Sweetland. Michael Crummey

Sweetland - Michael  Crummey


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aus. » Falls du es nicht gemerkt hast. «

      » Loveless denkt noch immer, es sei ein gottverdammtes Schachbrett. «

      » Er meint es gut. «

      Sweetland knurrte. » Wie die beschissene Regierung. «

      Duke nickte, was bei ihm fast einem Lachen gleichkam. » Hab dich gestern gar nicht bei der Versammlung gesehen. «

      » Du hast die Anwesenheit kontrolliert, was? «

      » Nur Loveless und du und Queenie haben gefehlt. War kaum zu übersehen. Hayward denkt, dass du und Queenie was miteinander haben. «

      » Wegen Loveless ist er nicht besorgt? «

      » Hayward ist paranoid «, sagte Duke. » Er ist kein Idiot. «

      » Na ja «, sagte Sweetland, als könnte man daran durchaus zweifeln.

      » Du hast gehört, er hat schließlich auch für das Paket unterschrieben «, sagte Duke.

      » Hab ich gehört. «

      » Also nur noch du und Loveless. «

      Er blickte zu dem Mann auf dem Stuhl. Sweetland wusste, wie er zu dem Thema stand, doch Duke Fewer war der Einzige auf der ganzen Insel, der kein einziges Mal versucht hatte, ihn irgendwie zu überreden. Der Friseurladen fühlte sich wie der letzte sichere Ort an, den er noch hatte. » Fang jetzt nicht an «, sagte er.

      » Macht für mich keinen Unterschied. Ich gehe weg, Regierungspaket hin oder her. Lauras Sippschaft hat ein Zimmer, das auf mich wartet. «

      » Mein Gott «, sagte Sweetland. » Wer wird dann bloß den Friseurladen übernehmen, wenn du weg bist? «

      » Du kannst mich am Arsch lecken «, sagte Duke.

      » So ein Hungerhaken wie du hat gar keinen Arsch. «

      Sweetland zog seinen König aus dem Schach und Duke faltete die Zeitung zusammen und kletterte vom Stuhl. Es war ein komplizierter Vorgang, die langen Gliedmaßen wieder nebeneinander auf den Boden zu stellen. Er kam hinüber zum Brett und nahm seinen Turm, stellte ihn dann zitternd ab. » Schach «, sagte er.

      Sweetland lehnte sich verärgert zurück. » Verdammter Loveless «, sagte er.

      Duke setzte sich auf den leeren Stuhl gegenüber von Sweetland. Beide Männer starrten auf das Brett, als rechneten sie damit, dass sich eine der hölzernen Figuren von allein bewegte und sie das auf keinen Fall verpassen wollten. Duke räusperte sich. » Manche sagen, sie würden dich ausräuchern, wenn du das Paket nicht annimmst. «

      » Wer ist manche? «

      » Das war nur Gerede. «

      » Hast du gehört, wie jemand gesagt hat, dass sie mich ausräuchern wollen? «

      » Nicht direkt «, sagte Duke. » Es gibt Leute, die gehört haben, dass man darüber redet. «

      » Nun, die können mich alle am Arsch lecken. «

      » Die Leute ärgern sich, Moses. Hundert Riesen sind eine Menge Geld. «

      Sweetland starrte Duke an und versuchte herauszufinden, was er damit sagen wollte. Ob es eine Nachricht von jemandem war, die ihm aus zweiter Hand mitgeteilt wurde. Er sagte: » Du meinst also, ich soll das Paket annehmen? «

      Duke hob den Blick. » Du erinnerst dich, was bei dem letzten Ratschlag passiert ist, den ich dir gegeben habe. « Er seufzte laut und zeigte zum Brett. » Ziehst du oder guckst du nur? «

      Sweetland stand auf. » Muss drüber nachdenken «, sagte er.

      » Ich habe noch genug Zeitung zum Lesen. «

      Sweetland drehte sich an der Tür um. » Lass bloß Loveless das Brett nicht berühren «, sagte er.

      ·

      Nachdem er das Rettungsboot angebunden hatte, wurde Sweetland bewusst, dass seine Chance, den Weg durch den Nebel zu finden, bei fünfzig zu fünfzig lag. Er hielt sich vom Nebelhorn am Burnt Head fern, und als er den Eindruck hatte, ein ganzes Stück hinter den Fever Rocks zu sein, fuhr er nach dem Kompass langsam in westliche Richtung. Das Motorgeräusch hallte jetzt gelegentlich schwach von den unsichtbaren Klippen steuerbord zurück.

