Strategie als Beruf. Maximilian Terhalle

Strategie als Beruf - Maximilian Terhalle


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die freiheitlich-liberale Weltordnung schützen.2

      Und dennoch: All diese Entwicklungen treffen auf ein Deutschland, das sich seiner Ansicht nach gut in Europa eingerichtet hat. Seine Perzeption der Weltpolitik ist weitestgehend unbedarft, ohne tiefergehendes Problembewusstsein strategischer Umbrüche. Die Gründe dafür sind, verkürzt gesagt, der Zweite Weltkrieg, die daraus abgeleitete Kultur der Zurückhaltung auch nach der Einheit sowie die Gewöhnung an umfassenden Wohlstand und den militärischen Schutzschirm der USA. Deshalb ist seit dem Ruf des ehemaligen Bundespräsidenten Gauck von 2014 nach „mehr Verantwortung“ Deutschlands aus dem häufig bemühten „Münchner Konsens“ nie ein Berliner Konsens geworden.

      Die bisher in Deutschland fehlende strategische Kultur ist deshalb ein Hinweis darauf, dass Staaten einer conditio sine qua non unterliegen, ohne die sie sich auf internationaler Ebene politisch, wirtschaftlich und in ihrer kulturellen Eigenart nicht erfolgreich behaupten können: der Fähigkeit, strategisch zu denken und entsprechend handeln zu wollen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Solange in einer Welt unterschiedlicher Machtgewichte und Wertesysteme Staaten die Möglichkeit besitzen, mit Mitteln aller Art Bedingungen zu schaffen, um andere Staaten anzugreifen oder diese mindestens so erpressbar zu machen, dass sie zum Handeln wider ihren Willen gezwungen werden können, ist die Notwendigkeit strategischen Denkens und Handelns von überragender Bedeutung. Dies schließt insbesondere Zeiten des Umbruchs von Weltordnungen, des machtpolitischen Umbruchs lange bestimmender Regelsysteme ein. „[Classical strategists have] always insisted that a concern with the dark side of the international system could never provide a total approach to international politics, but it was necessary to take care of it in order that the lighter side could glow“ (Freedman 1992, 282).

      Ein konzeptioneller Kompass für Strategen

      Strategen, Generalisten, Experten

      Übersehen wird deshalb, dass die allenthalben vorwaltende (Hyper-)Spezialisierung der Experten-Generalisten keine, strategischen Überblick gewährende Antworten auf die Komplexität internationaler Politik bieten kann. Deshalb muss sich dem eine strategische, machtpolitische Lesart internationaler Politik entgegenstellen. Diese beruht auf den im nächsten Abschnitt beschriebenen Vorbedingungen.

      Wiewohl ein unwahrscheinlicher Stratege, hat Hugo von Hofmannsthal die Mahnung Tetlocks mit verblüffender Leichtigkeit 1894 bereits vorweggenommen. Hofmannsthals kluges Diktum, „Was hilft es, viel gesehen zu haben?“, impliziert dabei gerade die Notwendigkeit zu strategisch geschulter Reflektion, die der in der Sicherheitspolitik weit verbreiteten, für selbsterklärend-pragmatisch gehaltenen Herangehensweise gegenübergestellt werden sollte (zit. in Gadamer 1989, 8).


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