Kung Fu Toby. H. H. T. Osenger

Kung Fu Toby - H. H. T. Osenger


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Gestalten huschten beim Näherkommen der Freunde in Winkel von absoluter Finsternis, wo sie nicht mehr zu sehen waren. Zhao spannte alle Sinne an, denn es war nicht auszuschließen, dass ihnen aus dieser Finsternis Gefahr drohte. Irgendeine feige, aber tödliche Waffe konnte plötzlich auf sie zufliegen: Der vergiftete Pfeil aus einem Blasrohr, ein Wurfstern, dessen Zacken nicht weniger gefährlich waren, ein Wurfmesser … Zhao wusste, dass auch seine Freunde wachsam waren. Das war in dieser Stadt die einzige Möglichkeit zum Überleben.

      Ohne einen Zwischenfall zu erleben standen sie schließlich vor der Abgewrackten Dschunke. Die Kneipe verdiente den Namen. Das Haus war total herunter gekommen. Innen brannte nur trübes Licht, der Wirt wollte wohl Kerzen sparen. Es stank aus dem Laden nach altem Schweiß, Fusel und dem Rauch von Rauschgift. Ein wirklich übles Loch!

      »Ich schlage vor«, sagte Zhao, »dass ich allein rein gehe. Ihr folgt und tut erst mal so, als gehörten wir nicht zusammen.«

      Lim schüttelte den Kopf. »Das halte ich für zwecklos. Die da drinnen wissen, dass wir kommen werden. Die weghuschenden Schatten haben denen das längst geflüstert.«

      Zhao nickte langsam. Wo Lim Recht hatte, hatte er eben Recht. »Also gut. Gehen wir rein?«

      Weng stapfte los und sagte über die Schulter: »Wir gehen rein!«

      Die Situation in der Kneipe war im Nu überblickt. Eine Handvoll ausgemergelter Gestalten hockte an oder lag über Tischen, die schmierig und klebrig von verschütteten Getränken waren. Von denen ging keine Gefahr aus. Die waren so voll Alkohol oder anderer Rauschgifte, dass sie nicht angreifen konnten. Sie wären nicht einmal in der Lage gewesen, sich ihrer Haut zu wehren oder auch nur zu fliehen.

      Nein, die Gefahr thronte groß, breit und wichtig an einem Tisch, der in der Mitte der düsteren Kneipe stand. Dort saßen fünf Männer und hielten offensichtlich ein Mädchen gegen ihren Willen fest. Dem Mädchen war die Angst anzusehen. Dennoch war sie die schönste Blondine, der Zhao je begegnet war. Die Männer am Tisch aber waren wirklich übel. Der Abschaum der Seefahrer, den das Meer in die Bucht gespült hatte.

      Zwei hatten olivbraune Haut und schwarzes Haar. Die anderen drei waren hellhäutig wie Nordmänner. Einer von denen hatte Ohren, die so abstanden, als wolle der Träger dieser Lauschorgane den Wind damit einfangen. Alle waren bewaffnet. Sie machten sich einen Spaß daraus, ihre Dolche in die Tischplatte zu bohren. Der Wirt stand in einem Winkel bei seinen angeschlagenen Fässern und sah so aus, als würde er jeden Moment aus seiner eigenen Kneipe flüchten. Als er der drei Freunde ansichtig wurde, schien er etwas Hoffnung zu schöpfen.

      Der Anführer der Gruppe, es handelte sich um den mit den abstehenden Ohren, grinste die drei Freunde bösartig an. »Wenn ihr saufen wollt, müsst ihr euch eine andere Kneipe aussuchen. Die hier ist heute Abend unsere. Jemand anders als wir wird hier nicht bedient.« Und damit warf er einen schiefen Blick auf den Wirt, der sich prompt wieder unbehaglicher fühlte und zu zittern begann.

      »Ich habe keine Lust zu Saufen«, antwortete Zhao in ruhigem Ton. »Aber ich habe gehört, dass fünf Dreckschweine ein junges Mädchen gegen ihren Willen festhalten. Habt ihr eine Ahnung, wer das sein könnte?«

      Die fünf miesen Kerle begannen ihre Dolche aus dem Holz der Tischplatte zu ziehen. Einer setze die Spitze der Klinge wie spielerisch an den Hals des blonden Mädchens, dessen Atem plötzlich stoßweise vor Angst ging.

      »Wenn du nicht augenblicklich unsere Kneipe verlässt, dann zieh ich dir die Haut ab und verstärke die Segel meines Schiffes damit«, fauchte der Anführer. Auch aus den Augen der anderen sprach die pure Brutalität und Mordlust.

