Tag X. V. S. Gerling

Tag X - V. S. Gerling


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betraten es und ein weiterer Beamter brachte uns in das Wohnzimmer, wo Saskia Kleinert schon auf uns wartete. Sie hatte etwas an Gewicht verloren, aber es schien ihr gut zu gehen.

      Sie lächelte uns zur Begrüßung an. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns noch einmal sehen«, sagte sie.

      Wir gaben uns die Hand und nahmen Platz.

      »Es gibt natürlich einen Grund, weshalb wir Sie sprechen wollten«, sagte Helen. »Es sind Dinge geschehen, die möglicherweise in direktem Zusammenhang mit dem Ebola-Anschlag stehen.«

      Saskia Kleinert sah Helen aufmerksam an. »Was für Dinge?«

      »Zum Beispiel der Absturz des Jets vor drei Tagen«, antwortete ich.

      Sie blinzelte irritiert. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie. »Wie kann es da einen Zusammenhang geben?«

      Helen beugte sich vor. »Saskia, hat Bruno Sander irgendwann vor dem Anschlag mal darüber gesprochen, dass bald etwas sehr Großes passieren würde?«

      Man konnte förmlich hören, wie sie sich konzentrierte und versuchte, die vergangenen Jahre vor ihrem geistigen Auge zu rekapitulieren.

      Schließlich nickte sie langsam.

      »Bruno hat sich in den letzten Jahren verändert«, begann sie mit leiser, stockender Stimme zu erzählen. »Früher war er … mitteilsamer gewesen; hat uns, also seinen inneren Kreis, viel mehr mit einbezogen. Aber irgendwann hörte das auf. Und er war immer öfter auf Reisen. Wir wussten nie, wann er wieder einmal verschwinden würde, oder wo er hinwollte. Das war schon komisch.«

      Sie schwieg eine Weile und schien ganz weit weg zu sein. Helen und ich sagten nichts, da wir sie bei ihrer kleinen Zeitreise nicht stören wollten.

      Plötzlich riss sie die Augen auf. »Torben hat ihn vor vielleicht ein- oder eineinhalb Jahren mal damit konfrontiert. Also damit, dass er ständig verschwand und niemand wusste, wohin. Schließlich war Torben ja für seine Sicherheit verantwortlich. Und die konnte er nicht sicherstellen, wenn Bruno wiederholt ohne das Wissen von uns anderen abtauchte. Und da hat Bruno etwas gesagt …«

      Helen und ich hingen an ihren Lippen. Sehnsüchtig darauf wartend, dass sie weitersprach.

      Gott sei Dank tat sie das auch.

      »Er sagte sinngemäß: Eines Tages, und der ist nicht mehr weit weg, werdet ihr verstehen, um was es hier wirklich geht. Und dann würde sich alles ändern.«

      Helen und ich wechselten einen beunruhigten Blick.

      Aber Kleinert war noch nicht fertig. »Und er hat noch etwas gesagt; wir alle werden dann unseren Platz in den Geschichtsbüchern bekommen.« Sie schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, was er damit gemeint hat?«

      Oh ja, das wussten wir.

      6

      »Wir brauchen eine Komm-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte.«

      Nicolas Eichborn

      »Es birgt ein ungemeines Risiko, mit Sander zu sprechen«, meinte Patrick, als Helen und ich mit ihm beim Abendessen zusammensaßen.

      »Warum?«, wollte Helen wissen.

      »Wenn wir mit ihm reden, dann doch wohl, um an Informationen heranzukommen, was die Drahtzieher der Verschwörung betrifft. Tun wir das, verraten wir ihm damit, dass wir von dieser Verschwörung wissen. Ich gehe davon aus, dass Sander trotz seiner Haft auch im Gefängnis Kontakte nach draußen hat. Es wäre ein Leichtes für ihn, diese Personen, die wir finden müssen, zu warnen. Wenn das geschieht, haben wir nichts gewonnen, aber eine Menge verloren.«

      »Verdammt«, sagte ich leise.

      »Welche Optionen haben wir?«, wollte Helen wissen.

