Die Bad Religion Story. Jim Ruland

Die Bad Religion Story - Jim Ruland


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und es herrschte blanker Irrsinn, was sich grenzüberschreitend und revolutionär anfühlte. Damals scherte sich die Gesellschaft nicht um Gender- und Identitätsfragen, wie das heute der Fall ist. In den frühen Achtzigerjahren waren es die Punks, die gesellschaftliche Normen hinterfragten, und darauf bin ich schon sehr stolz. Trotzdem verwandelte sich nun diese Bewegung, die als revolutionäre und radikale Ausdrucksform begonnen hatte, in etwas, das von Uniformität und Dogmen geprägt war. Als Homophobie und Rassismus sich in der Hardcore-Szene auszubreiten begannen, fühlte sich das sinister an. Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich nicht mehr ganz sicher. Also fing ich an, mich auf unseren Platten Mr. Brett zu nennen, und dieses Pseudonym blieb hängen.“

      War die Herkunft der ersten Punks in L.A., die aus dem gesamten County stammten, noch sehr divers, kamen die neuen Fans aus den Strandgemeinden und waren überwiegend weiß und männlich. Viele von ihnen waren Surfer und Skater, die sich aufgrund der Gewalt bei Live-Konzerten für Punk begeisterten. Ein paar dieser Neuzugänge waren extrem aggressiv und feindselig gegenüber allen, die nicht so waren wie sie selbst. Anstatt die nonkonformistische Weltsicht des Punk zu favorisieren, waren sie in Gruppen unterwegs und ihre Gangmentalität folgte der Devise „wir gegen euch“.

      „Die ursprüngliche Punk-Szene war revolutionär ausgerichtet“, so Brett. „und damit meine ich, dass sie offen und idealistisch war. Da gab es Philosophen wie Tim Yohannan von Maximum Rocknroll und Darby Crash von den Germs, die spannende, belesene und visionäre Menschen waren. Und dann gab es da noch die Kehrseite der Medaille, Punks, die rassistisch, engstirnig und brutal waren. Das war alles bunt durchgemischt und ich glaube, dass die Leute aus der Punk-Szene ernteten, was sie säten.“

      Die Bruchstellen zwischen den „ursprünglichen“ Hollywood-Punks und ein paar der anderen Szenen wurden immer offensichtlicher. „In den frühen Achtzigern, konnte man den Unterschied gut erkennen“, berichtet Jay. „Die Hollywood-Punks waren in der Regel ein bisschen älter und eher Künstler. In Long Beach und noch weiter südlich bekam man es hingegen mit verdammt zähen Kids zu tun.“ Das Fleetwood in Redondo Beach, eine wichtige Konzert-Location der Beach-Punk-Szene, eignet sich als hervorragendes Beispiel für die exzessive Gewalt, von der Punk-Konzerte in dieser Zeit heimgesucht wurden. Auch Greg hat ein paar schlechte Erinnerungen an den Club, der sich ein wenig weiter südlich von Hermosa Beach, der Heimat von Black Flag, befand. „Man musste sich nur ins Fleetwood begeben“, erzählt Greg, „jenem berühmten Punk-Club, wo all diese Typen abhingen. Ihr Tanzstil war brutal. Sie verlagerten ihre Slamdance-Einlagen auch auf die Straße, wo dann die Fäuste flogen. Sobald jemand am Boden lag, traten sie auf ihn ein.“

      Doch die Gewalt blieb nicht auf gewisse Clubs oder Gegenden beschränkt, obwohl manche in der Tat gefährlicher waren als andere. Sie infizierte die ganze Szene. Jay beschreibt es als eine brutale und gefährliche Ära. „Die Orte, an denen wir auftraten, waren nicht sicher. Es schien, als würden viele Leute bloß zu den Konzerten kommen, um andere zu verletzen. Sie zahlten fünf Mäuse Eintritt, um dann irgendjemanden aufzumischen. Es kam zu nicht wenigen Messerstechereien. Niemand wurde am Eingang abgetastet und es gab keine Metalldetektoren. So passierte jede Menge verrückter Scheiß.“

      Während die Punk-Szene stetig Veränderungen durchlief, blieb das Fast-Food-Etablissment Oki-Dog durchweg eine Oase der Beständigkeit. Die Spezialität des Hauses waren zwei in Chili geschmorte Hotdogs, die zusammen mit gebratener Pastrami in eine Tortilla eingewickelt waren. Das Oki-Dog am Santa Monica Boulevard in West Hollywood hatte bis spät in die Nacht geöffnet, kredenzte billiges Essen in großzügigen Portionen und verfügte über einen riesigen Parkplatz. All diese Faktoren trugen zur Popularität der Örtlichkeit bei Strichern aus West Hollywood, jugendlichen Ausreißern und Punks bei – junge marginalisierte Leute, die in Scharen einen sicheren Rückzugsort suchten. Die Eigentümer des Oki-Dog waren bekannt dafür, zwei Augen zuzudrücken, wenn ihre Kundschaft ungesunden Beschäftigungen frönte, und sie halfen schon mal aus, wenn sich jemand in Schwierigkeiten manövriert hatte. Selbst nachdem das Starwood geschlossen hatte, blieb das Oki-Dog ein Treffpunkt für Punks, wie sich Greg erinnert. „Dort versammelten sich alle. Wenn das Konzert vorbei war, ging man rüber ins Oki-Dog.“ (Das originale Oki-Dog gibt es schon lange nicht mehr, doch die gleichnamige berüchtigte kulinarische Kreation lebt an gleich zwei Orten weiter: an der North Fairfax Avenue sowie am West Pico Boulevard. Auf eigene Gefahr und mit Vorsicht zu genießen!)

