Eilandfluch. Marie Kastner

Eilandfluch - Marie Kastner


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berichtigte Sasse mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ich möchte ein neuartiges Portal programmieren und so gut wie möglich bewerben lassen, aber eines mit richtig aufwändigen Features und in mehreren Sprachen.«

      »Noch eines? Aber wofür den ganzen Aufwand, du verdienst mit deinem Urlaubsportal doch nicht schlecht«, wunderte sich das Model und nippte vornehm am Weinkelch.

      »Das ist im Moment noch richtig. Die Konkurrenz hat jedoch in den letzten Jahren auch nicht geschlafen. Neue Portale schießen wie die Pilze aus dem Boden. Der Kuchen namens Tourismusmarkt muss inzwischen in viele Stücke aufgeteilt werden. Es ist abzusehen, dass die Ära der schwarzen Zahlen irgendwann vorübergeht. Inzwischen gibt es gar schon Vergleichsportale, die Vergleichsportale vergleichen. Es wird nicht endlos so weitergehen wie bisher. Unsere Position als Marktführer wackelt.«

      »Ich verstehe«, nickte Mona. »Und dein neues Projekt ist krisenfester?«

      »Das will ich meinen, ja. Und um auf deine Frage von heute Vormittag zurück zu kommen: Ich rede seit dem Streit neulich noch immer nicht mit meinem Vater. Nähme ich jetzt von ihm Geld, müsste ich mir von diesem blasierten Egomanen wieder überall hineinreden lassen. Nein danke, darauf habe ich keine Lust. Lieber erhält ein Fremder die Zinsen.

      Aus privater Hand möchte ich lieber nicht zu viel Kapital in meiner Firma versenken. Wie du weißt, wohne ich im Moment noch zur Miete. Sobald ich das richtige Objekt gefunden habe, werde ich in eine Immobilie investieren. Da muss ich von heute auf morgen flüssig sein.«

      »Das sehe ich alles ein. Aber du bist mir noch die Vorstellung deiner Idee schuldig. Also – um was für ein Portal handelt es sich diesmal?«

      »Nur Geduld, mein Liebes. Jetzt essen wir erst einmal in Ruhe. Sieh mal, Mario kommt schon mit dampfenden Tellern aus der Küche. Nachher beim Dessert lasse ich die Katze aus dem Sack, versprochen«, grinste Sasse schelmisch. Seine Miene wurde jedoch gleich wieder ernst.

      »Und vorsorglich noch etwas, Mona. Bitte nimm hier den Begriff Mafia nicht in den Mund, wenn du von den Investoren sprichst. Wir befinden uns gerade in einem italienischen Restaurant, und Mario stammt aus der Nähe von Neapel. Man kann nie wissen«, fügte er etwas leiser hinzu.

      *

      Das Hauptgericht mundete wieder mal vorzüglich, auch wenn die Portionen, auf Tellern mit extra breitem Rand angerichtet, ein bisschen mickrig dahergekommen waren. Zum Nachtisch gönnte sich Thorsten eine frisch zubereitete Tiramisu nach Art des Hauses, während Mona auf ihre Figur achten musste und lediglich einen Espresso mit Amarettini bestellte.

      Zum Glück füllte sich das Restaurant nach 20 Uhr allmählich; ansonsten hätten sie den überaus gesprächigen Wirt vermutlich wieder endlos lange am Hals gehabt. Der extrovertierte Italiener liebte es über alles, seine Gäste zu unterhalten, und schoss dabei meistens weit über das Ziel hinaus. Man konnte sich dann kaum mehr privat unterhalten. Dies war der einzige Wermutstropfen an diesem wunderbaren Etablissement.

      »Gut, dann will ich dich mal besser nicht länger auf die Folter spannen, sonst platzt du mir vor Neugier noch«, meinte Thorsten augenzwinkernd. »Ich werde eine innovative Plattform für Geschenke ins Leben rufen. Du kennst doch bestimmt diese Tische, die Brautpaare vor ihrer Hochzeit in Kaufhäusern aufstellen lassen, damit sich die bucklige Verwandtschaft dort in Ruhe Geschenke aussuchen kann?«

      »Klar! Das ist so Brauch, damit niemand etwas doppelt kauft und das Hochzeitspaar keinen Ramsch geschenkt bekommt, den es hinterher gar nicht gebrauchen kann.«

      »Richtig, und dieses Prinzip habe ich übernommen. Aber bei meiner Idee geht es darum, eine Geschenkeauswahl für sämtliche Eventualitäten zusammenzustellen, also für Geburtstage, Weihnachten, Ostern, Nikolaus, Jubiläen, Valentinstage … alle denkbaren Geschenkanlässe eben.«

      »Sowas gibt es im Netz doch bestimmt schon«, gab Mona emotionslos zu bedenken.

