Filthy Smells Of Death. Stephan Schöneberg
Andrea … es ist so schwer gutes Personal zu bekommen. Sie ist halt blond. Sie wusste nicht einmal mit wem sie gesprochen hat.“
CHAUVINIST!
„Mein Name ist Anna Wood. Sie erinnern sich?“, kurze Pause „Vielleicht ist mein rot-brünettes Haar in Wahrheit gefärbt?“, erwidere ich.
Es dauert drei Sekunden bis er mit einer Frage antwortet: „Ist es?“
Eine ehrliche und direkte Frage verdient eine ehrliche und direkte Antwort.
„Nein“, antworte ich lachend.
„Gut, ich mag dein Haar. Tut mir leid, dass ich unseren Termin heute absagen muss, ich hatte mich ehrlich auf sie gefreut, Miss Wood. Sie scheinen ja auch Probleme mit ihrem Personal zu haben? Wie kann man nur ein komplettes Tonbandgerät in der Waschmaschine vernichten.“ Oh-ho, interessant. Er freut sich also und er scheint Kate und mir nicht zu böse zu sein. Wenn er sich ja nur mal entscheiden würde, du oder Miss Wood?
ICH HEIßE ANNA, DU GEILE SAU. A - N - N - A.
Mensch, Anna … beim ersten Interview hattest du es doch auch nicht so nötig, aber irgendwas ist heute anders an ihm, die Stimme hört sich anders an, vor allem die Betonung.
Okay, ist ja gut, immer ruhig mit den wilden roten Pferden. Wie komme ich jetzt eigentlich auf ein rotes Pferd, und irgendwie schwirrt mir noch der Name Joanna im Kopf herum. Dazu noch Bilder von tanzenden Menschen … Ich hatte doch nicht etwa ein vergessenes, vorheriges Leben auf einer Partyinsel?
„Kate ist gelegentlich ein kleiner Schussel“, murmele ich in die Sprechanlage.
„Nun?“
„Hä?“
„Wann treffen wir uns?“
„HEUTE, BEI DIR ZU HAUSE?“, fragt mein forsches Unterbewusstsein und ich spreche es natürlich auch genauso ungefiltert aus. Ich halte mir kurz die linke Hand vor den Mund und schließe die Augen … zu spät, es ist raus! … … schnell korrigiere ich meine Fahrtrichtung mit dem Lenkrad, als ich schon am Schotter neben der Straße kratze. Puh! - Augen auf im Straßenverkehr. Das hilft enorm, wenn man mit 130 Meilen die Straße entlang rast, auch wenn sie überwiegend geradeaus verläuft. Anna, kannst Du nicht ein einziges Mal deine vorlaute Schnauze halten?
„Anna, Anna - was soll ich bloß mit Ihnen machen?“
Oh, er geht tatsächlich darauf ein? Ich freue mich innerlich, irgendwas tief in meinem Bauch zieht sich zusammen und es ist nicht wegen den Resten von Taylor, die ich versuche zu verdauen. Aber, na was denn nun? Anna, oder Miss Wood? Aber vielleicht geht ja auch beides? Ich kann den Typen irgendwie noch nicht so richtig einschätzen.
DER VERBIRGT IRGENDWAS!
Ach komm, wenn hier irgendjemand was zu verbergen hat, dann bin das doch wohl eher ich, oder nicht?
„Mir sagen, wo ich hinfahren soll, wäre schon mal ein Anfang!“, spreche ich geradeheraus aus, was ich denke.
Ich hätte nicht gedacht, dass er mir so einfach seine Adresse gibt. Zudem verrät er mir dazu den Code für die Tiefgarage. Der Mann denkt mit. Vielleicht wird er meinem kleinen psychiatrischem zweitem Ich doch noch sympathisch? Mir ist schon klar, dass es einfach nur mit ihm ficken möchte … Na gut, ich vielleicht auch - so ein kleines bisschen … Meine zweite Stimme schweigt während der ganzen restlichen Fahrt bis ins Nobelviertel von Seattle. Vielleicht ist sie beleidigt, da ich auch Interesse am gleichen Kerl habe?
Nach exakt 2 Stunden und 11 Minuten parke ich Kates SLS in der Tiefgarage von Dorian Grays opulentem Anwesen. Tiefgaragen haben ja ihren eigenen erotischen Flair. Ich mag dieses triste unpersönliche Grau. Zudem ist man meist unter der Erde. Die graysche Tiefgarage ist allerdings wirklich anders als die meisten öffentlichen Tiefgaragen. Nicht, dass sie unbedingt kleiner ist. Aber sie ist definitiv … sauberer. Der Mann hat sein Personal unter Kontrolle - Respekt dafür! Vielleicht beschäftigt er im Gegensatz zu den öffentlichen Garagen auch einfach genug Putzkolonnen? Was mache ich mir eigentlich für komische Gedanken? Interessiert doch sowieso kein Schwein, wie sauber nun die Tiefgarage von Dorian Gray ist? Nur der Vollständigkeit halber will ich noch erwähnt haben, dass ich kurz vor Seattle noch einen Baumarkt gefunden habe, der Reinigungstücher vorrätig hatte. Leider nur die gängigen Blauen. Ich war leicht genervt, hab mir aber trotzdem welche mitgenommen.