      »Der Innenminister weiß natürlich ganz genau, warum er uns an den Ermittlungen teilhaben lässt. Wir sind nicht an Dienstvorschriften gebunden. Allerdings dürfte es auch für uns Konsequenzen haben, wenn wir gegen die Rechte Bruno Sanders verstoßen. Wir könnten wohl dafür sorgen, dass man Sander an einen besonderen Ort bringt, wo wir ihn in Ruhe verhören können. Und wo er keinen Kontakt zur Außenwelt hätte. Aber wenn Sanders Anwalt davon erfährt, macht der uns die Hölle heiß. Die Staatsanwaltschaft müsste dann ein Ermittlungsverfahren gegen uns einleiten. Da kann auch der Innenminister nichts machen.«

      »Wenn der Anwalt davon erfährt …«, sagte ich nachdenklich.

      Helen sah mich prüfend an. »Was brütest du aus?«

      »Alles in mir sträubt sich gegen diesen Gedanken, aber was wäre, wenn wir Sander Straffreiheit versprechen können. Er müsste ins Ausland gehen und dürfte niemals nach Deutschland zurückkehren. Irgendetwas in der Art. Natürlich nur dann, wenn er uns hilft.«

      »Puh«, sagte Helen. »Das gefällt mir überhaupt nicht. Ich traue diesem Scheißkerl nicht weiter, als ich ihn schmeißen könnte.«

      »Geht mir genauso«, gab ich zu.

      »Darüber hinaus glaube ich kaum, dass die Staatsanwaltschaft da mitmachen würde«, warf Patrick ein.

      »Da wäre ich mir nicht so sicher. Bei dem, was uns hier droht, würden die wahrscheinlich noch ganz andere Sachen tun«, sagte ich.

      Helen blickte zu Patrick. »Aber trotzdem gehst du davon aus, dass sie uns schlachten würden, wenn wir Sanders Grundrechte missachten?«

      »Vielleicht sollten wir einfach fragen«, schlug ich vor.

      »Eine schriftliche Erklärung sollte es schon sein«, meinte Helen.

      Ich nickte. »Wir brauchen eine Komm-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte.«

      »Wer, wenn nicht der Innenminister, könnte uns die ausstellen?«, sagte Helen.

      »Dann rufe ich ihn doch einfach an, oder?«, wollte ich von den beiden wissen.

      Sie nickte und ich wählte Schranz’ Handynummer.

      Eine Stunde später saßen wir in Kernis Büro. Mit dabei waren Innenminister Schranz, Kerni und der Generalbundesanwalt, Harald Trenkel.

      Der erklärte uns als Erstes, warum er da war. »Nach Paragraph 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a GVG kann ich die Verfolgung von Straftätern an mich ziehen, wenn die Tat nach den Umständen geeignet ist, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, und dem Fall eine besondere Bedeutung zukommt. Und das scheint hier eindeutig zuzutreffen.«

      »Unbedingt«, versicherte ich.

      »Der Innenminister hat mich in einem Briefing vollumfänglich über die Bedrohung in Kenntnis gesetzt und ich bin gespannt, was Sie alle zur Lösung des Problems beitragen können«, sagte Trenkel und nickte mir aufmunternd zu.

      Wo lernen diese Leute nur, so zu reden …?

      »Wir haben herausgefunden, dass Bruno Sander möglicherweise über Informationen verfügen könnte, die uns auf die Spur der Drahtzieher dieser Verschwörung bringen könnten«, sagte ich in der Hoffnung, dass er mit meinem einfachen Deutsch zurechtkommen würde.

      Es schien, als würde er auf meinen Worten herumkauen, um zu testen, ob sie genießbar waren.

      »Möglicherweise und könnten sind keine Begriffe, die mich in Ekstase versetzen«, sagte er müde lächelnd.

      »Es ist ja auch nicht mein Job, Sie in Ekstase zu versetzen, Herr Trenkel«, sagte ich und bekam dafür von Helen einen Fußtritt unterm Tisch. »Ich sage das so zurückhaltend, weil ich keine falschen Hoffnungen wecken will. Wir sind davon überzeugt, dass Sander über diese Informationen verfügt. Wir denken aber auch, dass er trotz Inhaftierung Kontakt zur Außenwelt hat. Vor allem über seinen Anwalt, der ihn regelmäßig besucht. Deshalb raten wir davon ab, ihn in Moabit zu befragen. Merkt er, dass wir über die Verschwörung Bescheid wissen, erfahren das die Drahtzieher umgehend.«

      »Und dann?«, fragte Trenkel nach.

      Helen antwortete. »Dann


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