Frontschweine. Léon Lancee

Frontschweine - Léon Lancee


Скачать книгу
ein enormer Feuerüberfall sorgte dafür, dass sie beide zum Boden tauchen mussten, um Deckung zu suchen.

      Granaten unterschiedlichen Kalibers schlugen in hohem Tempo in die Stellungen ein und verursachten eine enorme Verwüstung.

      Teile des Schützengrabens verschwanden in einer Wolke aus Feuer und Staub, während glühende Stahlsplitter herum zischten.

      Schwere Balken der Schützengrabenverstärkungen wurden hochgeschleudert, und ein Volltreffer auf einen der Bunker ließ nicht mehr als ein schwarzes versengtes Loch im Boden zurück, in dem Teile menschlicher Körper zwischen den Resten des Holzes herumlagen.

      Rauchwolken und Staub machten die Sicht fast unmöglich, und das Inferno übertönte das Heulen und Schreien der Opfer.

      Soldaten in Todesangst versuchten sich mit ihren Nägeln in die Erde einzugraben, um den umherzischenden Granatsplittern zu entkommen.

      Andere drückten sich an die Wände der Stellung und machten sich so klein wie möglich.

      Manche der stahlharten Waffen-SS-Männer weinten und beteten.

      Andere machten in die Hose vor Angst oder riefen nach ihrer Mutter.

      Obgleich die Männer der Waffen-SS-Panzergrenadierdivision ´Das Reich` vieles gewöhnt waren, war dies ein ganz neues Erlebnis.

      Während eines Artilleriebombardements konnten sie nichts Anderes tun als still abwarten, bis es vorbei war, ohne dass sie sich verteidigen konnten.

      Glück oder Pech entschied hier über Leben und Tod, Mut und Kampferfahrung brachten nichts mehr, bis das Bombardement vorbei war.

      Einer der Soldaten verlor seine Selbstbeherrschung. Er sprang schreiend auf und kletterte aus dem Schützengraben, bevor einer seiner Kameraden ihn zurückhalten konnte. Kreischend rannte er davon, um nach einigen Dutzend Metern in einer Wolke aus Erde und Feuer zu verschwinden.

      Es wurde nie mehr etwas von ihm wiedergefunden, sein Name wurde später in die unendlich lange Liste der verschollenen deutschen Soldaten eingetragen, von denen nie mehr etwas gesehen oder gehört wurde.

      Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis der Beschuss der Stellung aufhörte und die Soldaten ihre Deckung wieder verlassen konnten.

      Das Feuer wurde dann von den Russen nach hinten verlegt, um die Zuführung deutscher Reservetruppen zur Frontlinie zu verhindern.

      Max und die anderen krochen eilig aus ihrem Bunker hervor und sahen die Verwüstungen, die das Artilleriebombardement angerichtet hatte. Teile der Stellung waren eingestürzt.

      Staub und Pulverdämpfe hatten die Luft schwergemacht. Die Sicht war dadurch schlecht geworden.

      Tote und Verletzte Soldaten lagen im Schützengraben herum, manche waren unter kaputtgeschlagenen Balken oder Erdhaufen verschüttet.

      Jeder, der konnte, rannte zu seinem Posten, aber niemand ging an den Verletzten vorbei, ohne Hilfe zu leisten.

      Von allen Seiten wurde nach Sanitätern geschrien.

      Rainer kniete neben einem jungen Soldaten, der mit einem leichenblassen Gesicht den Stumpf seines Unterarms zudrückte, um zu verhindern, dass er verblutete.

      Er schlang schnell seine Koppel um den Unterarm des Verletzten und drehte es mit dessen eigenem Bajonett fest an, wodurch das Bluten gestillt wurde.

      „Gut festhalten und nicht darauf schauen, bis ein Sanitäter kommt“, sagte er, und gab dem Soldaten eine Morphinspritze.

      Willy schleppte einen Soldaten ohne Kopf hinter dem Maschinengewehr weg und nahm kreideweiß dessen Platz ein.

      Max strauchelte über einen Stahlhelm und trat ihn fluchend zur Seite.

      Als der Helm weghoppelte, sah er, dass noch ein Kopf drinsteckte, und fing gleich an sich zu erbrechen.

      „Jesus Christus, hast du das gesehen?“ fragte er Willy, nachdem er sich würgend übergeben hatte.

