Eilandfluch. Marie Kastner

Eilandfluch - Marie Kastner


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Tablet aufruft, kommen dazu noch die jeweiligen Standortdaten. Aber keine Sorge, so etwas stört die Leute inzwischen schon gar nicht mehr. Das macht schließlich jeder«, beschwichtigte Thorsten.

      »Na, dann auf ein gutes Gelingen! Meine Liste bekommt ihr sicher als erste. Du weißt ja, welchen Blödsinn mir meine Mutter immer zum Geburtstag schickt. Sie meint es ja nur gut, aber ich brauche nun mal keinen selbst gestrickten Wärmflaschenüberzug, auch wenn sie dafür Wolle in meinen Lieblingsfarben verwendet hat … «

      Thorsten verdrehte amüsiert die Augen.

      »Und selbst sowas könnte man sich wünschen. Einfach das Symbol mit Stricknadeln und Wolle auswählen, drunter schreiben Wärmflaschenbezug, und dazu die Maße vermerken.«

      »Um Himmels willen, bloß nicht!«, kicherte Mona. Sie erhob ihr Glas, um Thorsten zuzuprosten und den Rest auszutrinken. Doch ehe sie sich versah, nahte Mario Valluzzi schon von hinten und schenkte ihr ungefragt nach.

      »Wäre doch schade um die gute Tropfen, eh?«, scherzte er in seinem gebrochenen Deutsch.

      Thorsten fiel siedend heiß etwas ein.

      »Komm, setze dich einen Moment zu uns, wenn es geht«, lud er den Restaurantbesitzer zu Monas Erstaunen ein. Normalerweise ließ ihr Freund, möglichst gleich nach dem Aufessen, die Rechnung kommen; mit dem Verweis, wieder an die Arbeit zu müssen – um einem längeren Plausch zu entgehen.

      Mario strahlte über beide Ohren, gab dem Kellner ein Zeichen, seinen Part mit zu übernehmen, und platzierte sein knochiges Hinterteil flugs auf einem der freien Stühle.

      »Und wie geht es meine gute Freund?«

      »Molto bene, wie ihr Italiener das so schön ausdrückt. Du … ich hätte da mal eine Frage an dich. Du kommst doch aus der Gegend um Neapel, wenn ich nicht irre?«

      »Si, aus Positano, was auch Name von meine Laden hier ist«, nickte Mario eifrig.

      »Prima. In diesem Fall müsste dir doch die Insel La Gaiola etwas sagen?«

      Marios Miene gefror zu Eis. Er wirkte geradezu erschrocken.

      »Nix du aussprechen Name von verflucht Insel. Nix wissen, was kann passieren. Warum du fragst?«

      »Oh, ich möchte hinfahren. Wir denken darüber nach, demnächst dort auf der Insel eine geschäftliche Präsentation zu veranstalten«, entgegnete Thorsten ungerührt.

      »Nein nein, kannst du nix. Nix auf diese Insel. Dort alles kaputt, alles schlecht«, protestierte der Italiener und sah dermaßen unglücklich drein, als habe man ihm angedroht, ihn gegen seinen Willen nach La Gaiola zu deportieren.

      »Mir ist bewusst, dass die alte Villa momentan nicht im besten Zustand ist. Das macht ja gerade ihren Reiz aus. Sie gehört seit Jahren der Region Kampanien, weil nach gewissen Vorkommnissen niemand mehr dort leben wollte. Weißt du Näheres darüber?«

      Mario schüttelte mit Vehemenz seinen runden Schädel. Seine Lippen wirkten blutleer und verkniffen.

      »Ach komm schon, jetzt lass mich nicht betteln! Ich sehe dir doch an, dass du die alten Geschichten kennst. Erzähle mir eine davon, und ich werde mir nochmals überlegen, ob ich dort tatsächlich hinfahren möchte«, behauptete Sasse hinterlistig.

      Der Restaurantinhaber bekreuzigte sich hastig, warf flehentliche Blicke zur abgehängten Decke.

      »Mamma mia! Hoffentlich nix wirkt Fluch, wenn nur darüber sprechen, über große Unglück von Grappone«, merkte er kleinlaut an.

       1978

       Ein Fall von schädlichem Hochmut

      

      »In 1970-ern gab mehrere Geschäftsleute in Neapel, die waren schwerreich. Einer davon ist gewesen Gianpascale Grappone. Haben alle gehabt eitle Wettbewerb, du weißt schon … wer von uns hat schnellste Auto, tolle Frau, die schönste Haus … jeder wollte gefeiert sein als heimlich König von bella Napoli.