Meinen Rucksack nehme ich natürlich mit ins Haus. Der SLS findet sicher problemlos Anschluss. Es gibt ein paar nette Kumpel hier: Da steht unter anderem ein schwarzer Lambo neben einem großen grauen Rolls und einem anthrazitfarbenen Porsche Panamera. Interessanter Fuhrpark! Mit all denen kannst du gerne reden, Prolli, aber lass dich nicht mit dem roten Ferrari ein, der hat einen bösen Blick und natürlich die falsche Farbe.
Ich drücke den Knopf für den Fahrstuhl. Nach ungefähr 15 Sekunden geht die Fahrstuhltür auf. Wow, alles so geräuschlos. Der Aufzug ist passiv beleuchtet und besteht komplett aus Marmor … hätte ich gedacht und irgendwie cool gefunden. Ich mag Marmor. Stattdessen ist er vollkommen verspiegelt, inklusive Decke und Boden. So viel zum Thema putzen - welche arme Sau muss das wohl sauber halten? Und … er hat keine sichtbaren Knöpfe. Woher weiß der denn wo ich hin möchte? Egal, ich steige ein und warte mal ab. Nach zirka 20 Sekunden öffnet sich die Tür wieder und … ich bin in einer komplett anderen Welt.
Ein Traum in Weiß, Schwarz und GRAU! Ich bin … verliebt. Wer hätte DAS gedacht? Eine freundliche und doch erotische weibliche Stimme aus dem Fahrstuhl sagt: „Willkommen im Gästebereich von Dorian Gray.“ Ich blinzle zwei-drei Mal, der Fahrstuhl war noch nicht fertig: „Fühlen sie sich wie zu Hause, Miss Wood. Mister Gray meldet sich, sobald er eingetroffen ist!“
HOLLA! ER WEIß WIE MAN JEMAND BEEINDRUCKT. Meinem zweitem ich scheint es jedenfalls auch zu gefallen.
Nur … er hat nicht gesagt, wann er denn nun 'erscheint'. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es gerade kurz nach 18 Uhr ist. Seine hohlbirnige aber dafür wahrscheinlich ultraschlanke, langbeinige Sekretöse meinte, es würde mindestens 19 oder gar 21 Uhr werden. Aber … wo? Bis er hier ist? Bis er landet? Bis er komplett geschminkt und onduliert in einem coolen grauen Freizeitdress vor mir steht, bereit zu allen Schandtaten?
Keine Ahnung … Ich fluche leicht vor mich hin. Der Fahrstuhl ist mir wohl gefolgt, hat aber sein Geschlecht gewechselt: „Wenn sie etwas benötigen, Miss Wood, dann brauchen sie dies nur laut zu sagen“, ertönt eine Stimme irgendwo aus der Decke.
„WAS? … für 'ne abgefahrene Scheiße“, denke ich.
Ich probiere mal was: „Kann ich mit Mister Gray sprechen?“, spreche ich laut vor mich hin.
„Moment, ich versuche es“, spricht die Stimme irgendwo aus dem 'off'.
„Gray!“
HIMMEL NOCH MAL, KANN DER SICH NICHT MAL VERNÜNFTIG UND VOR ALLEM FREUNDLICH MELDEN?
„Hallo, hier spricht …“, soll ich es versuchen? Kurz geschwankt - egal - ich mach's einfach mal: „Anna … Können Sie mir sagen, wann sie mich ungefähr empfangen oder abholen werden?“
„Hallo Miss Wood. Ich befinde mich noch ungefähr eine Stunde von Seattle entfernt. Ich werde in ungefähr zwei Stunden bei ihnen sein. Ich hole sie persönlich ab.“
„Danke“, antworte ich kurz.
„Bitte! wir sehen uns gleich. Gray Ende.“
Er hat aufgelegt.
Na, aus dem soll mal einer schlau werden. Mal ist er freundlich, mal eher nicht. Immerhin weiß ich jetzt, dass ich noch gut 2 Stunden Zeit habe, um mich aufzuhübschen. Vor allem eine Dusche würde dabei enorm helfen. Dann wollen wir mal sehen …
„Äh, hallo?“, frage ich in den Raum.
„Ja?“, antwortet die Stimme sofort.
„Wo ist denn hier die Dusche?“ … „Bitte?“
„Sie müssen sich um 90 Grad drehen und den Gang heruntergehen. Es steht Bad dran.“
ÖHM.