Filthy Smells Of Death. Stephan Schöneberg

Filthy Smells Of Death - Stephan Schöneberg


Скачать книгу
für meinen jeweiligen Lebensbereich zu finden. Ich dulde keine Zweitklassigkeit in meiner unmittelbaren Nähe.“

      Hmmm, Schlüpfrigkeit hat er bei meinem ersten Interview nicht gesagt, da bin ich mir absolut sicher. Warum darf eigentlich ich ihn befragen, wenn er doch keine Zweitklassigkeit mag? Ich entscheide mich, das Interview ein wenig abzuändern.

      Mein Mund grinst minimal als ich frei heraus spreche: „Und warum habe ich dann die Ehre, sie zu interviewen?“

      Überrascht hebt er auch noch die zweite Augenbraue.

      „Betrachten sie es tatsächlich zunächst als Ehre, Miss Wood. Das war es auch schon beim ersten Mal. Eigentlich hätte ich bei ihrer zweiten Anfrage sagen sollen, dass sie mich mal 'sonst wie' können. Aber, es ist nicht ihre persönliche Schuld gewesen. Ich bin kein Unmensch, zumindest nicht ohne Grund.“ Er wird etwas leiser. „Zudem kollidiert ihre Anwesenheit mit meiner zweiten Aussage über passende Menschen. Sie sind ein interessanter Mensch. Ich habe nicht gelogen, als ich vorhin erwähnte, dass ich mich freue sie zu sehen.“

      Hoppala! Hier scheint was in der Luft zwischen mir und Mister Gray zu liegen.

      „Ich irre mich nur selten in einem Menschen, ich kann sie lesen, sogar steuern und manipulieren, wenn ich möchte oder muss. Ich bevorzuge es jedoch, dass sie lernfähig sind und selbst denken können. Ich muss zugeben, ich sehe in ihnen etwas.“

      Meint der jetzt mich, oder Menschen im Allgemeinen. Er ist tatsächlich wortgewandt. Hmmm, ok, das ist prinzipiell ja gut … den 'dumm-aberfickt-gut-Typ' hatte ich ja heute Morgen schon.

      Er sieht mich mit seinen grauen Augen direkt an. Wahrscheinlich meint er tatsächlich eher mich.

      „Zudem bezahle ich gut und bekomme dafür gute Ergebnisse. Unser Erfolg beruht auf einer exzellenten Forschungsabteilung. Wahrscheinlich hat niemand das Thema 'Lust' besser erforscht als unsere Firma. Unsere Kunden wissen das. Sie vertrauen uns.“

      „Naja, ob es nötig war, zum Beispiel die deutsche DIN-Norm für Kondome zu übernehmen und ein Präservativ erst bei einem Inhalt von 5 Litern platzen zu lassen?“

      „Oh, sie haben recherchiert? Das ist gut, Aber dann recherchieren sie bitte auch richtig. Seit 1996, das ist schon deutlich über 20 Jahre her, gelten in ganz Europa die gleichen DIN-Vorschriften für ein Kondom. Sie sind 17cm lang und zwischen 4,4 und 5,5 cm breit. Sogar die Art und Weise der Belastungstests ist geregelt. Seit dem Jahr 2002 wurde fast die gleiche Norm internationalisiert, die besagt, dass ein Präservativ 16cm lang sein muss. Die Breite scheint international keine Rolle zu spielen, Testmethoden werden auch nur bedingt eingehalten.“

      Ich huste leicht. Er weiß, wovon er redet.

      „Naja, das lässt in der Größe ja nicht so viel Spielraum …“, sage ich, fast flüsternd.

      „Unsere Kondome sind mehrfach geprüft, wir benutzen die beste Latex-Kautschuk-Mischung, die nach allerneuester Forschung möglich ist. Unsere Zutaten sind mehrfach allergisch geprüft. Sofern sie sich für ein feuchtes Kondom entscheiden, sind sie zusätzlich auch noch trocken geprüft. Alle unsere biologischen Kondome sind vollkommen pflanzlich und damit überwiegend vegan. Die Geschmacksrichtungen sind niemals durch Geschmacksverstärker hergestellt, sondern echt. Wenn SIE an einem Erdbeerkondom saugen, dann schmecken sie echte Erdbeere und garantiert nicht Glutamat. Sie sind annähernd so stabil wie Präservative auf Silikonbasis, die wir natürlich auch führen.“

      Nun werde ich auch noch ein wenig rot. Diese Direktheit bei seinen Antworten ist schon extrem erotisch, zumindest kommt es mir, jetzt hier wo ich ihn sehe, so vor. Es fällt mir schwer, seine Augen nicht zu fixieren. Schließlich schaffe ich es, meine Gedanken ein wenig abzulenken und ich denke an etwas anderes:

      „Hmmm, ich mag Erdbeere, obwohl sie nicht grau ist. Naja, zumindest mochte ich sie mal. Randnotiz für mich, keine Kondome von Route69 mit Geschmack kaufen. Ist doch irgendwie Mist, wenn einem kotzübel wird, wenn man einem Kerl gerade einen bläst. Andererseits - ICH brauche die sowieso nicht!“

      NA, DAS HAT JA FUNKTIONIERT, DAS MIT DEM ABLENKEN.

