Strategie als Beruf. Maximilian Terhalle

Strategie als Beruf - Maximilian Terhalle


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Denken wird hier nicht auf militärisches reduziert. Aber es ist wichtig zu anzuerkennen, dass militärische Macht per se – basierend auf ökonomischen Gewicht und technologischer Innovationskraft – zwischenstaatlichen Beziehungen zugrunde liegt. Der Band hofft, somit einen Beitrag zu jener strategischen Kultur zu liefern, von der es sich Deutschland noch immer leistet, auf sie zu verzichten. Das heißt nicht, dass ein Land nicht mehrere außenpolitische Identitäten hat, inklusive einer pazifistischen. Es zeigt vielmehr, dass das souveräne Bestehen im machtpolitischen Wettbewerb internationaler Politik und dessen tatsächliche Beeinflussung ohne eine strategische Kultur global nicht realistisch ist. Erst dann wird verständlich, was der zu Anfang erwähnte, häufig belächelte Aufruf zur Verteidigung der eigenen Werte eigentlich bedeutet – und von den Deutschen in der Weltpolitik verlangt.10 Zumal in der gegenwärtigen Zeitenwende des Umbruchs der Weltordnung.

      Drei Grundannahmen zur Natur der Weltpolitik

      Eine übergeordnete Einsicht aus der Betrachtung Clausewitzens liegt mithin darin, dass Staatslenkern, gerade weil ihnen die strategische Grundausrichtung und Entscheidungshoheit obliegen, immer Spielräume zum Handeln offenstehen trotz limitierender aber nie gänzlich unumgänglicher, struktureller Rahmenbedingungen. Vielmehr ist dies gerade der Platz, an dem der Stratege seine Wirkungsmacht entwickeln kann und muss (Freedman 2013, ix–xvi; Jervis 1997, 204–9).

      Zweitens: Die Strategic Studies sehen internationale Politik ihrer Natur nach als antagonistisch an, sowohl in anthropologischer als auch systemischer Hinsicht. Das systemische Grundbedürfnis der militärisch stärksten Mächte einer historischen Episode besteht in dem Maß an Sicherheit, das die ihnen jeweils spezifische Lebensart und die dafür notwendigen Voraussetzungen in Gegenwart und Zukunft erhält. Die Sättigung dieses fundamentalen Bedürfnisses erfordert deshalb eine historisch seltene, von allen zentralen Akteuren perzipierte Zufriedenheit mit dem Status quo. Aus der Beobachtung heraus, dass einige den Status quo als benachteiligend empfinden, während andere ihre mithin zufriedenstellend-privilegierte Position herausgefordert sehen und darauf zielen, diese entweder defensiv zu erhalten oder vorhandene Vorteile weiter auszubauen, wird unschwer deutlich, dass dem Politischen – aus der Sicht des Strategen – Konflikte immanent sind. Gegenwärtig sehen wir die Auswirkungen des weltpolitischen Streits der Großmächte um den „grand bargain“, den die ‚Pax Americana‘ seit 1990/1 voraussetzte. Chinas Regime, das das Ende des Kalten Krieg im Gegensatz zur Sowjetunion überstand, trat bereits in den 1970er-Jahren in den weltpolitischen Orbit Amerikas und sieht sich jetzt in klar konturiertem Gegensatz zu den USA (Terhalle 2015, 2019; Little 2007; Gilpin 1981; Clark 2005).

      Der strategischen Bestimmung des Zwecks deutscher Machtausübung muss vielmehr eine zentrale Überlegung vorausgehen: Wie ist das geopolitische Umfeld Deutschlands bestimmt, in dem Berlin


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