      »Nicht in der effektiven Form, wie es mir vorschwebt. Natürlich habe ich das vorher eingehend eruiert«, entgegnete Thorsten scharf. Er fühlte sich ein bisschen beleidigt. Trotzdem referierte er weiter, schon weil er ihren Einwurf keinesfalls auf sich sitzen lassen konnte.

      »Pass auf, es funktioniert folgendermaßen: Jemand legt sein persönliches Profil mitsamt seinem Foto an. Und schon kann es losgehen. In die dafür vorgesehenen Felder der wishlist fügt er Fotos oder Icons der Dinge ein, die er gerne in nächster Zukunft haben möchte. Es stehen eine Menge hübscher Grafiken zur Verfügung, die Wünsche symbolisieren – also bunte Bildchen von einem Geldschein, einem Smartphone, einer Uhr und so weiter. Per drag and drop kann man sie leicht in seine persönliche Wunschliste ziehen. Das bekommen selbst Kinder locker hin, und die sind eine überaus wichtige Zielgruppe.

      Angenommen, der User möchte zwar ein Smartphone, aber nicht irgendeines. Der wählt dann eben nicht das Symbol einer allgemeinen Produktgruppe aus, sondern setzt ein Foto von der Webseite des Herstellers in das Feld, also zum Beispiel ein IPhone 6 S in der gewünschten Farbe.

      Unter dieses Feld könnte man ergänzend einen Text schreiben und bei ausgefallenen Wünschen angeben, in welchem Shop man das Objekt seiner Begierde gesehen hat. Selbstverständlich können auf diese Weise auch Erlebnisgeschenke, Reisen, eine Stunde von Vaters Zeit am Wochenende und ähnlich Konkretes gewünscht werden.«

      »Das klingt interessant. Und den Link zu meinem persönlichem Profil sende ich dann an potentielle Schenker, also Freunde, Verwandte und Arbeitskollegen?«

      »Du hast es erfasst. Sobald einer der Schenker ein Symbol für sich fest reserviert und den entsprechenden Artikel über einen Link online gekauft hat, verschwindet es wie von Zauberhand aus der Wunschliste.«

      »Aber sind die billigen Sachen dann nicht zuerst weg, und die teureren Wünsche bleiben auf ewig unerfüllt?«

      »Das wäre sicher tatsächlich so – wenn wir keine Crowdfunding-Option eingebaut hätten. Es können sich bei uns mehrere Schenker zusammentun und in ein kostspieliges Gemeinschaftsgeschenk investieren.

      Wir propagieren diese Lösung natürlich besonders, was unsere Affiliate-Unternehmen mit entsprechend aggressiv platzierten Lockangeboten forcieren werden. Verknüpfung ist alles. Dazu gibt es sogar zinsgünstige Finanzierungsangebote, damit sich Oma den Gebrauchtwagen für ihren Enkel auch dann leisten kann, wenn der Rest der Familie beim Crowdfunding nicht mitspielen sollte.«

      »Und du verdienst über Vermittlungsprozente, die wiederum die Affiliate-Nehmer an dich abdrücken?«

      »In der Hauptsache ja. Dazu kann man am Rand der Webseite noch Werbeflächen für gutes Geld vermieten. Am Ende profitieren alle davon. Der Onlinehandel, Kreditinstitute, wir natürlich und auch der Beschenkte, der endlich keine doppelten oder unpassenden Präsente mehr bekommt. Stattdessen hat er eher eine Chance auf Geschenke aus dem Hochpreissegment. Du siehst also – wir revolutionieren das Schenken. Dieser Satz wird auch zu unserem Slogan werden«, erklärte Thorsten voller Stolz.

      »Niemand muss sich künftig mehr in die überfüllte Innenstadt quälen und sich den Kopf darüber zerbrechen, was er seinen Liebsten in diesem Jahr zu Weihnachten kaufen soll. Geht alles wie von selbst, mit ein paar Klicks.«

      »Ist ja gut und schön … aber es könnte der Vorwurf kommen, dass ihr damit den Einzelhandel schädigt. Außerdem führen die Links doch sicher nur zu bestimmten Online-Shops, oder?«

      »Klar. Für den Anfang ist es wichtig, dass wir mit Shops verlinkt sind, die so ziemlich alles im Angebot haben. Ich muss dir sicher nicht sagen, welche das sind. Auch für Erlebnisgeschenke, Textilien oder Technik gibt es Marktführer, und an die treten wir selbstverständlich als erstes heran.

      Die namhaften Kaufhausketten verkaufen mittlerweile selber schon über Onlineshops, also wäre das alles kein Problem. Und selbst wenn jemand in die kleine Boutique in der Fußgängerzone geht und dort einkauft – der kann dann immer noch den Kassenzettel einscannen und so beweisen, dass er das Geschenk zu Recht aus der Liste nimmt. Allerdings geschieht das in diesem Fall natürlich manuell.«

      »Aha … und ganz nebenbei erhaltet ihr jede Menge


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