Eilandfluch. Marie Kastner

Eilandfluch - Marie Kastner


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temperamentvollen Südländern gleich und hupte was das Zeug hielt. Zuerst lachte Mona über die sinnlos erzeugte Geräuschkulisse, doch bald ging sie ihr ziemlich auf die Nerven.

      Beide waren daher heilfroh, als sie die Häuserschluchten des Stadtkerns endlich hinter sich lassen und im südwestlich gelegenen Stadtteil Chiaia über die Via Mergellino auf die Via Posillipo einbiegen konnten. Ein wunderschöner Meerblick eröffnete sich ihnen auf dieser Straße, die kilometerweit der Küstenlinie folgte. Häuser in Cremeweiß, Maisgelb und Ocker wechselten sich an der Steilküste mit unzähligen Treppen, Stützmauern und Terrassen ab. Dazwischen bildeten hauptsächlich Bougainvilleas violette und orangene Farbtupfer vor dem satten Grün der Pinien. Über all dieser verschwenderischen Pracht leuchtete der Himmel azurblau. Nur vereinzelt trieben weiße Wölkchen mit dem lauen Sommerwind gemächlich gen Osten.

      Prüfende Seitenblicke verrieten Thorsten, wie überaus angetan seine Begleiterin von der atemberaubenden Mittelmeerkulisse war. Ein prima Auftakt, der morgen im ersten Anblick von La Gaiola gipfeln solle.

      Nun kam endlich das ersehnte Urlaubsfeeling auf. Mehrmals hielt Thorsten am Straßenrand, damit Mona mit ihrem Smartphone Fotos schießen konnte. Auf der Außenterrasse des Ristorantes Reginella nahmen sie je einen Latte Macchiato zu sich, um anschließend gemütlich zurück in Richtung der Stadt zu cruisen. Es dämmerte bereits, und da lohnte es sich nicht mehr, bis nach Marechiaro hinunter zu fahren. Die Insel samt Umgebung würden sie am nächsten Tag noch ausgiebig genug erkunden können. Jetzt galt es, im Hotel einzuchecken.

      Das Vier-Sterne-Haus Best Western Paradiso lag in der Via Catullo und bot einen herrlichen Blick über die Bucht von Neapel, sowie den mächtigen Vesuvio, der düster wie ein Menetekel am Horizont über der Stadt thronte. Mona würde beim Frühstück Augen machen. Der Raum mit dem Frühstücksbuffet bot nämlich einen unschlagbaren Rundumblick, was er im Internet mit der gewohnten Akribie recherchiert hatte. Ein Thorsten Sasse überließ grundsätzlich nichts dem Zufall.

      Zwei Stunden später standen sie nebeneinander am Geländer des Balkons vor ihrem Doppelzimmer. Die gesamte Bucht war hell erleuchtet, Verkehrslärm brandete als dezentes Summen aus der Stadt herüber. Unzählige Lichter und bunte Leuchtreklamen reihten sich wie an einer Perlenkette aneinander, spiegelten sich auf dem ruhigen Wasser als verzerrte Reflexionen. Schneeweiße Boote schaukelten direkt unterhalb des Hotelareals dekorativ in einem kleinen Yachthafen. Das Glucksen des Wassers an der Kaimauer beruhigte die Sinne, machte ein wenig schläfrig.

      »Wie romantisch! Der erste Eindruck von dieser Gegend ist einfach umwerfend«, schwärmte Mona. Sie jettete zwar als gefragtes Model fast ständig in der Welt herum, kam aber während ihrer Reisen kaum dazu, all die Gegenden zu erkunden, in denen sie sich jeweils nur sehr kurzfristig aufhielt. Wie sie da so stand, braungebrannt und mit offenem schwarzem Haar, hätte man sie für eine waschechte Italienerin halten können. Nur war sie dafür eigentlich nicht klein genug.

      Alles klappte genauso, wie er es sich ausgemalt hatte. Diesen ersten Nachmittag in Italien konnte man also schon als Erfolg verbuchen. Wenn morgen die Insel noch halten würde, was sie versprach …

      Monas millionenschwerer Freund nickte selbstzufrieden und ließ sich vom Zimmerservice zur Feier des Tages kurzentschlossen eine Flasche besten Champagners aufs Zimmer liefern. Er fühlte, wie sich sein Akku bereits wieder aufzuladen begann. Ich arbeite wirklich zu viel, sollte mir öfters so eine Auszeit gönnen, sinnierte er während des Einschenkens.

      Der Zimmerkellner verschwand mit den besten Wünschen für einen angenehmen Restabend, nachdem er sein Trinkgeld in der weinroten Livree hatte verschwinden lassen.

      Thorsten reichte Mona eine der hohen Sektflöten.

      »Auf La Gaiola!«

      »Auf La Gaiola. Mann … ich platze schon vor Neugier«, wiederholte sie mit leuchtenden Augen.

      *

      Der folgende Tag lockte mit grellen Sonnenstrahlen, die durch die geöffnete Doppel-Balkontür ins Hotelzimmer fielen. Thorsten und Mona hatten sich in der Nacht nicht überwinden können, sie zu schließen, wollten das Meeresrauschen und die salzhaltige Luft beim Einschlafen genießen.