      Dieser nickte nur, ohne eine Antwort zu geben.

      Max stellte sich neben ihn und versuchte Haltung zu bewahren.

      Er hatte innerhalb der Abteilung den Ruf, ein stahlharter Draufgänger zu ein, aber dazu passte nach seinem Empfinden nicht, dass ihm beim Erblicken eines abgeschossenen Kopfes so übel wurde.

      „Ich habe in diesem Krieg eine ganze Reihe von Gegnern umgebracht, aber Fußballspielen mit dem Kopf eines gefallenen Kameraden wurde mir doch etwas zu viel. Ich meinte, dass es nichts als ein Helm war, über den ich stolperte. Wenn ich gewusst hätte, dass der Kopf dieses Jungen noch drin war, hätte ich ihn natürlich niemals weggetreten.“

      Max hatte gesprochen, ohne seinen Kameraden anzusehen.

      Willy legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter. „Mach’ dir nichts draus, Max. Auch mir wurde schlecht. Also es gibt keinen Grund, dich deswegen zu schämen. Und darüber sprechen werde ich überhaupt nicht.

      Niemand bekommt dies jemals zu hören.“

      Max lächelte dem anderen matt zu. „Danke dir, Kumpel, wir brauchen alle demnächst wohl eine kleine Woche Urlaub. Wir wollen hoffen, dass Rainer mit seiner Voraussage richtig lag, dass der Standartenführer unseren Urlaub nicht vergessen wird.“

      Michael blickte unterdessen angestrengt durch seinen Feldstecher auf die Überseite, wo der Staub sich langsam legte.

      Er musste gerade gegen die aufkommende Sonne blicken, was die Sicht erschwerte.

      Auf einmal sah er eine braune Welle menschlicher Gestalten durch den Streifen Niemandsland auf sich zukommen.

      „Verdammt Kurt, da kommen sie! Sieht aus wie ein komplettes Bataillon. Das wird spannend, es geht auf Biegen oder Brechen.“

      Er drehte sich um und schrie „Alarm“ durch den Schützengraben.

      Andere übernahmen den Schrei, und etwas später schrillte der Alarmschrei durch alle Winkel der deutschen Stellungen.

      Der russische Angriffsschrei „Hurráááh’ ertönte aus Hunderten Kehlen.

      Viele Soldaten konnten ein Schaudern nicht unterdrücken, als dieser massenhafte und deshalb furchterregende Schrei über das Schlachtfeld ertönte.

      Dieser Schrei machte allen klar, was jetzt kommen würde.

      Ein massiver russischer Ansturm auf ihre Stellungen, der viele Opfer kosten würde, wenn es den Russen gelingen würde, die deutsche Verteidigung zu durchbrechen.

      Die braune Welle war jetzt so nahe herangekommen, dass die deutschen Mörser aktiv wurden und mit den kennzeichnenden Plopp-Plopp-Geräuschen große Mengen Granaten in die Reihen der feindlichen Truppen feuerten.

      Körper wurden auseinandergerissen und weggeschleudert, aber die Sowjets stürmten einfach zu den deutschen Stellungen weiter.

      Kurts Maschinengewehr fing mit kurzen Feuerstößen zu hämmern an, was für die anderen das Zeichen war, ebenfalls das Feuer zu eröffnen.

      Ganze Reihen Soldaten wurden niedergemäht, aber ihr Platz wurde sofort von anderen eingenommen.

      Die russischen Soldaten schossen während des Rennens aus der Hüfte, aber das Feuer war so ungenau, dass es kaum Opfer zur Folge hatte.

      Auch die Gewehre der Panzergrenadiere knallten los, und ein Regen aus Feuer und Blei schlug den anstürmenden Sowjets entgegen.

      Michael führte ständig neue Patronengurte in das immer heißer werdende MG-34 ein.

      „Verdammt“, fluchte Kurt, „Diese Burschen überrollen uns gleich. Der Lauf wird zu heiß. Wir müssen den Lauf wechseln, um zu vermeiden, dass die Waffe blockiert. Schnell, bevor sie hier im Schützengraben stehen!“

      Michael hatte die Asbesthandschuhe bereits angezogen und einen Ersatzlauf ergriffen.

      In einem rasenden Tempo wechselte er den glühend heißen Lauf, wonach Kurt den Verschluss der Waffe


Скачать книгу