Tag X. V. S. Gerling

Tag X - V. S. Gerling


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gewesen war.

      Die Kooperation zwischen ihm und uns beschränkte sich darauf, uns zu verständigen, falls jemand mit dem Wunsch an ihn herantreten sollte, zum Beispiel an waffenfähiges Uran heranzukommen.

      Nun aber wollten wir etwas vollkommen anderes von ihm.

      Und ich war wirklich gespannt, wie er auf unseren Wunsch reagieren würde.

      Als wir uns Stunden später gegenübersaßen, kam ich sofort zur Sache.

      »Ich möchte, dass Sie einen Plan entwerfen, wie man die aktuelle Bundesregierung stürzen kann. Und zwar so, dass es nicht nach einem absichtlich herbeigeführten Sturz aussieht. Darüber hinaus möchten wir, dass die Bevölkerung dem Sturz der amtierenden Regierung und den Änderungen des bestehenden Systems begeistert zustimmt.«

      Er sah mich ausdruckslos an. »Und wie genau würde diese Änderung des Systems aussehen?«

      »Eine gute Frage. Auf jeden Fall gäbe es einen Wechsel von Demokratie zur Autokratie. Ob nun ein Politiker oder ein Militär die Führung übernimmt, kann ich nicht sagen.«

      Hagedorn schwieg eine Weile. Schließlich sah er zuerst zu Patrick, dann zu mir. »Das ist kein Planspiel, oder? Da steckt eine tatsächliche Bedrohung dahinter.«

      »Richtig.«

      »Hat das vielleicht etwas mit dem Absturz des Kampfjets zu tun?«

      Ich nickte. »Wieder richtig.«

      »Was zum Teufel ist in Deutschland los?«

      Wir erklärten ihm, was Schranz uns erzählt hatte. Als wir geendet hatten, schwiegen wir eine Weile.

      Schließlich ergriff Hagedorn wieder das Wort. »Wie hoch geht das?«

      »Wir vermuten, bis auf Ministerebene.«

      Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das meinte ich nicht. Politiker spielen in diesem Szenario eine untergeordnete Rolle, glauben Sie mir. Viel mehr interessiert mich die Frage, wie es um Verfassungsschutz, MAD und andere Behörden bestellt ist.«

      »Sie meinen …«

      »Ich meine nicht, ich bin davon überzeugt, dass diese Behörden involviert sind.«

      »Können Sie diesen Plan entwickeln?«

      Er nickte. »Ja, das kann ich.«

      »Gut, denn anschließend möchte ich, dass Sie einen Plan entwerfen, wie wir das alles verhindern können.«

      4

      »Es könnte funktionieren.«

      Clemens Hagedorn

       Die Insel Ko Nang Yuan lag vor der Südost-Küste von Thailand im Golf von Thailand und war der größeren Insel Koh Tao vorgelagert. Es gab auf der kleinen Insel ein Resort, das ausschließlich von Tauchern genutzt wurde. Es gehörte ihm, er hatte es vor einigen Jahren über einen Strohmann gekauft. Hagedorn hatte diesen Ort zu seinem Refugium gemacht und sich dorthin zurückgezogen.

      Sein eigenes kleines Reich lag versteckt im Inneren der Insel.

      Dort saß er auf der Holzterrasse und dachte nach.

      Wie würde er es anstellen, die herrschenden Mächte der Bundesrepublik zu stürzen?

      Und das, ohne dass es zu Aufständen kam.

      Die Bevölkerung musste auf Seiten derer stehen, die den Umsturz durchführten.

      Im Idealfall würden sie die Putschisten sogar aktiv unterstützen.

      Das würde nur dann gelingen, wenn die Deutschen ihr Vertrauen in die Regierung verloren.

      Nicht nur in die Regierung, dachte Hagedorn, vielmehr in das komplette Konstrukt der Bundesrepublik.

      In die Demokratie.

      Hagedorn spürte, wie sehr ihn diese Aufgabe faszinierte.

