.

      Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel, dann öffneten sie die Tür und zogen im Foyer ein, eine nach der andern, ein kleiner Trupp von Kokotten, stöckelnd auf hohen Absätzen. Fanfaren erklangen keine, dafür die ersten Takte eines klassischen Klaviers. Der Raum war leer, gut beheizt wie immer,


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