Filthy Smells Of Death. Stephan Schöneberg
entgegne ich mit engelsgleicher Stimme.
Okay, Tackerklammern sind eingesetzt, Akku ebenfalls und voll geladen ist er auch.
'Are you ready? … … Come on, come on'. Mir spuckt noch ein bisschen 'Disturbed' im Kopf herum - wahrscheinlich wird er das gleich auch ein wenig verstörend finden - ich mach's kurz heute. Da ist noch genug Adrenalin bei ihm im Blut.
Ich drehe mich blitzschnell um, jage eine Klammer in seinen Bauch, der Fangschuss, und mit einer weiteren zerfetze ich seine Wade, damit er nicht doch noch wegläuft. Er stöhnt wieder laut auf, diesmal schreit er anders als vorhin. Ich sprinte zu dem Platz, wo er seine 'Walter P99' hingeschmissen hat, ENTSICHERE die Waffe, laufe zu ihm zurück und jage ihm zwei Kugeln mitten ins Herz, den Kopf brauche ich ja noch.
„Möge Gott mir vergeben“, raune ich leise. Warum auch immer ich jetzt darauf komme, normalerweise bin ich nicht sehr gläubig.
EIN PSYCHOPATHISCHES ARSCHLOCH WENIGER AUF DER WELT! Meint mein nicht minder psychopathisches Unterbewusstsein.
„Schade, ficken konnte er!“ Meinen wir schließlich beide.
Ich darf aber jetzt nicht sehr lange warten. Der leider etwas eklige Teil der ganzen Geschichte ist die kombinierte Nutzung von Säge, Messer und größeren Löffeln. Zum Glück habe ich mein 'Besteck' meist immer dabei, das lässt mir beim Essen ein wenig Restwürde. Das ging sogar auch noch in den 'Stanleys' mit rein. Beim Essbesteck bin ich wählerisch, mein großes WMF Salatbesteck gibt es nicht im Baumarkt. Meinen Blazer ziehe ich wieder aus, ich hab nur den einen mit und Zeit für einen Waschsalon habe ich vorher nicht mehr. Es ärgert mich ein wenig, dass ich die große graue Werkstatt-Putztuchrolle im Baumarkt vergessen habe.
Nach meiner Mahlzeit sehe ich meistens tatsächlich so aus, wie man sich einen Zombie vorstellt, der gerade ein Opfer komplett - nun - aufgefressen hat. Was soll ich machen? Das muss schnell gehen, sonst gerinnt das Blut und dann wirkt es nicht mehr so gut, als wenn es frisch ist. Eigentlich hätte ich Taylor heute noch nicht unbedingt gebraucht, aber Frau nimmt sich halt manchmal auch, was sich gerade so ergibt. Das Gehirn hat mich anderweitig befriedigt. Dieses Hungergefühl ist widerlich. Es ist meist immer das erste, was ich bei einer Mahlzeit bediene. Seine kleingehackten und zersägten Reste lasse ich liegen, hier gibt es Coyoten und Geier. Die Knochen erledigt der Sand, die Reste vom Schädel und die größeren Knochen zertrümmere ich mit dem Zimmermannshammer auf einem größeren Stein. Seine Kleidung benutze ich, um mich grob zu säubern und ziehe mich dann erst einmal wieder an. Der widerliche Teil der Arbeit ist getan. Danach packe ich seine Sachen in die Säcke des Baumarkts. Wenn ich wieder in Portland bin, muss ich die verbrennen. Das mache ich, wenn Hannah im Kindergarten ist. Nächstes Jahr wird sie eingeschult … wie die Zeit vergeht. Die Brieftasche nehme ich an mich. Immerhin, für ein Abendessen reicht es.
Zum Glück führt die Interstate 5 eine Zeit lang am Cowlitz River entlang. Bei Rocky Point halte ich kurz an, wasche mir mit dem Taylor-Hemd und etwas Wasser das Gesicht gründlicher und halte die Haare in den Fluss. An einer größeren Tankstelle in der Nähe von Castle Rock finde ich doch tatsächlich Duschzeug und kann sogar ein Badetuch kaufen. Ich entschließe mich, kurz vor Toledo, noch einmal ein kurzes Vollbad im Cowlitz River zu nehmen. Verdammt, Taylor hat mich doch insgesamt knapp vier Stunden Extrazeit gekostet. Ich kann den SLS noch so sehr treten, bis Siebzehn Uhr schaffe ich es nicht zum verabredeten Treffpunkt bei Route69, um dort den CEO, Dorian Gray zu interviewen. Ich muss mir was einfallen lassen, los Anna - denk nach!
