Die Bad Religion Story. Jim Ruland

Die Bad Religion Story - Jim Ruland


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wurden, musste er für Konzerte immer weitere Wege zurücklegen und kam erst spät nachhause. In der Regel endete ein Austausch darüber, wohin er unterwegs wäre und wann er wieder zuhause sein würde, im Streit.

      JAY: Ich fahre runter nach Riverside, um dort ein Konzert zu geben.

      Eltern: Du musst um 22 Uhr zuhause sein.

      JAY: Ich werde nicht um 22 Uhr zuhause sein.

      Eltern: Dann streichen wir dir das Taschengeld.

      JAY: Nun, dann lasst mich mal nachdenken. Ich verdiene heute wahrscheinlich 100 Dollar und mein Taschengeld sind zwölf Dollar. Ist schon okay, wenn ihr mir kein Taschengeld gebt. Wie wäre es mit Hausarrest, verdammt noch mal?

      Jay war von einem Auto angefahren worden, als er mit seinem Fahrrad einen Fußgängerübergang überquerte und ein anderer Teenager ihn mit seinem Kombi ummähte. Jay hatte noch die Beine hochziehen und mit den Füßen auf den Sitz steigen können, sodass er über die Windschutzscheibe hinweg katapultiert wurde. Bei diesem Unfall hatte er sich beide Beine ausgerenkt. Ein Freund der Familie war Anwalt und hatte in Jays Namen auf Schadenersatz geklagt. Jay hatte eine Abfindung erhalten, an die er aber erst herankam, wenn er 18 war.

      „Ich war jetzt nicht so irre, dass ich mir dachte: Alter, du musst nie wieder arbeiten. Es waren ja nur 15 Riesen und meinem Anwalt musste ich die Hälfte davon abtreten.“ Gleichwohl wusste Jay, dass ihn an seinem 18. Geburtstag ein Geldregen erwartete. Also eckte er regelmäßig bei seinen Eltern an. Außerdem war er in ihren Augen jetzt ein Schläger. Das frustrierte Jay außerordentlich, da das nicht zutraf und seinem Verhalten in der Punk-Szene nicht entsprach. „Ich war nie ein destruktiver Typ“, erklärt Jay. „Ich war der, der sagte: Wir können es besser machen.“

      Leider sollte sich der Zustand der Band schon bald rapide verschlechtern.

      Auf der High School begeisterte sich Greg für ein Thema, das als noch uncooler galt als Punk, die Paläontologie. Zwar war er immer schon ein wissbegieriger Junge gewesen, doch als er heranwuchs, stellte er sich immer mehr Fragen hinsichtlich der Welt und des Lebens lange Zeit vor seiner Geburt. Im letzten Schuljahr an der El Camino Real arbeitete er ehrenamtlich im paläontologischen Labor des Naturhistorischen Museums von Los Angeles County. Seine Aufgabe bestand darin, die Gesteinsbrocken, die die Mitarbeiter des Museums gesammelt hatten, mithilfe geheimnisvoller Werkzeuge zu bearbeiten, um darin verborgene Fossile freizulegen.

      Diese Arbeit war mühsam und monoton. Auch musste Greg eine lange Busfahrt in Kauf nehmen, um zu einem Job zu gelangen, für den er nicht einmal bezahlt wurde. Mitunter arbeitete er stundenlang an einem simplen Zahn oder Knochenfragment. Sobald er fertig war, wurde ein Fossil auf Nimmerwiedersehen in ein anderes Labor weitergeschickt. Greg blieb zurück und rätselte, wie die einzelnen Bruchstücke wohl zusammenpassen mochten und was all dies zu bedeuten hätte. Diese dringlichen Fragen sollten die Songtexte seiner Band Bad Religion nachhaltig beeinflussen.

      Die Laborarbeit ließ in Greg den Wunsch aufkeimen, mehr über die Fossile zu erfahren, die er zutage bringen half. Woher stammten sie? Was war mit ihnen passiert? Doch ihn faszinierte nicht nur die Taxonomie dieser Fossile, nicht nur das Wer und das Was, sondern auch das Wie und das Warum lagen ihm am Herzen. Kurzum, es interessierte ihn die ganze Geschichte dieser prähistorischen Fragmente, die gleichzeitig die Historie der geologischen Vergangenheit unseres Planeten preiszugeben vermochten.

      Diese Erfahrungen am naturhistorischen Museum motivierten Greg, dessen Urgroßvater noch geglaubt hatte, die Erde sei gerade einmal 6.000 Jahre alt, Geologie zu studieren. Allerdings reichten Gregs Noten an der El Camino Real nicht aus, um ihm einen Studienplatz an der University of Wisconsin zu sichern, wo ihm die Studiengebühren erspart geblieben wären, da sein Vater dort ordentliches Fakultätsmitglied am Englisch-Institut war. Stattdessen inskribierte er im Herbst an der California State University in Northridge und besuchte Vorlesungen in Geologie und Biologie. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte Greg den Drang, außerordentliche schulische Leistungen zu erbringen.

