Die Bad Religion Story. Jim Ruland
sich ums Geschäftliche kümmerten. Ich wollte nichts davon wissen. Ich wollte nur spielen und dann wieder abhauen. Es war weder Business noch Party für mich. Es hieß, dass das irgendwie wichtig sei, aber man wusste nicht wieso. Vielleicht war ich zu jung und hatte noch keinen Überblick, aber das Party-Ding war wirklich nichts für mich. Vermutlich lag das auch an den Diskussionen, die wir in Gregs Garage führten: ‚Was wollen wir als Band darstellen? Was wollen wir aussagen? Wie wollen wir uns präsentieren?‘ Keine Ahnung, über was sich andere Bands so unterhalten, wenn sie sich gründen. Ich weiß nur, dass wir dieses Gespräch führten. Wir wollten uns nicht auf die Bühne stellen und Sachen krakeelen wie ‚Scheiß auf die Bullen!‘ oder ‚Ich hasse meine Eltern!‘ … Es musste doch etwas geben, das ein bisschen sinnvoller war. Das war meine Einstellung zur Band. Sie war kein Vehikel, um Drogen zu nehmen. Sie war auch kein Vehikel, um Kohle zu scheffeln. Stattdessen war sie ein Vehikel, um unsere Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Das war wichtiger als alles andere.“
Für eine Band, der man nachsagte, sie würde aus Intellektuellen bestehen, machten sich die Mitglieder von Bad Religion erstaunlich wenig aus formaler Bildung. Greg tat sich nach seinem Umzug nach Kalifornien als Schüler nicht sonderlich hervor und Brett konzentrierte sich auch mehr auf seine Musik als auf seine Studien. Obwohl Brett versuchte, für Bad Religion und Epitaph Records Einnahmen zu generieren, lieh er sich gelegentlich Geld von seinem Vater. Laut Richard Gurewitz pumpte er seinem Sohn „1.500 oder 1.700 Dollar“, um die erste EP von Bad Religion zu finanzieren.
Wichtiger als die Summe des geliehenen Geldes war aber der Zeitpunkt, zu dem er sie Brett borgte. Ende 1980 war Brett so gut wie fertig mit der El Camino Real. „Ich schlug mich nicht gut in der Schule und kämpfte mich durch. In der elften Klasse legte ich meinen General Education Development Test ab und ging von der High School ab.“
Dass Bretts Vater ihm Geld lieh, damit Brett eine Punk-Platte produzieren konnte, nachdem er die Schule verlassen hatte, kann zweierlei bedeuten. Entweder teilte er Bretts Vision, oder er glaubte daran, dass man Dinge auf die harte Tour lernen muss.
„Er war kein schlechter Junge“, so Richard. „Ich wusste, dass er sich echt Mühe gab. Es entging mir nicht, mit welcher Leidenschaft er bei der Sache war.“
Brett sah die Unterstützung seines Vaters entspannt: „Mein Dad ist Unternehmer. Sein Dad war auch schon Unternehmer. Der Vater meiner Mom war ebenfalls Unternehmer. Das liegt bei uns irgendwie in der Familie. Mein Dad meinte nur: Echt? Du willst Unternehmer werden?“
Allerdings stellte es sich als kluger Schachzug heraus, die Debüt-EP von Bad Religion zu finanzieren – trotz des provokanten Namens und des kontroversen Logos. Die EP enthielt eine mysteriöse Botschaft. Auf der einen Seite waren die Worte „We’re not Bad Religion …“ eingraviert, während die andere Seite „UR!“ (also „You are“) verkündete. Anders als Namen wie Ramones, Sex Pistols oder Weirdos gab Bad Religion keine Auskunft darüber, um wen es sich hier handelte, sondern war vielmehr ein Kommentar zum Weltgeschehen. Bad Religion hielt denjenigen, die sich Antworten von ihnen erhofften, und der Gesellschaft einen Spiegel vor. „Unser Name“, erklärt Brett, „sollte genauso wie unsere Songs provozieren und die Menschen zum Denken anregen.“
Die Band selbst war extrem chaotisch. Als die EP Anfang 1981 erschien, wusste keiner von ihnen, was man nun damit machen sollte. Jay Ziskrout verschickte Exemplare an Punk-Zeitschriften und College-Radiosender, doch das war auch schon das ganze Ausmaß ihrer Marketing-Bemühungen. Weder schalteten sie Anzeigen, noch planten sie irgendwelche Veranstaltungen. Brett entschied sich für einen hemdsärmeligen Ansatz, um die Platte an den Fan zu bringen. „Ich schnappte mir eine Kiste mit Platten und brachte sie zu Middle Earth Records in Downey, Moby Disc Records in Van Nuys, Zed’s Records in Long Beach und Poobah Records in Pasadena. Ich unterhielt mich mit dem Einkäufer und zählte 15 Exemplare ab. Dann rief ich irgendwann mal an und fragte, ob sie noch mehr wollten. Und siehe da: Sie hatten alle verkauft und wollten noch mehr. So fuhr ich dann wieder hin. Darin bestand unser ganzer Vertrieb. Ziemlich überschaubar, aber so haben wir das eben gemacht.“
Trotz der bescheidenen Verkaufszahlen, die auf diese Weise zustande kamen, waren die Kontakte, die Brett knüpfte, auf lange Sicht profitabel. Langsam, aber sicher etablierte sich die EP. Die Band verkaufte die erste Pressung von 500 Stück innerhalb relativ kurzer Zeit. Mit der zweiten Pressung korrigierte die Band ein Problem, das zur Folge gehabt hatte, dass die Platte hüpfte, und erhöhte die Auflage auf 1.500 Stück.