      Er fuhr ganz langsam, suchte in der Finsternis nach einem Anzeichen von Land. Selbst das Rettungsboot war kaum noch zu sehen, wenn er hinter sich blickte.

      Er fuhr weiter, hielt sich im tiefen Wasser und versuchte einzuschätzen, wie weit er schon an der Insel entlanggefahren war. Er fuhr an einer Nische in der steilen Felswand vorbei, ein hohler Raum im zurückgeworfenen Echo des Motors, und hoffte, dass es Lunin Cove war. Er stellte den Motor ab und warf einen Jigger aus, ließ die Schnur laufen, bis der mit einem Gewicht beschwerte Haken achtzehn Faden tief auf den Boden traf. Er war über der Offer Ledge, das bedeutete noch knapp fünf Kilometer bis zur Mole. Er fuhr noch eine halbe Stunde ohne Sicht, der Nebel immer dichter. Als er den Motor stoppte und den Jigger ins Wasser ließ, traf der weniger als einen Faden tief unter ihm auf die Tom Cod Rocks.

      Der erste Hinweis drang durch den weißen Dunst, als er die Schnur hochbrachte – ein leises Brummen, das genauso körperlos und diffus schien wie der Nebel. Als die Männer im Rettungsboot es hörten, standen sie auf und blickten sich irritiert um. Sweetland fuhr eine Weile westlich, hielt dann wieder an. Diesmal war es eine Stimme, vor ihm und ein gutes Stück backbord. Er stoppte noch drei oder vier Mal, bevor er sie erkannte. Es war Tennessee Ernie Ford, der » The Old Rugged Cross « vom Kirchturm sang. Da oben war nie eine Glocke gewesen, nur eine Lautsprecheranlage, die vor dem Gottesdienst am Sonntagmorgen eine Stunde lang Kirchenlieder oberhalb von Chance Cove abspielte. An klaren Tagen konnte man es kilometerweit auf dem Wasser hören, und auch jetzt schaffte es Fords elektrisch verstärkter Bariton durch die dicken Nebelschwaden bis hinaus zu ihnen, als sie langsam an der Küste entlangfuhren. » Softly and Tenderly «, » What A Friend We Have in Jesus «, » Whispering Hope «. Sweetland summte mit, auch wenn der Motor die Aufnahme gelegentlich übertönte.

      Tennessee Ernie Fords Stimme schwebte steuerbord an ihnen vorbei, bis sie ungefähr vom Heck her die Sünder anflehte, nach Hause zu kommen, was bedeutete, dass Sweetland am Zugang vorbeigefahren war. Er wendete langsam, kam zu der versteckten Mündung der Bucht, und die Insel ragte plötzlich aus dem Grau heraus, die auffällige Linie der Mole schnurgerade oberhalb der Wasseroberfläche. Er feuerte drei Schuss mit seinem Zweiundzwanziger, um Aufmerksamkeit zu erregen und sie wissen zu lassen, dass er kam.

      Er blickte zurück zum Rettungsboot, winkte den schattigen Gestalten, die in seine Richtung blickten. Er fand, dass sie nicht sehr beruhigt wirkten, bei ihm im Schlepptau zu sein.

      Er feuerte drei weitere Schüsse ab und kam dann in das ruhige Wasser der Bucht. Die weiße Kirche schwebte auf der Landzunge, und dröhnte noch immer ihr protestantisches Flehen heraus. Der Kai wurde langsam deutlicher, als er näherkam. Am Kai standen bereits Menschen in ihrer Sonntagskleidung, die auf dem Weg zur Kirche waren, und Dutzende weitere kamen aus ihren Häusern weiter oben am Hügel, Männer und Frauen und Kinder mit ihren Hunden. Alle rannten herbei, um die gespenstischen Ankömmlinge zu sehen.

      · 2 ·

      Sweetland war mitten in einer Partie Texas Hold’em, als Clara zum Haus kam. Er hatte sie schon den ganzen Abend erwartet und sich nicht richtig auf das Spiel konzentrieren können. Er spielte das Short Deck, hatte zwei Paare, Buben über Neunen. Spielte gerade hellwach mit einem leichtsinnigen Anfänger, der sich als Flush angemeldet hatte, im Jackpot fast zweihunderttausend.

      » Du guckst nicht etwa Pornos, oder? «, fragte sie.

      » Hab ich zur Fastenzeit aufgegeben «, sagte er und winkte sie in die Küche, ohne vom Laptop aufzusehen. Clara stellte die Plastiktüte mit dem Kaninchenkörper auf den Tisch und setzte sich.

      Er sah sich die River Card an und Flush setzte All-In. » Ach, verdammt «, sagte er.

      »


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