      Dieser Plan war mit keinem anderen vergleichbar, den er in der Vergangenheit entwickelt hatte.

      Zunächst müsste man das Vertrauen in die amtierende Regierung in seinen Grundfesten erschüttern.

      Und zwar nachhaltig.

      Das gelang am besten, wenn es offensichtlich wurde, dass die Regierung nicht in der Lage war, die Bevölkerung zu schützen. Dies wiederum hieß, dass eine stete Abfolge von Anschlägen das Land erschüttern müsste. Immer und immer wieder über einen längeren Zeitraum – Hagedorn veranschlagte hierfür mindestens zwölf Monate – müsste das Land von Terroranschlägen mit vielen Opfern unter der Zivilbevölkerung heimgesucht werden.

      Das alleine war schon eine Herausforderung, da durch die seit Jahren herrschende islamistische Bedrohung die Sicherheitskräfte sehr viel aufmerksamer waren als zuvor. Auch die elektronische Überwachung war weiter fortgeschritten.

      Aber für jedes Problem gab es eine Lösung.

      Kameras konnten abgeschaltet werden.

      Einsatzkräfte konnte man ablenken.

      Während die Anschläge das Land verunsicherten und zermürbten, musste es eine Stimme geben, die immer lauter wurde. Diese Stimme, das war Hagedorn klar, gehörte zu der Person, die oben an der Spitze der Verschwörung stehen musste. Nicht ganz oben, aber dicht dran.

      Plötzlich fiel ihm der Anschlag mit Ebola ein.

      Es war den Behörden gelungen, den Anschlag weitestgehend unter den Teppich zu kehren. Natürlich war es der Öffentlichkeit nicht entgangen, dass etwas geschehen war.

      Aber wie ernst die Lage gewesen war, erfuhr niemand, der nicht daran beteiligt gewesen war.

      Hagedorn war sich sicher; dieser versuchte Anschlag passte exakt ins Schema.

      Er machte sich eine Notiz.

      Diesen Punkt würde er mit Eichborn besprechen müssen.

      Zurück zu der Stimme, die immer lauter wurde.

      Diese Person, Hagedorn schloss nicht aus, dass es sich dabei auch um eine Frau handeln konnte, musste eine in der breiten Öffentlichkeit bekannte Persönlichkeit sein.

      Auf keinen Fall ein Politiker.

      Schon gar nicht jemand, der mit der rechten Szene in Verbindung gebracht werden konnte.

      Ein Geschäftsmann vielleicht.

      Oder ein Schauspieler.

      Auf jeden Fall aber eine Person, die keine Leichen im Keller hatte. Nichts, was sie in Misskredit bringen könnte.

      Diese Person würde die Stimme der Menschen werden.

      Hagedorn machte sich erneut eine Notiz. Vielleicht war der- oder diejenige schon in Erscheinung getreten.

      Um diese Person herum müssten sich weitere Prominente sammeln.

      Der Mensch war ein Herdentier und je größer diese Gruppe werden würde, je mehr bekannte Persönlichkeiten sich ihr anschließen würden, desto eher entstand daraus eine Bewegung.

      Man brauchte nur an den arabischen Frühling denken.

      Natürlich würden auch die Medien eine große Rolle spielen.

      Hagedorn notierte sich diesen Punkt und unterstrich ihn zweimal.

      Die öffentlich-rechtlichen Sender stellten ein Problem dar. Von ihnen wäre eine wohlwollende Berichterstattung eher nicht zu erwarten. Sie müssten vielleicht nicht gänzlich ausgeschaltet, zumindest aber unter Kontrolle gebracht werden. Idealerweise erlitten sie schon vorher einen enormen Imageschaden. In gewissen Kreisen nannte man sie schon Lügenpresse. Diesen negativen Trend galt es zu forcieren, sodass ihr Wort immer weniger Gewicht hatte und immer mehr angezweifelt wurde.

      Anders die sozialen Medien.

      Hier gab es weitaus weniger Zensur. Auf ihnen konnte man seine Botschaft in die Welt hinausposaunen,


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