      Während viele dorthin pilgerten, um mit und von prominenten Punkrockern gesehen zu werden, war es für Teenager aus dem Valley einer der wenigen Orte, wo sie mit gleichgesinnten Jugendlichen abhängen konnten. Hier löste sich die Barriere zwischen Fans und Performern, die ohnehin eher zarter Natur war, endgültig auf. Im Oki-Dog freundete sich Greg mit Bands aus allen Sparten des Genres an – von den Cirlce Jerks, die de facto berühmt waren, bis hin zu Mad Society, deren Mitglieder sogar noch jünger waren als die von Bad Religion. Greg liebte das Oki-Dog, weil man dort Zeit im Kreis seiner Freunde totschlagen konnte. „Es gab einem eine Ausrede, noch nicht heimzugehen. Nicht dass es bei uns zuhause so schlecht gewesen wäre. Aber ich langweilte mich dort eben. Ich liebte es einfach, an einem belebten Ort abzuhängen.“

      Da das Oki-Dog in Punk-Zirkeln als Treffpunkt bekannt war und sogar in einigen Songs erwähnt wurde, zog es fortlaufend neue Fans an. Doch einige der eher engstirnigen Hardcore-Kids bekamen sich mit der aus West Hollywood stammenden Klientel in die Wolle. So attackierte 1980 eine Gruppe von Nazi-Punks einen schwulen 14-jährigen Ausreißer und ließ ihn, als sie ihn für tot hielten, einfach liegen. (Das Opfer überlebte und tat sich später in einer überraschenden Wendung mit einem der Täter zusammen, um gemeinsam und freiwillig im Museum of Tolerance auszuhelfen.) Auch die Polizeibeamten des LAPD griffen auf homophobe Kraftausdrücke zurück, wann immer sie Punks in dem populären Spätimbiss aufzuscheuchen versuchten.

      Leider waren solche Konfrontationen nur allzu üblich im Oki-Dog und an anderen Orten entlang des Santa Monica Boulevards, wo homophobe Spießgesellen Punks, Strichern und jungen Schwulen auflauerten, die nicht ihrer Vorstellung von Männlichkeit entsprachen. Ein solcher Vorfall sollte die Punk-Szene in ihren Grundfesten erschüttern.

      Die Nacht begann mit einem unüblichen Ereignis, einer Punk-Party in der unmittelbaren Nachbarschaft von Bad Religion. Eine Schülerin der El Camino Real schmiss eine Fete bei sich zuhause an der Woodlake Avenue in Woodland Hills, da ihre Eltern gerade nicht in der Stadt weilten. Greg kannte die Gegend. „Sie lag fast genau in der Mitte zwischen Jays und meinem Haus. Ich spazierte jeden Tag auf meinem Schulweg dort vorbei. Also kannten wir auch das Haus ziemlich gut und ich denke, dass wir auch das Mädchen kannten. Ich habe aber keine Ahnung, wie wir von der Party erfuhren.“

      Greg, Jay und Pete besuchten die Party und staunten nicht schlecht, als sie dort auf Mike Muir von Suicidal Tendencies und mehrere Mitglieder der Dogtown-Skateboard-Clique stießen, etwa Jay Adams, Dennis „Polar Bear“ Agnew und andere Skate-Punks aus Venice Beach. Jay kannte die Dogtown-Jungs noch aus seiner Zeit als Skater, und sie wiederum wussten selbstverständlich auch, wer Bad Religion waren. Eine Gruppe von Footballspielern aus der High School feierte nebenan ebenfalls eine Party. Jay spürte von Anfang an, dass sich Probleme anbahnten. „Es war großes Pech, dass der Nachbarsjunge ein Schulsportler war, der eine Football-Party veranstaltete. Die Leute dort waren von der El Camino Real, und Greg und ich kannten sie.“

      Ein junger Punk wurde von einer Gruppe Footballspieler belästigt. Als er lädiert und blutverschmiert auf der Party eintraf, erzählte er, dass ein paar Typen vom Haus nebenan ihn in die Mangel genommen hätten. Ohne zu zögern machten sich die Dogtown-Jungs auf den Weg, um die Sportskanonen zur Rede zu stellen. Die Footballer verkalkulierten sich und traten bewaffnet mit Baseballschlägern vors Haus, weil sie dachten, das würde die Punks einschüchtern. Die Skater aus Venice Beach waren aber nicht wie die Punks, die die Sportler von der El Camino Real gewöhnt waren. Diese Punks waren mindestens so athletisch und aggressiv wie sie selbst. Abgesehen davon wäre es eine glatte Untertreibung gewesen, zu behaupten, dass diese Typen vom Strand eben nur allzu gern ihr Faible für rohe Gewalt auslebten.

      Greg fühlte sich an eine Filmszene erinnert. „Die dummen Footballer kamen mit ihren Baseballschlägern an. Die Punks vom Strand gingen direkt auf sie zu und entwaffneten sie, da die Footballer es nicht gewohnt waren, dass man sich ihnen entgegenstellte. Sie nahmen ihnen ihre Schläger ab und jagten die Footballer davon.“


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