Zwei
Ich wähle über die Sprechanlage die Nummer von Route69. Es klingelt drei Mal bis jemand abnimmt:
„Hallo, sie sprechen mit Andrea und befinden sich auf der Route69.“ Ich lächle innerlich und denke mir: „Ne, Interstate 5!“.
Aber ziemlich sicher schreibt es das Corporate Identity vor, eine Affinität des Namens Route69 zum Truckerleben herzustellen.
„Hallo, Anna Wood, ich habe heute Nachmittag …“, ich mache eine bedeutungsschwere Pause, „um siebzehn Uhr einen Termin mit Mister Gray.“
Aus den Boxen erklingt ein deutliches „Oh!“
„Oh?“
„Ja, ich fürchte Mister Gray wird leider erst etwas später zur Verfügung stehen.“
Mein anderes Ich springt jubelnd auf: TSCHAKKA!
„Oh …“, antworte ich ebenso betroffen.
„Er bekam keine Freigabe für seinen Helikopterflug und konnte erst mit deutlicher Verspätung in Calgary losfliegen. Gut, dass sie anrufen. Ich hätte mich gleich gemeldet.“
Schon klar! Ist aber jetzt auch egal.
„Er fliegt von Calgary nach Seattle mit einem Hubschrauber!?“
„Ja, er fliegt gelegentlich gerne, dabei fliegt er manchmal auch etwas länger. Dieses Mal hat er Pech gehabt. Die Freigabe wurde zu spät erteilt. Es wird eher nach 19 Uhr, vielleicht sogar 21 Uhr werden. Wenn es ihnen nichts ausmacht, dann buchen wir ihnen ein Zimmer und verschieben den Termin auf morgen früh?“
Ich schaue kurz auf meine Cartier, wir haben nun 16: 15 Uhr. Ich kann locker in zwei Stunden in Seattle sein. Das reicht sogar noch, um in den nächstbesten Baumarkt zu hüpfen und die heute schmerzlich vermisste große graue Werkstatt-Putzrolle zu kaufen. So ein 'Faux-Pax' wie bei Taylor passiert mir nicht nochmal. Eigentlich arbeite ich nach dem alten Pfadfinder-Motto: Allzeit bereit!
„Ist es vielleicht möglich, auch einen Abendtermin zu bekommen?“, frage ich Andrea.
Sie antwortet nicht sofort. Wahrscheinlich hat sie wohl erst einmal tief Luft geholt.
„Nicht hier in der Firma, Miss Wood.“
„Na und?!“, denke ich.
JAHAAAA!
Meldet sich mein scheinbar gerade notgeiles zweites Ich. Das sollte doch eigentlich erst einmal genug haben?
Ich seufze laut auf.
„Ich soll also ein Zimmer bestellen und Mister Gray wird sie morgen empfangen, Miss Wood?“, versucht Andrea meinen Seufzer zu interpretieren.
Nu halt doch mal die Klappe, du blödes Unterbewusstsein, schimpfe ich im Geist mit meiner inneren Stimme.
Versuchen wir mal die Situation zu retten …
„Ich möchte Mister Gray keine Umstände machen“, bemerke ich. „Können sie in der Leitung bleiben, ich frage ihn dann gerade?“, sagt Andrea im typischen 'Sekretärinnensprech'.
„Ja sicher!“, antworte ich und denke weiter: „Na, super … jetzt steht und fällt mein Date mit der Überzeugungsarbeit einer mittelprächtigen Telefonfachkraft. Die Welt ist seit heute Mittag irgendwie gegen mich, wie es scheint. Der Morgen war ja noch ganz gut …“
Während sie mit Mister 'Eigentlich-Geil' spricht, höre ich zirka 90 Sekunden irgendwas Operettenhaftes. Dann raschelt es kurz in der Leitung und mich bellt jemand an: „Gray!“
Ich bin ehrlich überrascht … und frage: „Was war das denn?“
„Was?!“ Ich vernehme die laute, strenge Stimme eines etwas überrascht klingenden Dorian Gray.
„Na, die Musik in der Warteschlange?“, antworte ich mit einer Gegenfrage.
„Das war ein Auszug aus einer Operette, „Einer wird kommen“ von Franz Lehar. Gefällt es ihnen?“
MANN, HÖRT SICH DAS SCHEIßE AN! Revoltiert mein metal-verwöhntes Unterbewusstsein.
Aber dieser Titel …, lächle ich still in mich rein.
BLOß NICHTS ANMERKEN LASSEN, ANNA.
„Gar nicht so übel!“, antworte ich lakonisch und so nichtssagend wie irgend möglich.
„Möchten sie es länger hören, ich habe Zeit, der Flug ist lang.“
Ich kann sein breites Grinsen fast bildlich