      Gegen halb zehn wurde es dem umtriebigen Unternehmer zu bunt mit dem Müßiggang, er scheuchte Mona unbarmherzig aus dem Bett und ins Badezimmer. Dort würde sie ohnehin wieder eine Weile brauchen.

      Er selbst griff zu seinem Notebook, gab den hoteleigenen Wifi-Schlüssel ein und checkte seine E-Mails. Unglaublich, was im Postfach innerhalb der kurzen Zeitspanne seiner Abwesenheit aufgelaufen war! Während seine Freundin ihr Haar föhnte, trennte er die wichtigen von weniger brisanten Mails und beantwortete dringende Fragen seiner Mitarbeiter. Wochenenden und Feierabende waren bei ihm relativ. Abschließend sah er sich die Küste vor La Gaiola zu Orientierung auf Google Earth an.

      Gut gelaunt schwebte das Model aus dem Bad, und Thorsten klappte den Rechner zu. Er stand auf, griff nach seinem Kulturbeutel. Bei ihm würde die Prozedur samt Dusche nicht länger als zehn Minuten in Anspruch nehmen.

      »Wozu hast du dich eigentlich voll geschminkt? Wir wollten doch am Strand des Parco Sommerso della Gaiola, Area Marina Protetta, schwimmen gehen«, wunderte er sich.

      Mona lächelte kopfschüttelnd.

      »Männer! Keine blasse Ahnung, wie sehr Unsereins nach dem Aussehen beurteilt wird. Ich habe keinerlei Bock auf grässliche Fotos, die irgendein Paparazzo auf dem Weg dorthin von mir schießt.«

      Gegen Mittag verließ der Mercedes SLK die hoteleigene Tiefgarage. Bei angenehmen achtundzwanzig Grad konnte man wieder mit offenem Verdeck fahren. In Deutschland zog Ende September bereits der Herbst ein, aber hier am Mittelmeer herrschte noch schönstes Hochsommerwetter.

      Monas Haar war zum Schutz gegen den Fahrtwind mit einem farbenfrohen Seidentuch von Hermès zurückgebunden, das einen farbigen Kontrast zu ihrem schwarzen, gerade so oberschenkellangen Kaftan aus semitransparentem Leinen bildete. Opulente Ton-in-Ton-Stickereien umrahmten den V-Ausschnitt und die Gehschlitze am Saum. Darunter trug sie einen mitternachtsblauen Bikini mit goldfarbenen Zierelementen, der neckisch hervorblitzte.

      Mehr als einmal glitt Thorstens Blick unwillkürlich von Straße und Armaturenbrett zu seiner Beifahrerin hinüber, deren glänzendes Haar wie eine schwarze Fahne im Fahrtwind wehte. An ihrem schlanken Hals funkelte ein goldenes Kettchen mit brillantbesetztem Herzanhänger, das er ihr zum Geburtstag verehrt hatte. Wie sie da so entspannt im Sitz saß und aufs Meer hinausträumte, sah sie zum Anbeißen aus.

      Der Wagen bog nach dem Verlassen der Via Posillipo in die Discesa Gaiola ein. Der befahrbare Teil dieser schmalen Straße endete auf einem heillos überfüllten Parkplatz, auf dem Thorsten mehrere Runden drehen musste, bis ihm das Glück hold war und eine Parklücke frei wurde. Von hier aus musste man zu Fuß weitergehen, wenn man an den Strand oder zu den archäologischen Stätten gelangen wollte. Unter anderem gab es hier ein gut erhaltenes Amphitheater aus der Römerzeit zu bestaunen, doch danach stand den Frankfurtern heute nicht der Sinn.

      In Serpentinen schraubte sich der Weg den Steilhang hinab. Mona war froh, zu ihren flachen Zehensandaletten gegriffen zu haben, sonst hätte sie wohl irgendwann barfuß gehen müssen. So konnte sie die Wegstrecke wenigstens in vollen Zügen genießen. Entlang der üppig mit wildem Wein, Efeu oder Bougainvilleas bewachsenen Bruchsteinmauern und kleinen Häusern ging es im Halbschatten sanft nach unten, bis das Meer in Sicht kam. Thorsten bemerkte, wie Lichtreflexe durch die Zweige der Olivenbäume fielen und auf der süßen Nase seiner Freundin fröhlich zu tanzen schienen.

      Eine kleine Badebucht breitete sich vor den Betrachtern aus. Die schmalen Strände waren mit Badenden, spielenden Kindern und Booten total überfüllt. Über dieser Bucht thronte die Villa Ambrosio, fast so erhaben wie ein kleineres Kastell, und man konnte einen ersten Blick auf La Gaiola erhaschen. Das Eiland lag unglaublich nahe am Festland.

      Thorsten und Mona mussten jetzt nur noch eine Minilandzunge überqueren und einige Treppenstufen hinabsteigen, dann waren sie am Ziel ihres kurzen Fußmarsches angelangt. Hier war die Küste durchgehend felsig, man konnte an manchen Stellen jedoch von glatten Felsplattformen


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