Im Verlauf des Frühjahrs und Sommers gaben Bad Religion gerade mal ein halbes Dutzend Konzerte, die aber dafür umso denkwürdiger waren. Am 3. März traten sie mit den Cheifs und China White im Vex auf, einem legendären Veranstaltungsort in East L.A., der ein Ableger von Self Help Graphics war. Die Fotos, die Gary Leonard schoss, zeigten Jay Bentley und Jay Ziskrout mit sehr kurzen Haaren, während Brett offenbar einen Irokesenschnitt zur Schau trägt. Am 30. April spielte die Band erneut im Vex, dieses Mal mit T.S.O.L., und dann am 29. Mai noch einmal, nun mit den Adolescents, Social Distortion und Saccharine Trust. Diese Show markierte einen besonderen Meilenstein für die Band, da Bad Religion nun zum ersten Mal an zwei aufeinanderfolgenden Abenden gespielt hatte. Denn am Vorabend hatte die Band noch ihre Heimpremiere in Tarzana im Valley West gefeiert.
Im Mai quetschten sich die Jungs mit ihrem Equipment in Bretts VW-Bus und fuhren zu einem Konzert in San Francisco, das an einem Sonntagabend stattfand und vom „Punk-Papst“ Dirk Dirksen veranstaltet wurde. Auf der Fahrt zum Mabuhay hatte Ziskrout Grippe-Symptome und musste sich hinten im Bus hinlegen. Er gab sich die allergrößte Mühe, nicht die Anlage vollzukotzen. Pete Finestone, ein Punk aus dem San Fernando Valley, der ein Fan der Band war und als Roadie aushalf, musste Ziskrouts Schlagzeug für ihn auf- und abbauen, doch das Konzert fand trotzdem statt.
Zu Beginn des Sommers erlitt die Punk-Szene einen herben Rückschlag, als das legendäre Starwood am 13. Juni 1981 für immer dichtmachte. Das Starwood, am Santa Monica Boulevard in Crescent Heights gelegen, war eine wichtige Auftrittsmöglichkeit für Punk-Bands aus L.A. und Acts von außerhalb wie Blondie, The Damned, Devo und The Jam. Die Germs hatten am 3. Dezember 1980 dort ihren letzten Gig gespielt, bevor Darby Crash vier Tage später an einer Überdosis starb.
Greg und Jay ließen sich gerne von Pete ins Starwood kutschieren. „Ich hatte ein Auto“, so Pete. „Jeden Dienstag und Mittwoch, wenn Shows im Starwood stattfanden, fuhr ich durchs Valley, um Greg und manchmal auch Jay abzuholen. In erster Linie aber Greg. Dann ging es weiter zu den Konzerten. So wurde ich schließlich ihr Roadie.“
Das Ende des Starwood war eine große Sache, da der zugehörige Parkplatz so wie der Club selbst ein wichtiger Treffpunkt für die Szene war. Dort hingen die Punks vor einer Show ab und schauten anschließend noch auf einen Sprung bei Oki-Dog vorbei, das unweit davon lag und noch lange nach der Sperrstunde des Clubs geöffnet war. In der Regel fanden dort die Punk-Konzerte an Wochentagen statt. Als das Starwood in diesem Sommer seine Pforten schloss, hinterließ es eine riesige Lücke in der Szene.
Am 4. Juli spielten Bad Religion ihr erstes Konzert in einem Club in Hollywood, dem legendären Whisky a Go Go, zusammen mit den Alley Cats und den Dickies. Die Setlist enthielt neue Songs wie „Fuck Armageddon … This Is Hell“, „We’re Only Gonna Die“, „Part III“, „Latch Key Kids“ und „New Leaf“. Das Konzert war vor allem für Greg eine denkwürdige Angelegenheit.
„Wir spielten „Only Gonna Die“ und ich werde nie vergessen, dass meine Mom in Begleitung ihrer Freundinnen zu unserer Show kam. Jemand kletterte auf die Bühne, um zu stagediven. Dabei rannte er in mich hinein und ich schnitt mir die Lippe am Mikrofon auf. Ich war so sauer, dass ich den Mikroständer nahm und dem Typen, den ich vor der Bühne ausmachte, eine mit dem Standfuß verpasste. Genau auf seinen Schädel! Nach dem Auftritt meinte der Roadie, ich hätte den falschen Kerl erwischt. Ich fühlte mich daraufhin total mies. Auch wenn ich den richtigen Typen getroffen hätte, hätte ich mich mies gefühlt. Ich wies den Roadie an, den Typen zu holen, damit ich mich entschuldigen konnte. Der Kauz meinte aber, dass schon alles in Ordnung wäre und ließ mir ausrichten, dass ich mir keine Sorgen machen sollte. Er hatte sich so prächtig unterhalten und gedacht,