      „Sie kennen sich aus“, antworte ich kleinlaut.

      „Das ist mein Job, Anna“, bemerkt er.

      ANNA?

      Er schüttelt kaum merklich mit dem Kopf, aber ich habe es trotzdem bemerkt. Er war einmal ganz kurz nicht der kontrollierte und beherrschte Mister Gray. Von dem Unkontrolliertem und Unbeherrschtem möchte ich mehr hören … und sehen.

      „Ich höre oft, dass die Pariser nicht groß genug sein sollen“, mal sehen, ob ich ihn ein wenig aus der Reserve locken kann.

      „Sie haben persönliche Erfahrung?“, seine Antwort kommt direkt und gerade heraus. Verdammt, Touché! Ich laufe nun vollends rot an. So etwas sollte mir nun wirklich nicht passieren, Mist.

      Er lächelt und fährt fort: „Natürlich führen wir auch Übergrößen.“ Bei seiner Antwort grinst er mich direkt leicht herausfordernd an. Ich schaue ihm tief in die Augen, er erwidert meinen Blick. So grau …!

      Welche Größe führst du denn … ein … Natürlich wage ich es nicht, genau das auszusprechen.

      ANNA, DU BIST EIN FEIGLING.

      Schnauze halten, du notgeiles zweites ich.

      Ich schaue ihm immer noch in die Augen. Ich könnte stundenlang dieses Grau in all seinen Variationen betrachten. Ich schwebe gerade geistig drei Meter über Rolf Benz und seinem Ego.

      „Die nächste Frage?“, er holt mich wieder auf die Erde zurück.

      „Arbeiten die Menschen gerne für sie?“, hake ich die nächste Frage auf meiner Liste ab.

      „Ich zahle gut. Gute Arbeit soll gut entlohnt werden“, erklärt er sachlich. „Ich höre immer wieder 'ich', Mister Gray. Es kommt fast so rüber, als wären sie der einzige Mensch, der in ihrem Unternehmen Entscheidungsgewalt hat?“

      Die Frage stand zwar nicht auf meiner Liste, aber bei so viel Selbstwertgefühl, fast schon Narzissmus, musste ich sie einfach stellen.

      „Wie sie schon sagten, Miss Wood, es ist MEIN Unternehmen, es gehört mir. Aber natürlich bin ich glücklich ein außergewöhnliches Team zu beschäftigen.“

      Sicher, klar! Du hast 'ne ziemlich ausgeprägte Profilneurose und bekommst es nicht einmal mehr mit. Du brauchst mal einen, der dir wieder ordentlich einen runter holt … … … oder so ähnlich.

      „Ich kenne mich auf vielen Gebieten perfekt aus. Dafür arbeite ich hart. Meine Entscheidungen sind durchdacht und beruhen überwiegend auf Forschungen und genauer Marktanalyse. Um beim Beispiel Präservativ zu bleiben: Der Markt für die Geschmacksrichtung 'Spinat' ist zum Beispiel relativ begrenzt. Deswegen bieten wir so etwas auch nicht an. Dennoch können sie aus über hundert Geschmacksrichtungen wählen. Eigentlich sollte für jeden oder jede das Passende dabei.“

      „Jede?“, ich wundere mich.

      „Sie glauben nicht, wie viele Frauen die Kondome für ihren Mann oder ihre Männer kaufen.“

      „Ah ja, natürlich …“, spreche ich kaum hörbar aus und denke mir: „Männer können sich ja auch schlecht selbst einen blasen.“

      „Haben sie hierzu noch Fragen?“

      JA, VIELE …

      „Aber wie treffen sie immer so genau den Wunsch ihrer Kunden. In erotischen Zirkeln ist es ja mit ihren Kondomen schon fast so, wie mit dem Mövenpick-Eis.“

      „Wie meinen sie das, Miss Wood?“

      „Das Mövenpick-Eis des Jahres oder Monats oder der Route69-Pariser. Welche neue Geschmacksrichtung wird es diesmal sein. Und genau DIE ist auch dann gerade mehr wie gefragt.“

      Mister Gray schaut mich irritiert an.

      „Sie sind gut informiert, Miss Wood. Sind sie sicher, dass sie als Baumarktaushilfe den richtigen Job gefunden haben?“

      „Soll


Скачать книгу