      1978 jeder der Signori hat Grappone beneidet, weil der konnte kaufen sein eigene Insel mit alte Villa auf eine Hälfte. Die musste aber werden … wie sagt man … wieder schön gemacht … ?«

      »Renoviert, meinst du wahrscheinlich«, half Thorsten weiter.

      »Genau. Das hat gekostet viele Lire, nie wurde fertig. Zu gleicher Zeit sein Geschäfte liefen auf einmal nix mehr gut, kamen Rechnungen viele. Nix lang gedauert, dann war Geschäft total kaputt, Konto leer und der Grappone hat Schulden nix bezahlen können. Musste in Gefängnis einfahren. Stolze Mann in Knast, stell dir vor, was für eine Katastrophe für Ehre von famiglia!

      Aber Unglück war noch nix zu Ende. Genau an Tag, wo La Gaiola ist versteigert worden, kam Ehefrau von Grappone bei schwere Autounfall ums Leben.

      Insel hat sich so geholt beide, ist bis zu heutige Tag verflucht«, erzählte Mario. Er wirkte dabei nervös, fast wie jemand, der ein Geheimnis ausplaudert und dabei von niemandem überrascht werden möchte. Mehrfach hatte er sich beim Sprechen über die Schulter geschaut, den Kopf eingezogen.

      Thorsten Sasse amüsierte sich insgeheim köstlich. Wie dieses sonst so gesprächige und temperamentvolle Kerlchen auf einmal in sich zusammensank, vor Furcht transpirierte und sogar vergessen hatte, ihm noch einen Likör aufzuschwatzen … sein Interesse, diese Insel mit eigenen Augen zu sehen und temporär zu mieten, stieg soeben ins Unermessliche.

      »Lass gut sein, Mario. Wir haben genug gehört. Du kannst uns jetzt gerne die Rechnung fertigmachen lassen. Weißt ja Bescheid

      – Zeit ist Geld. Nicht, dass es uns am Ende noch wie diesem Grappone ergeht, nicht wahr?«

      »Nix machen Scherze damit«, maulte Valluzzi, bevor er aufstand und sich hastig in Richtung seines Kellners bewegte.

      Mona war sprachlos.

      »Krass!«, war das einzige, was ihr dazu noch einfiel.

      *

      Vier Personen saßen am Konferenztisch der Liegenschaftsbehörde. Für den Bereich Posillipo war die sogenannte Metropolitanstadt Neapel als Vollzugsbehörde der Regione Campania zuständig, und dieser wiederum gehörten eine Reihe von Immobilien und Grundstücken – unter anderem auch die Insel La Gaiola samt historischer Villa.

      Bei einem der Anwesenden handelte es sich um Enzo Battaglia, Sasses Hauptinvestor. Soeben hatte er dem behördlichen Gremium wortreich die Gründe vorgetragen, wieso sein deutscher Geschäftspartner die verwaiste Insel unbedingt für ein paar Tage mieten wollte. Die abweisenden Mienen der drei übrigen Herren ließen jedoch den Schluss zu, dass er sich vergeblich um einen Konsens bemühte.

      Der Dienststellenleiter straffte seinen Rücken.

      »Grundsätzlich spräche selbstverständlich nichts dagegen, ein Grundstück der Region Kampanien temporär an Privatleute zu vermieten. Wir können in Zeiten der Eurokrise jede Einnahme gebrauchen, keine Frage. Aber nicht dieses Objekt, das geht auf gar keinen Fall. Wir haben, seit das Eigentum auf uns übergegangen ist, ohnehin schon alle Hände voll zu tun, leichtsinnige Touristen von dort fernzuhalten.

      Das Betreten der Insel birgt Gefahren, und die haben nichts mit dem angeblichen Fluch zu tun. Immer wieder klettern Leute auf den Felsen herum, balancieren über den schmalen Steg zwischen den beiden Inselhälften, wagen sich trotz Hochwassergefahr in die Grotten oder treiben sich marodierend in der verfallenen Villa herum. Es gibt auf der Insel jede Menge Unfallgefahren, schon weil inzwischen alles verrottet und baufällig ist.

      Ich prophezeie Ihnen daher eines, Battaglia. Keine Versicherung weit und breit würde für diesen Event je einstehen wollen. Suchen Sie sich bitte ein anderes Objekt.«

      So schnell gab ein Enzo Battaglia jedoch nicht auf. Schließlich gehörte er seit langem zu den einflussreichsten Persönlichkeiten dieser Stadt, war es gewohnt, Fäden zu ziehen.

      »Wir könnten einen Haftungsausschluss für die Region Kampanien in den Vertrag einbauen. Wahrscheinlich


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