      Bad Religion gaben weiterhin Konzerte, traten zum Beispiel mit den Bad Brains im Ukrainian Culture Center in L.A. auf und unternahmen gelegentlich Ausflüge nach San Francisco. Allerdings traten sie nicht öfter als zwei-, dreimal im Monat auf. Dennoch fühlte sich die Band durch den Erfolg von How Could Hell Be Any Worse? bestätigt und ermutigt. Im Verlauf des Jahres wurde das Album mehrmals nachgepresst, um der Nachfrage gerecht zu werden. Ende 1982 hatten Bad Religion 10.000 Exemplare verkauft, was die ursprünglichen Erwartungen bei Weitem übertraf. „Das war damals in der Punk-Szene eine große Sache“, betont Brett.

      Außerdem liefen sie nun regelmäßig in Rodney Bingenheimers Radioshow und konnten sich somit der Aufmerksamkeit der bunt gemischten Punkrock-Klientel in L.A. sicher sein. Die Band wurde sogar erneut zu New Wave Theatre eingeladen, wovon auch Greg Hetson Wind bekam. Am Tag der Aufzeichnung kreuzte er im Studio auf, um kostümiert mit Trenchcoat und Schlapphut „Part III“ mit der Band zu spielen. (Tragischerweise wurde Peter Ivers, der Moderator der Show im März 1983 erschlagen in seiner Wohnung aufgefunden. Der Mord wurde niemals aufgeklärt.)

      Wann immer Hetson bei einer Show von Bad Religion zugegen war, sprang er bei „Part III“ auf die Bühne, um die Jungs zu unterstützen – bis er eines Tages de facto zu einem festen Mitglied der Band avancierte.

      Für Bad Religion lief alles so gut, dass sich Brett einen Synthesizer, einen Roland Juno-6, leisten konnte. Wenn Greg seine Songs schrieb, hatte er oft das hoffnungslos verstimmte Klavier seiner Mutter benutzt. Das neue Keyboard bot hingegen eine Vielzahl an Effekten und war auch tragbar. Das Gerät war nicht nur ein praktisches Werkzeug, sondern sollte auch noch umfangreiche Auswirkungen auf die Band haben.

      1982 waren Synthies in der Popmusik allgegenwärtig. Wenn man das Radio aufdrehte, gab es kein Entkommen. Die meisten Punk-Bands sträubten sich aus ästhetischen Gründen gegen sie. Sie lehnten Synthesizer vehement ab, weil sie in der Mainstream-Musik eine so dominante Rolle spielten.

      Brett wusste genau, auf was er sich einließ, als er den Roland Juno-6 erstand: „Damals tendierten viele Kollegen in der Hardcore-Szene zu einem Post-Punk-Sound, der von englischen Gruppen wie Joy Division oder Public Image Limited beeinflusst war – und dass obwohl Synthies als verpönt galten. Mir war das Risiko bewusst, aber ich dachte, dass es Spaß machen könnte, ein bisschen zu experimentieren.“

      Dann veröffentlichten T.S.O.L. ihr Album Beneath the Shadows auf Alternative Tentacles und Greg Kuehn spielte Keyboards darauf. Ein Song war sogar ein Instrumentalstück. Mit ihrer zweiten LP pushten T.S.O.L. ihren Death-Rock-Sound weiter in Richtung jener trostlosen Stimmung, die sie zuvor schon mit ihrer EP Weathered Statues angedeutet hatten. Für Brett veränderte Beneath the Shadows die musikalische Landschaft bemerkenswert.

      „Zumindest auf mich hatten T.S.O.L, die zu meinen Lieblingsgruppen in der Hardcore-Szene von L.A. zählten, besonders großen Einfluss. Sie hatten gerade Beneath the Shadows veröffentlicht, worauf Synthies zu hören waren. Das war eine echte Innovation. Es kennzeichnete eine Weiterentwicklung des sehr aggressiven Hardcore-Punks hin zu einem fast schon postmodernen Sound.“

      War Punk nun passé, oder war er einfach nur in eine neue, experimentelle Phase eingetreten? Manche Bands wollten brutale Hardcore-Fans davon abhalten, ihre Gigs weiterhin ins Chaos zu stürzen, indem sie Musik machten, die diese Fans hassen würden. Andere Bands wiederum entschärften ihren Ansatz, um in Konzerthallen auftreten zu dürfen, in denen Punk auf dem Index stand. Für Greg gehörte kontrollierte Gewalt zum Erlebnis Punkrock dazu. „Ich war sportlich und liebte Slamdance. Das war eine belebende Erfahrung.“ Brett sah das ähnlich. „Brutalität spielte für das, was Greg oder ich taten, nie eine zentrale Rolle, aber das aggressive Tanzen genoss ich jedes Mal. Das war so befreiend. Der Pit mit den chaotisch durcheinander wirbelnden Körpern gab einem die Möglichkeit, sich fallenzulassen und in Kontakt mit anderen zu treten – wenn auch nur für ein paar Minuten. Das war ein guter, sauberer und brutaler Spaß.“

      Bis es eben aus dem Ruder lief. Ihre körperliche Größe und ihr Status als Bandmitglieder von Bad Religion half ihnen, sie vor Auseinandersetzungen


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