      Zhao blieb die Ruhe selbst, aber er entgegnete: »Von einer stinkenden Kanalratte wie dir lasse ich mir nichts befehlen.«

      Der Anführer sprang wutentbrannt auf. »Wie hast du mich genannt? Sprich dein letztes Gebet, du Stück Dreck!«

      Damit stürzte er auf Zhao los und wollte ihm das Messer in den Hals rammen. Aber Zhao wich minimal zur Seite aus, fing mit einer blitzschnellen Bewegung der rechten Hand den Messerarm des Angreifers und setzte einen Hebelgriff an. Sofort fiel die Waffe aus der kraftlos gewordenen Hand. Mit der gleichen Schnelligkeit ließ Zhao die nun unbewaffnete Hand los und schlug gegen den Hals des Gegners. Gleichzeitig hieb er seine Ferse in dessen Kniekehle. Der Kerl mit den Segelohren sackte zu Boden und schnappte nach Luft. Die ganze Aktion hatte nur eine Sekunde gedauert, seine linke Hand hatte Zhao überhaupt nicht gebraucht.

      Voller Bestürzung sahen die vier Übeltäter am Tisch, in welch kurzer Zeit ihr Kumpan vom Angreifer zum überwältigten Opfer geworden war. Lim nutzte den Zeitpunkt der Überraschung, schnellte vor zum Tisch und packte mit einem Hebelgriff den Arm des Kerls, der das Mädchen mit dem Messer bedrohte. Dadurch zwang er ihn mit dem Oberkörper auf den Tisch.

      Weng blieb in dieser Zeit nicht untätig. Er lief, seiner beleibten Statur zum Trotz, blitzschnell um den Tisch, und schickte zwei Strolche, die sich gerade erheben wollten, mit einer Kette von Fausthieben zu Boden. Die Dolche trat er dann den am Boden Liegenden aus den Händen, so dass sie in die dunklen Ecken der Kneipe flogen.

      Der fünfte Mann, der noch nicht überwältigt war, wollte dem Anführer zu Hilfe kommen. Er sprang über den Tisch und wollte mit der Wucht seines Sprungs Zhao zu Boden werfen. Doch der wich geschickt aus und verpasste aus einer Drehbewegung dem Kerl einen Tritt in die Seite. Der Angreifer brüllte vor Schmerz auf und sackte in die Knie.

      Der Kampf hatte nur einen kurzen Augenblick gedauert und war entschieden. Die drei Freunde hatten nicht einmal einen Kratzer davon getragen. Zhao, Lim und Weng machten sich nun ans Saubermachen. Sie holten sich hölzerne Eimer, hießen den Wirt, sie mit Wasser zu füllen und gossen das kühle Nass über die bewusstlosen Übeltäter. Die wurden davon langsam wieder munter. Mühsam und ächzend erhoben sie sich.

      Zhao behielt die fünf Männer im Blick. Sie mochten im Augenblick noch erledigt sein, aber das konnte sich schnell ändern. »Ich will nicht viel Worte machen. Wenn ihr jetzt friedlich verschwinden wollt, dann lassen wir euch in Ruhe gehen.«

      Der Anführer kam langsam auf die Beine, stand schwankend da und warf Zhao einen hasserfüllten Blick zu. »Ich will auch nicht viel Worte machen. Ich werde dich bald wieder sehen, und dann wirst du sterben.«

      Zhao zeigte ein leises Lächeln. »Nimm dir nicht zu viel vor!«

      Als sich die Fünf anschickten, die abgewrackte Dschunke zu verlassen, wurde der Wirt wieder deutlich nervös. Zhao verstand sofort. »Halt!«, rief er. Sofort blieben die Männer stehen. »Zuerst bezahlt ihr dem Wirt, was ihr getrunken habt.«

      Der Blick des Anführers wurde noch glühender, als er zwischen dem Wirt und Zhao hin und her pendelte. Widerwillig griff er nach ein paar Münzen, warf sie zu Boden und fauchte: »Diesen Reiswein zu bezahlen wäre nicht nötig gewesen, der hat nämlich wie Pisse geschmeckt!«

      »Dann wird er für dich gewiss eine Delikatesse gewesen sein«, sagte Lim breit grinsend. Weng begann darauf schallend zu lachen, auch Zhao musste lächeln. Wie begossene Pudel hinkten die fünf Männer aus der Kneipe. Eilig begann der Wirt die Münzen aufzusammeln.

      Das junge blonde Mädchen warf den drei Freunden, vor allem Zhao, freudige Blicke zu. »Wie kann ich euch danken?«, sagte sie. »Die Kerle wollten mich auf ihr Schiff mitnehmen. Sie sind Piraten, und sie wollten mich an Menschenhändler verkaufen.«

      »Denen hätte gewiss eine so schöne Frau sehr viel Geld eingebracht«, sagte Zhao freundlich, und die Blonde schlug verlegen die Augen nieder. Dann sah sie wieder auf und fragte erneut: »Wie kann ich euch danken?«

      »Wie wäre es mit einem Spaziergang zu einem wirklich guten Restaurant?«, fragte Zhao. »Wir laden dich gerne ein. Und danach geleiten wir dich nach Hause, wo immer du auch wohnen magst.«

      

       Die Rückkehr ins Grau

      Als am Morgen der Wecker am Kopfende seines Bettes klingelte, erwachte er als Toby in der Tagesrealität. Er konnte sich an jedes Detail der vergangenen Nacht erinnern. An


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